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Herr Wei­den­feller, Sie bli­cken auf eine fast 20-jäh­rige Kar­riere zurück. Sie begann in Kai­sers­lau­tern. Dort fei­erte man vor 20 Jahren eine sen­sa­tio­nelle Meis­ter­schaft.
Beim 4:0 Sieg gegen Wolfs­burg war ich damals live im Sta­dion. Die Woche drauf beim Umzug durch die Stadt dabei. Ich war damals nicht nur Jugend­spieler beim FCK, son­dern auch Mit­ar­beiter. Ich habe dort eine Aus­bil­dung zum Büro­kauf­mann gemacht. Obwohl mein Mentor Gerry Ehr­mann mich dann in der Arbeits­zeit immer mehr zum Trai­ning auf den Platz geholt hat. Die Spieler aus der dama­ligen Mann­schaft kannte ich schon per­sön­lich. Ich war stolz, Teil vom Ganzen zu sein. Das war damals für den FCK unglaub­lich. Der Abstieg, der direkte Wie­der­auf­stieg, die Meis­ter­schaft. Das würde es heute kaum noch geben.

Zwanzig Jahre nach der Meis­ter­schaft ist Lau­tern in die dritte Liga abge­stiegen. Schmerzt Sie das?
Es schmerzt und es ist schwierig, das jetzt mit­an­zu­sehen. Die Fehler sind bereits im Vor­feld gemacht worden. Schon im Erfolg. Dazu kam noch der Ausbau zum WM-Sta­dion. Eine hohe Fluk­tua­tion an Spie­lern führte irgend­wann zu einem Kol­laps. Da stand dann dem Verein das Wasser bis zum Hals. Dazu gibt es in der Region keine große Indus­trie, mit der man fri­sches Geld gene­rieren kann, um fle­xibel zu sein. Die Iden­ti­fi­ka­tion mit Verein und der Sache nahm immer mehr ab.

Was bedeutet der Abstieg für die Region?
In Kai­sers­lau­tern ist das ähn­lich wie in Dort­mund. Der FCK hat dort eine unglaub­liche Strahl­kraft. Es gibt dort nicht allzu viel im Umfeld. Der Fuß­ball ist dort zur Reli­gion geworden. Es ist wie im Ruhr­ge­biet: Eine Arbei­ter­ge­mein­schaft, die für den Fuß­ball lebt. Umso trau­riger, dass die Leute in Kai­sers­lau­tern keinen hoch­klas­sigen Fuß­ball mehr geboten bekommen.

Sie haben nun Ihre Profi-Kar­riere beendet. Sind Sie traurig?
Wehmut klar, aller­dings hätte ein Abschied 2011, 2012 oder 2013 mehr geschmerzt. Von der Mann­schaft damals sind nur noch Lukasz Piszczek und Marcel Schmelzer übrig. Sven Bender ist nach Lever­kusen. Mario Götze, Nuri Sahin und Shinji Kagawa mit Unter­bre­chung. Durch den Gene­ra­ti­ons­wechsel hat sich auch das Mit­ein­ander in der Kabine ver­än­dert. Bei meinem Abschied in der Kabine muss ich dadurch nicht so vielen Leuten mit denen ich gefühlt mein halbes Leben ver­bracht habe, Woche für Woche gemeinsam gekämpft habe, tief in die Augen schauen und Tschüss sagen.

Wie hat sich der Kader in den letzten Jahren ver­än­dert?
Man hat sehr viel an Qua­lität hin­zu­ge­kauft. Leider ist die beson­dere Iden­ti­fi­ka­tion mit dem Verein dabei auf der Strecke geblieben. Ous­mane Dem­bele ist so ein Bei­spiel, der im ver­gan­genen Sommer gegangen ist.

Zuvor ist er in den Streik getreten, danach hat er sich dann dem FC Bar­ce­lona ange­schlossen.
So etwas hätte ich vorher nicht für mög­lich gehalten. Er hat seinen Weg­gang beschlossen, indem er zuhause bleibt, das Trai­ning bestreikt, die Spieler sitzen lässt und sich später noch nicht einmal für sein Ver­halten ent­schul­digt. Selbst seine Fuß­ball-Schuhe hat er nicht mal mehr abge­holt. Das ist ein­fach kein guter Stil. Dadurch wurde seit den ersten Tagen in dieser Saison Unruhe in den Club getragen. Solch ein Ver­halten gehört nicht in einen Team­sport hinein.

Wie kann der BVB einen neuen Fall Dem­bele ver­hin­dern?
Man muss weiter auf die Men­ta­lität der Spieler achten. Men­ta­lität schlägt aus meiner Sicht auch das Talent. Der Spieler muss auch von seiner Per­sön­lich­keit zu Borussia Dort­mund passen. Die Qua­lität hat jeder ein­zelne Spieler, viel­leicht mehr als ich die jemals hatte.

Was hat die Meis­ter­mann­schaften von 2011 und 2012 aus­ge­zeichnet?
Ich erin­nere mich an das Köln-Spiel im Oktober 2010. Nuri erzielt in der Schluss­phase das 2:1. Das Spiel war sym­bo­lisch für die Saison. Wir hatten ein­fach das Gefühl, dass wir unheim­lich schwer zu bezwingen waren. Wir fühlten, dass wir in der Nach­spiel­zeit Spiele ent­scheiden konnten.

Kam das aus der Mann­schaft oder war das Jürgen Klopp?
Er hat uns bestärkt, diesen Gedanken zu denken. Aber ebenso wichtig war, dass wir auf dem Platz eine Ein­heit waren. Jeder hat sich in den Dienst der Mann­schaft gestellt. 

