Menschenrechtsverletzungen, Korruption, fehlende Fußballkultur: Katar steht als Gastgeber der WM 2022 heftig in der Kritik. Wir haben mit einem Groundhopper, der kürzlich vor Ort war, über seine Eindrücke gesprochen.
Gab es denn zumindest außerhalb von Doha etwas Abwechslung?
Für eine Partie bin ich an die Nordküste gefahren. Da gab es immerhin ein Stadion, was ich so bislang noch nicht gesehen hatte.
Erzählen Sie.
Das war ein völlig verrücktes Ding. Wenn man nicht weiß, dass dort ein Stadion steht, würde man es wohl gar nicht als solches erkennen. Von außen sieht es nämlich aus, wie ein Wüstenfort. Die Bauweise ist exakt so wie die eines tatsächlich existierenden Forts an der Nordwestküste. Interessant ist auch, dass die Flutlicht-Masten in den Ecktürmen versenkbar sind und zum Spielbeginn ausgefahren werden. Im Stadion selbst war allerdings wieder tote Hose – wie auch sonst an der gesamten Nordküste.
Wie ist ihr Eindruck vom fußballerischen Niveau im Land des kommenden WM-Gastgebers?
Ehrlich gesagt hatte ich mehr erwartet, gerade von einem Land, das gerade die Asien-Meisterschaft gewonnen hat. Da sollten eigentlich auch in den unteren Ligen zumindest gute Ansätze vorhanden sein. Davon habe ich jedoch nichts gesehen. Dabei haben sie dort tatsächlich ganz hervorragende Trainingsbedingungen. Auf die Anlagen wäre sicherlich auch so mancher Bundesligist neidisch.
Zu Jahresbeginn machte Katar mit der Einführung einer „Sündensteuer“ von sich reden. Die Palette Bier soll nun umgerechnet 90 Euro kosten. Ist es dort wirklich so schlimm bestellt um das Lieblingsgetränk der Fußballfans?
Grundsätzlich ist es schwer, überhaupt an Alkohol zu kommen. In den teureren Hotels mag es in dieser Hinsicht etwas einfacher sein, aber die können sich ja nur die wenigsten leisten. Eine WM sollte doch von einer gewissen Weltoffenheit geprägt sein. Gerade vor dem Hintergrund dieser Steuer und der Frage, ob die Fans überhaupt öffentlich Alkohol trinken dürfen, sehe ich diese Weltoffenheit aktuell nicht gewährleistet. Vielleicht sperren sie die Leute zum Biertrinken in den Zwinger, dass sie auch ja keinen Kontakt zu den Einheimischen haben.
Um bereits 2022 eine Aufstockung der WM auf 48 Teilnehmer zu ermöglichen, erwägt die FIFA, einige Partien im Oman oder in Kuwait auszutragen. Sie waren auch in Kuwait vor Ort. Ihre Eindrücke vom möglichen Co-Gastgeber?
Sehr ähnlich. Auch wenn Kuwait noch als Gastgeber hinzukommen sollte – das wird ein sehr trostloses Turnier. Dort gibt es ebenfalls kaum etwas zu sehen! Genau das gleiche in grün beziehungsweise grau.
Wie werden Sie persönlich mit der WM 2022 umgehen? Gibt es Boykott-Pläne?
Ich werde mich wohl auf das Lesen der Ergebnisse beschränken. Schon die letzten Jahre haben mich die großen Turniere eher weniger interessiert. Früher war ich sogar mal viel mit der Nationalmannschaft unterwegs. Doch auch wenn ich heute noch aktiv dabei wäre, würde ich mir Katar wohl nicht noch einmal antun.
2017 kündigte Marcel Hartmann seinen Job als Einkaufsleiter im Sondermaschinenbau, um auf große Groundhopping-Weltreise zu gehen. Noch etwa einen Monat lang ist er unterwegs. Seine Eindrücke schildert der Cottbus-Fan auch bei Facebook und Instagram.