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Seite 3: „Da müssen sie den lieben Gott fragen“

Podolski hat in den zwölf Jahren seiner Kar­riere in der Natio­nalelf zwei sehr bedeu­tende Par­tien gegen sein Geburts­land bestritten. Zum einen natür­lich das unver­ges­sene Gän­se­haut­duell beim Som­mer­mär­chen“ (es war Podolski, der für den Sieg­tor­schützen Oliver Neu­ville vom Feld ging), zum anderen das Auf­takt­spiel der EM 2008, bei dem er beide Tore schoss. Doch solange man auch bohrt und nach­fragt, er lässt sich nichts zu dem Gefühls­chaos ent­lo­cken, das in ihm getobt haben muss. Er will eben keinen beson­deren Moment“ her­aus­pi­cken. Bis die Rede auf die WM 2006 kommt.

Im Mit­tel­kreis gegen Argen­ti­nien

Ich habe ja einige große Tur­niere mit­ge­macht, aber so eine Stim­mung wie damals in Deutsch­land, so eine Euphorie, habe ich nie wieder erlebt“, sagt er. Das Wetter war super, die Sta­dien waren voll, es gab keine Kra­walle, im ganzen Land herrschte eine super Stim­mung. Es war von vorne bis hinten ein­fach eine geile WM.“ Bei der Erin­ne­rung ans Som­mer­mär­chen ver­gisst Podolski sogar seinen ehernen Vor­satz, keine ein­zelne Szene oder Situa­tion aus den zwölf Jahren in den Vor­der­grund zu stellen. Viel­leicht war es am Ende wirk­lich der Weg vom Mit­tel­kreis zum Elf­me­ter­punkt 2006 gegen Argen­ti­nien“, sagt er. Das war ja kein Kir­mes­spiel – es war das Vier­tel­fi­nale bei einer Heim-WM vor 70 000 Leuten im Olym­pia­sta­dion in Berlin. Ich war gerade 21 Jahre alt. So etwas erleben nicht viele Men­schen. Der Weg wird sehr lang. Ich habe ver­sucht, an nichts zu denken, son­dern den Ball ein­fach rein­zu­knallen. Es war schon eine große Erlö­sung, als der Ball drin war. Ein geiles Gefühl.“

Auch für viele Fans war es ein beson­ders emo­tio­naler Moment, als Podolski den Ball beim Elf­me­ter­schießen gegen die favo­ri­sierten Argen­ti­nier mit seinem berühmten linken Hammer ins Netz prü­gelte. (Übri­gens war sein Vater Wal­demar ein Rechtsfuß und sein Sohn Louis ist es auch. Podolski sagt: Warum ich Linksfuß bin? Da muss man den lieben Gott fragen.“) Gene­rell war das Som­mer­mär­chen ja eher ein Tur­nier der großen Gefühle als des großen Fuß­balls. Vier Jahre später war das ganz anders.

Das war richtig geiler Fuß­ball“

Unter­hält man sich mit Podolski über die WM in Süd­afrika, gewinnt man den Ein­druck, dass ihm dieses Tur­nier viel­leicht noch mehr am Herzen liegt als die magi­schen Wochen von 2006, auch wenn er das nie sagen würde. Trotzdem lässt er sich zu so etwas wie einer Bewer­tung hin­reißen und meint: In Süd­afrika haben wir fast unseren besten Fuß­ball gespielt. Wir haben nahezu per­fekte Konter gefahren und kamen immer wieder hinter die Abwehr des Geg­ners. Das war schon richtig geiler Fuß­ball. Bei den beiden Tur­nieren davor haben viel­leicht noch viele Leute gedacht, wir hätten Glück gehabt oder hätten uns durch­ge­mo­gelt, aber in Süd­afrika haben alle gesehen, dass Deutsch­land wieder zur Welt­spitze gehörte. Wir haben Eng­land und Argen­ti­nien aus dem Sta­dion gefegt, das muss man sich mal vor­stellen!“ 

Die Erin­ne­rung an das gran­diose 4:1 gegen die Eng­länder erlaubt einen Ein­blick in Podol­skis Sicht auf den Fuß­ball, die man so umschreiben könnte: Spiele brau­chen keine Ana­lyse, weil sie ein Ergebnis haben. Er hatte näm­lich gute Sicht auf den Schuss von Frank Lam­pard, der beim Stand von 2:1 an die Latte des deut­schen Tores prallte. Für mich, aus dem halb­linken Mit­tel­feld, sah es so aus, als wäre der Ball hinter der Linie“, sagt er. Des­wegen habe ich darauf gewartet, dass der Pfiff kommt und wir alle in unsere Hälfte gehen. Aber dann pas­sierte nichts. So ist das manchmal im Fuß­ball. Viel­leicht wäre es ein anderes Spiel geworden. Viel­leicht auch nicht, wer kann das schon sagen? Man kann nicht über das reden, was nicht pas­siert ist.“

Deren Mei­nung inter­es­siert mich nicht“

Die eng­li­sche Elf, pas­sen­der­weise Deutsch­lands Gegner bei Podol­skis Abschieds­spiel, war 2010 per­so­nell aus­ge­zeichnet besetzt, funk­tio­nierte aber wie so häufig nicht als Mann­schaft. Unter Jürgen Klins­mann und dann Joa­chim Löw war das für die DFB-Aus­wahl nie ein Pro­blem, nicht zuletzt des­halb, weil beide auf Team­player wie Podolski setzten. Ich weiß, dass Jogi oft kri­ti­siert wurde, weil er auch dann an bestimmten Spie­lern fest­hält, wenn sie mal nicht in Form oder nicht ganz fit sind“, sagt Podolski.

Aber anders geht es ja nicht. Die Natio­nalelf braucht ein Gerüst, einen Kern von zehn bis zwölf Spie­lern. Wir waren auch des­wegen so erfolg­reich, weil unser Team­geist super war und eine gute Stim­mung herrschte. Und das kommt natür­lich auch daher, dass es ein Gerüst gab und man sich gut kannte. Es gibt immer Neider, die sagen: Der hat seit zehn Spielen kein Tor geschossen, warum lädt der Löw den ein?‘ Aber das sind Leute, deren Mei­nung mich nicht inter­es­siert. Und den Bun­des­trainer wahr­schein­lich auch nicht.“