Köln spielte am Ende dieser Spiel­zeit noch einmal eine große Rolle. Nor­bert Dickel rief 1:0 für Köln“, die hatten gegen Lever­kusen getroffen. Der BVB führte gegen Nürn­berg. Da war klar: Die Borussia wird bereits am 32.Spieltag der Saison Meister.
Dieser Moment, auf den man ein ganzes Fuß­ball­leben hin­ar­beitet. Die Durch­sage kam: 1:0 für Köln!“. Selbst die Nürn­berger waren per­plex, stellten das Spiel ein. Das Sta­dion ist aus­ge­rastet. Das war echt großes Kino.

Sie gaben an diesem Tag bei Dubai Sports noch ein bemer­kens­wertes Inter­view. Sie sagten: We have a gran­diose Saison gespielt.“ Jürgen Klopp nannte das einen Spruch für die Ewig­keit.
Ich hatte da schon ein paar Bier getrunken, als unser dama­liger Pres­se­spre­cher Josef Schneck mich zum Inter­view holte. Ich bin dann kurz hin, kannte den Jour­na­listen nicht. Habe ihm freund­lich Hallo“ gesagt. Der aus­län­di­sche Jour­na­list hat durch seinen Akzent dann meinen Namen komisch aus­ge­spro­chen. Ich dachte, dass es so wichtig nicht sein mag und ich nicht genau auf meine Aus­sprache achten müsste. Ehr­lich gesagt, meine Eng­lisch-Sprach­kennt­nisse waren auch nicht auf dem besten Stand. Damals dachte ich, dieses Inter­view wird ohnehin nicht gesendet oder dort, wo keiner hin­schaut. Als ich nach der Meis­ter­feier im Mor­gen­grauen zurückkam, fragte mich ein sehr guter Freund, ob ich auf dem Platz Inter­views gegeben hätte. Das hatte ich. Er sagte: Was hast Du denn da für einen Mist erzählt?“ Er hat mir das Video vor­ge­spielt. Danach war ich wieder total nüch­tern. Mit jedem Ver­such, das Video auf You­tube zu löschen, stiegen die Klick­zahlen. Das Video ver­brei­tete sich rasend schnell.

Die sozialen Medien haben Sie dann trotzdem für sich ent­deckt.
In den ersten Jahren habe ich kaum etwas über mein Pri­vat­leben preis­ge­geben. Da hieß es schnell mal, dass ich unnahbar und arro­gant sei. Für mich war es wichtig zu lernen, dass Social Media dazu­ge­hört. Dass dies heute nicht nur ein Bestand­teil aus der sport­li­chen Sicht ist, son­dern auch dass man das eine oder andere Pri­vate preis­geben kann, um eine Fan-Nähe auf­zu­bauen. Dies habe ich erst im Nach­gang gelernt.

Ihre Insta­gram-Sto­ries wirken ganz ent­spannt. Man sieht Sie bei Aus­flügen mit Ihrer Familie.
Ich lebe ein ruhiges und aus­ge­gli­chenes Fami­li­en­leben. Für mich ist es wichtig, den Moment zu genießen. Gelassen an die Auf­gaben ran­gehen. Nicht immer nur nach dem Motto Höher, schneller, weiter!“

Wann wurde Roman Wei­den­feller gelassen?
Als ich Lisa, meine heu­tige Frau, ken­nen­lernte. Da wurde alles ruhiger um meine Person. Als dann 2016 unser Sohn geboren wurde, war mein Glück per­fekt! Seit der Geburt von Leo haben sich die Prio­ri­täten ver­än­dert. Ich freue mich unheim­lich, wie sich mein Sohn ent­wi­ckelt. Zuhause spielen wir Fuß­ball, wir gehen oft zum Rei­terhof. Ich möchten so viel Zeit mit Leo ver­bringen, wie es nur geht. Darauf freue ich mich beson­ders nach meinem Kar­rie­re­ende. Ich kann meiner Familie etwas zurück­geben und viel mehr Zeit in das Glück inves­tieren.

Arjen Robben begegnen Sie dann auch nicht mehr.
Wir hatten schon ein beson­deres Ver­hältnis. Wir haben viele große Spiele gegen­ein­ander gespielt. In den ersten Jahren war ich oft der Gewinner, aber ich muss natür­lich zugeben, dass Arjen in den letzten Jahren die meisten Duelle gewonnen hat. Er ist ein großer Spieler.

Einer, bei dem es auch nicht immer bergauf ging.
Robben hat nie auf­ge­geben. Beson­ders als er 2012 den wich­tigen Elf­meter gegen mich ver­schossen hat. Ich habe größten Respekt vor ihm. Selbst in seinem hohen Fuß­ball-Alter immer noch auf einem Top-Niveau spielt. Was er heute noch vor­lebt, sollte ein Vor­bild-Cha­rakter für unsere Mann­schaft sein. In dem Alter noch diese Leis­tung abzu­rufen, die Schnel­lig­keit haben, das ist abso­lute Klasse.

Ist Robben einer der besten Spieler, dem Sie auf dem Platz begegnet sind?
Arjen war natür­lich einer der größten Spieler. Aber da gibt es natür­lich noch andere: Cris­tiano Ronaldo und noch viele andere großen Namen. Aber klar, Arjen hat den Fuß­ball in den letzten Jahren, spe­ziell in der Bun­des­liga mit am meisten geprägt.