Roman Weidenfeller wird heute 40 Jahre alt. Hier blickt er zurück auf seine Karriere. Auf die Stimmung in der BVB-Kabine, seine Englisch-Kenntnisse und Arjen Robben.
Herr Weidenfeller, Sie blicken auf eine fast 20-jährige Karriere zurück. Sie begann in Kaiserslautern. Dort feierte man vor 20 Jahren eine sensationelle Meisterschaft.
Beim 4:0 Sieg gegen Wolfsburg war ich damals live im Stadion. Die Woche drauf beim Umzug durch die Stadt dabei. Ich war damals nicht nur Jugendspieler beim FCK, sondern auch Mitarbeiter. Ich habe dort eine Ausbildung zum Bürokaufmann gemacht. Obwohl mein Mentor Gerry Ehrmann mich dann in der Arbeitszeit immer mehr zum Training auf den Platz geholt hat. Die Spieler aus der damaligen Mannschaft kannte ich schon persönlich. Ich war stolz, Teil vom Ganzen zu sein. Das war damals für den FCK unglaublich. Der Abstieg, der direkte Wiederaufstieg, die Meisterschaft. Das würde es heute kaum noch geben.
Zwanzig Jahre nach der Meisterschaft ist Lautern in die dritte Liga abgestiegen. Schmerzt Sie das?
Es schmerzt und es ist schwierig, das jetzt mitanzusehen. Die Fehler sind bereits im Vorfeld gemacht worden. Schon im Erfolg. Dazu kam noch der Ausbau zum WM-Stadion. Eine hohe Fluktuation an Spielern führte irgendwann zu einem Kollaps. Da stand dann dem Verein das Wasser bis zum Hals. Dazu gibt es in der Region keine große Industrie, mit der man frisches Geld generieren kann, um flexibel zu sein. Die Identifikation mit Verein und der Sache nahm immer mehr ab.
Was bedeutet der Abstieg für die Region?
In Kaiserslautern ist das ähnlich wie in Dortmund. Der FCK hat dort eine unglaubliche Strahlkraft. Es gibt dort nicht allzu viel im Umfeld. Der Fußball ist dort zur Religion geworden. Es ist wie im Ruhrgebiet: Eine Arbeitergemeinschaft, die für den Fußball lebt. Umso trauriger, dass die Leute in Kaiserslautern keinen hochklassigen Fußball mehr geboten bekommen.
Sie haben nun Ihre Profi-Karriere beendet. Sind Sie traurig?
Wehmut klar, allerdings hätte ein Abschied 2011, 2012 oder 2013 mehr geschmerzt. Von der Mannschaft damals sind nur noch Lukasz Piszczek und Marcel Schmelzer übrig. Sven Bender ist nach Leverkusen. Mario Götze, Nuri Sahin und Shinji Kagawa mit Unterbrechung. Durch den Generationswechsel hat sich auch das Miteinander in der Kabine verändert. Bei meinem Abschied in der Kabine muss ich dadurch nicht so vielen Leuten mit denen ich gefühlt mein halbes Leben verbracht habe, Woche für Woche gemeinsam gekämpft habe, tief in die Augen schauen und Tschüss sagen.
Wie hat sich der Kader in den letzten Jahren verändert?
Man hat sehr viel an Qualität hinzugekauft. Leider ist die besondere Identifikation mit dem Verein dabei auf der Strecke geblieben. Ousmane Dembele ist so ein Beispiel, der im vergangenen Sommer gegangen ist.
Zuvor ist er in den Streik getreten, danach hat er sich dann dem FC Barcelona angeschlossen.
So etwas hätte ich vorher nicht für möglich gehalten. Er hat seinen Weggang beschlossen, indem er zuhause bleibt, das Training bestreikt, die Spieler sitzen lässt und sich später noch nicht einmal für sein Verhalten entschuldigt. Selbst seine Fußball-Schuhe hat er nicht mal mehr abgeholt. Das ist einfach kein guter Stil. Dadurch wurde seit den ersten Tagen in dieser Saison Unruhe in den Club getragen. Solch ein Verhalten gehört nicht in einen Teamsport hinein.
Wie kann der BVB einen neuen Fall Dembele verhindern?
Man muss weiter auf die Mentalität der Spieler achten. Mentalität schlägt aus meiner Sicht auch das Talent. Der Spieler muss auch von seiner Persönlichkeit zu Borussia Dortmund passen. Die Qualität hat jeder einzelne Spieler, vielleicht mehr als ich die jemals hatte.
Was hat die Meistermannschaften von 2011 und 2012 ausgezeichnet?
Ich erinnere mich an das Köln-Spiel im Oktober 2010. Nuri erzielt in der Schlussphase das 2:1. Das Spiel war symbolisch für die Saison. Wir hatten einfach das Gefühl, dass wir unheimlich schwer zu bezwingen waren. Wir fühlten, dass wir in der Nachspielzeit Spiele entscheiden konnten.
Kam das aus der Mannschaft oder war das Jürgen Klopp?
