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Wenn man so wie ich mit 33 Jahren noch zu seiner ersten WM-Teil­nahme kommt, gibt es natür­lich sehr viele Momente, die man nicht ver­gisst. Aber einer hat mich 1994 ganz beson­ders bewegt.

Dazu muss man die Vor­ge­schichte erzählen. In der Vor­be­rei­tung auf das Tur­nier haben wir in Orange County trai­niert. Auf dem Weg von unserem Hotel in Daina Point zum Trai­nings­platz wurden wir immer von einer Poli­zei­es­korte begleitet; wenn wir auf die Auto­bahn auf­fuhren, wurde extra für uns der Ver­kehr ange­halten – und das mitten in der Rush Hour. Jeden Tag haben wir einen rie­sigen Stau ver­ur­sacht. Man konnte den Leuten ansehen, wie sie sich auf­ge­regt haben. An der Strecke zu unserem Trai­nings­ge­lände, noch ganz in der Nähe unseres Hotels, gab es einen Sport­kom­plex mit fünf oder sechs Bas­ket­ball-Courts. Die waren jeden Tag besetzt, aber nie­mand hat es regis­triert, wenn wir dort mit Poli­zei­es­korte und Blau­licht vor­bei­fuhren. Irgend­wann ist mir der Kragen geplatzt: Das kann doch nicht sein! Hier findet das größte Sport­event der Welt statt, und es inter­es­siert keinen Men­schen!“


Fas­zi­na­tion Ame­rika

Für mich war das fast ein Kul­tur­schock. Aus Deutsch­land kannte ich natür­lich eine ganz andere Begeis­te­rung für den Fuß­ball. Trotzdem war es für mich ein Glücks­fall, dass ich quasi über Nacht ame­ri­ka­ni­scher Natio­nal­spieler geworden war und an der WM in den USA teil­nehmen konnte. Durch meinen ame­ri­ka­ni­schen Vater hatte ich die US-Staats­bür­ger­schaft bekommen. Als ich ein Jahr alt war, musste er wieder in die Ver­ei­nigten Staaten zurück; meine Mutter wollte kurze Zeit später nach­reisen, doch der Kon­takt ist dann sehr schnell abge­rissen. Des­halb besaß ich auch über­haupt keinen Bezugs­punkt in den USA. Nachdem meine Mutter meinen Stief­vater ken­nen­ge­lernt hatte, war das Thema sowieso gegessen.

Das Land aber hat mich schon immer fas­zi­niert. Wenn ich mir als Kind Olym­pi­sche Spiele im Fern­sehen ange­schaut habe, galten meine Sym­pa­thien immer den Sport­lern aus Ame­rika, und wenn die Natio­nal­hymne gespielt wurde, fand ich das richtig ergrei­fend. Trotzdem habe ich geschwankt, als ich das Angebot bekam, für das US-Team zu spielen – weil ich wusste, dass es alte Geschichten auf­wühlen würde. Ich wollte meinen Stief­vater nicht ver­letzen. Er aber hat zu mir gesagt: Natür­lich musst du das machen! Das ist deine Rie­sen­chance.“

Ame­ri­kaner ohne Eng­lisch­kennt­nisse

Ich habe damals kaum Eng­lisch gespro­chen, weil ich auf der Schule im Saar­land als erste Fremd­sprache Fran­zö­sisch gelernt hatte. Ich wusste aber, dass ich nach dem ersten Trai­ning mit der Natio­nal­mann­schaft Inter­views geben musste. Also habe ich mir die sieben oder acht Fragen über­legt, die man mir stellen würde, und mir die dazu pas­senden Ant­worten auf­ge­schrieben. Den Zettel habe ich dann meiner Pri­vat­leh­rerin gegeben und sie gebeten, mir die Sätze ins Eng­li­sche zu über­setzen. Das hat per­fekt funk­tio­niert. In den Zei­tungen hieß es anschlie­ßend, mein Eng­lisch sei super. Wei­tere Inter­view­wün­sche habe ich aber an diesem Tag abge­lehnt. Mein Reper­toire war erschöpft.

Mit Col­lege-Boys zum Titel

Vor der WM waren wir ein Jahr mit dem ganzen Kader zusammen, wir haben wie eine Klub­mann­schaft trai­niert und 32 Test­spiele bestritten. Es gab damals noch keine Pro­fi­liga. Die meisten Spieler kamen vom Col­lege, trotzdem hat man in den USA gedacht, dass wir mit diesem Team Welt­meister werden müssten. Das war völlig uto­pisch. Ich habe damals gesagt: Wenn wir die zweite Runde errei­chen, ist das so, als würde Deutsch­land ins End­spiel kommen.

Wir haben dann tat­säch­lich die Vor­runde über­standen. Im zweiten Grup­pen­spiel besiegten wir Kolum­bien 2:1. Als wir am Tag danach wieder an den Bas­ket­ball­plätzen vor­bei­kamen, war alles anders. Die Leute haben auf­ge­hört zu spielen, sie rannten an den Stra­ßen­rand, haben uns applau­diert und USA! USA!“ gerufen. Es war ein unglaub­li­ches Gefühl zu erkennen, dass wir nicht alleine waren, son­dern einen rie­sigen Rück­halt hatten und alle Ame­ri­kaner hinter ihrer Natio­nal­mann­schaft standen.