Er hat uns bestärkt, diesen Gedanken zu denken. Aber ebenso wichtig war, dass wir auf dem Platz eine Einheit waren. Jeder hat sich in den Dienst der Mannschaft gestellt.
Köln spielte am Ende dieser Spielzeit noch einmal eine große Rolle. Norbert Dickel rief „1:0 für Köln“, die hatten gegen Leverkusen getroffen. Der BVB führte gegen Nürnberg. Da war klar: Die Borussia wird bereits am 32.Spieltag der Saison Meister.
Dieser Moment, auf den man ein ganzes Fußballleben hinarbeitet. Die Durchsage kam: „1:0 für Köln!“. Selbst die Nürnberger waren perplex, stellten das Spiel ein. Das Stadion ist ausgerastet. Das war echt großes Kino.
Sie gaben an diesem Tag bei Dubai Sports noch ein bemerkenswertes Interview. Sie sagten: „We have a grandiose Saison gespielt.“ Jürgen Klopp nannte das einen Spruch für die Ewigkeit.
Ich hatte da schon ein paar Bier getrunken, als unser damaliger Pressesprecher Josef Schneck mich zum Interview holte. Ich bin dann kurz hin, kannte den Journalisten nicht. Habe ihm freundlich „Hallo“ gesagt. Der ausländische Journalist hat durch seinen Akzent dann meinen Namen komisch ausgesprochen. Ich dachte, dass es so wichtig nicht sein mag und ich nicht genau auf meine Aussprache achten müsste. Ehrlich gesagt, meine Englisch-Sprachkenntnisse waren auch nicht auf dem besten Stand. Damals dachte ich, dieses Interview wird ohnehin nicht gesendet oder dort, wo keiner hinschaut. Als ich nach der Meisterfeier im Morgengrauen zurückkam, fragte mich ein sehr guter Freund, ob ich auf dem Platz Interviews gegeben hätte. Das hatte ich. Er sagte: „Was hast Du denn da für einen Mist erzählt?“ Er hat mir das Video vorgespielt. Danach war ich wieder total nüchtern. Mit jedem Versuch, das Video auf Youtube zu löschen, stiegen die Klickzahlen. Das Video verbreitete sich rasend schnell.
Die sozialen Medien haben Sie dann trotzdem für sich entdeckt.
In den ersten Jahren habe ich kaum etwas über mein Privatleben preisgegeben. Da hieß es schnell mal, dass ich unnahbar und arrogant sei. Für mich war es wichtig zu lernen, dass Social Media dazugehört. Dass dies heute nicht nur ein Bestandteil aus der sportlichen Sicht ist, sondern auch dass man das eine oder andere Private preisgeben kann, um eine Fan-Nähe aufzubauen. Dies habe ich erst im Nachgang gelernt.
Ihre Instagram-Stories wirken ganz entspannt. Man sieht Sie bei Ausflügen mit Ihrer Familie.
Ich lebe ein ruhiges und ausgeglichenes Familienleben. Für mich ist es wichtig, den Moment zu genießen. Gelassen an die Aufgaben rangehen. Nicht immer nur nach dem Motto „Höher, schneller, weiter!“
Wann wurde Roman Weidenfeller gelassen?
Als ich Lisa, meine heutige Frau, kennenlernte. Da wurde alles ruhiger um meine Person. Als dann 2016 unser Sohn geboren wurde, war mein Glück perfekt! Seit der Geburt von Leo haben sich die Prioritäten verändert. Ich freue mich unheimlich, wie sich mein Sohn entwickelt. Zuhause spielen wir Fußball, wir gehen oft zum Reiterhof. Ich möchten so viel Zeit mit Leo verbringen, wie es nur geht. Darauf freue ich mich besonders nach meinem Karriereende. Ich kann meiner Familie etwas zurückgeben und viel mehr Zeit in das Glück investieren.
Arjen Robben begegnen Sie dann auch nicht mehr.
Wir hatten schon ein besonderes Verhältnis. Wir haben viele große Spiele gegeneinander gespielt. In den ersten Jahren war ich oft der Gewinner, aber ich muss natürlich zugeben, dass Arjen in den letzten Jahren die meisten Duelle gewonnen hat. Er ist ein großer Spieler.
Einer, bei dem es auch nicht immer bergauf ging.
Robben hat nie aufgegeben. Besonders als er 2012 den wichtigen Elfmeter gegen mich verschossen hat. Ich habe größten Respekt vor ihm. Selbst in seinem hohen Fußball-Alter immer noch auf einem Top-Niveau spielt. Was er heute noch vorlebt, sollte ein Vorbild-Charakter für unsere Mannschaft sein. In dem Alter noch diese Leistung abzurufen, die Schnelligkeit haben, das ist absolute Klasse.
Ist Robben einer der besten Spieler, dem Sie auf dem Platz begegnet sind?
Arjen war natürlich einer der größten Spieler. Aber da gibt es natürlich noch andere: Cristiano Ronaldo und noch viele andere großen Namen. Aber klar, Arjen hat den Fußball in den letzten Jahren, speziell in der Bundesliga mit am meisten geprägt.