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Euro­pa­weit spricht man ehr­fürchtig von der großen Fuß­ball­lei­den­schaft Nea­pels. Was macht die Fas­zi­na­tion aus?
Der nea­po­li­ta­ni­sche tifo“ (auf Deutsch: das Fan-Sein) ist ein­zig­artig. Ich kann nicht erklären, warum es so eine beson­ders starke Hin­gabe gibt, aber manchmal stellt man die Mann­schaft ein­fach über alles andere in seinem Leben. Egal, ob Söhne, Brüder oder Cou­sins, wir Nea­po­li­taner sind alle Neapel-Fans. Es gefällt uns, dass diese Pas­sion über Gene­ra­tionen getragen wird. Bei anderen Ver­einen ist das viel­leicht nicht so selbst­ver­ständ­lich, dass das Fan-Sein vom Vater an den Sohn wei­ter­ge­geben wird.

Gehen Sie mit Ihrem Vater ins Sta­dion?
Es ist kom­pli­ziert bei uns, denn man muss auch wissen: Erst seit sieben Jahren geht es dem SSC Neapel wieder gut. Aber davor machte Neapel eine dunkle Zeit durch. Vor wenige Jahren waren wir noch in der Serie C. Mein Vater war Fan zu Zeiten Mara­donas. Er hat mich mein erstes Mal ins Sta­dion mit­ge­nommen. Nach den Jahren in den unteren Ligen – wir nenne sie die häss­liche“ Zeit – war es an mir, ihn wieder ins Sta­dion zu zerren, weil ihm die ganze Situa­tion so miss­fallen hat. Heute gehen wir zusammen hin, wenn wir können.

Erin­nern Sie sich noch an eine Partie mit Mara­dona?
Einmal habe ich ihn von Nahem gesehen. Es war im Sta­dion wäh­rend des Abschieds von Ciro Fer­rara, einem ehe­ma­ligen Spieler Nea­pels. Mara­dona war Gast des Events und kam ins San Paolo. Es war wun­derbar!

Haben Sie damals schon ver­standen, wer Mara­dona ist?
Ich bin mit dem Mara­dona-Kult auf­ge­wachsen. Es gab so viele Videos und Bücher über ihn. Mein Vater hatte viele Maga­zine, Poster und Kas­setten und ich bin mit all diesen Dingen groß geworden und daher wusste ich, wer er war und was er geleistet hatte. So habe ich gelernt, die Napoli zu lieben.

2007 stieg Neapel end­lich wieder in die Serie A auf. Wie haben Sie das gefeiert?
Wir haben gefeiert, als hätten wir den Meis­ter­titel in der Serie A gewonnen. Damals spielten wir 0:0 gegen Genua und mussten auf das Ende einer anderen Partie warten. Ich klebte mit meinem Schal am Radio. Dann fuhren alle mit Autos und Motor­rä­dern durch die Stadt. Ein Mee­res­blau hing über Neapel bis zum nächsten Morgen. Die Leute hielten mitten auf der Straße an, um mit­ein­ander zu tanzen. Man hätte meinen können, Mara­dona sei zurück. 

Seit 2010/11 zeigt sich der SSC Neapel wieder stärker. Diese Saison hat der Klub einen phan­tas­ti­schen Sai­son­start hin­ge­legt und noch keine Nie­der­lage kas­siert. Werden die Fans jetzt nost­al­gisch und erin­nern sich an die gol­denen Acht­ziger?
Die Erin­ne­rungen an Mara­dona leben immer. Die Fans und Jour­na­listen ziehen stets den Ver­gleich zwi­schen der dama­ligen Mann­schaft und der neuen Napoli mit Marek Hamsik und Edinson Cavani. Wir müssten bald eine Meis­ter­schaft gewinnen, nicht um die Acht­ziger zu ver­gessen, aber ein­fach um neue Erin­ne­rungen feiern zu können.

Haben Hamsik und Cavani das Zeug, Nea­pels neue Götter zu werden?
Eze­quiel Lavezzi war der große Held. Er war fünf Jahre bei Neapel und die Fans haben ihn als zen­trale Figur des neuen Erfolgs betrachtet. Doch von dem Moment an, als er das Team in Rich­tung Paris ver­ließ, ver­gaßen ihn die Fans. An seine Stelle sind jetzt Cavani und Hamsik getreten, weil sie zuver­lässig sind. Sie haben beide vor, länger beim SSC Neapel zu bleiben. Cavani hatte tolle Ange­bote aus ganz Europa, wollte aber trotzdem in Neapel bleiben. Das merken sich die Nea­po­li­taner.
 Wie nach­tra­gend reagieren die Fans, wenn ein Spieler das Team ver­lässt?
Nehmen wir die Bei­spiele von Fabio Qua­gli­a­rella und Lavezzi. Beide haben das Trikot abge­geben, obwohl sie geschworen hatten, für immer in Neapel zu bleiben. Sie haben den Fans fal­sche Hoff­nungen gemacht. Des­wegen gibt es in der Fan­szene den Spruch: Die Fuß­baller kommen und gehen, aber das Trikot bleibt“. Es gab aber auch Fuß­baller, die für ihren Ein­satz stets gelobt wurden. Viel­leicht waren sie nicht die Besten und schossen nicht viele Tore, aber sie blieben bei der Mann­schaft. Sie haben nur für ihr Trikot geschwitzt.

Diesen Stolz kann man sich aber nur als kleines Neapel leisten.
Klar. Kennen Sie den Fall Gian­luca Grava? Grava ist nicht der stärkste Spieler, eher Durch­schnitt, aber er hat immer zu seinem Team gehalten. Er blieb, auch wenn er auf der Bank sitzen musste. Warum? Weil er Nea­po­li­taner ist. Weil er die maglia“ liebt und auch selbst ein Fan ist.

Wie nahe sind sich die Fans und die Spieler?
Die Spieler gehen nicht in der Stadt spa­zieren. In Neapel ist es nicht so wie in anderen ita­lie­ni­schen Städten oder in Deutsch­land. Wenn der nea­po­li­ta­ni­sche Fan dem Fuß­baller auf der Straße begegnet, springt der ihn gleich an! Daher bevor­zugen es die Spieler, sich nicht überall zu zeigen.

Ver­scheucht das die Stars nicht auf Dauer?
In den letzten Jahren haben sich nea­po­li­ta­ni­schen Fans bereits gebes­sert. Denn es ist Tat­sache, dass einige Spieler des­wegen gegangen sind. Sie suchen ihre Ruhe. Cavani zum Bei­spiel ist ein­fach in anderen Städten her­um­ge­zogen, wenn er mal einen freien Tag hatte. Nicht weil ihm Neapel miss­fällt, son­dern damit er nicht ständig ange­spro­chen wird.

Ein füh­rendes Mit­glied der SSC-Ultras sprach in einem Inter­view mit 11FREUNDE einst über die Tren­nung der Kurve A und B. Ist das immer noch so?
Als Neapel-Fan gefällt es mir nicht, dass die Fan­ge­mein­schaft keine Ein­heit bildet. Die Kurve ist zer­split­tert in zwei Gruppen und die bekämpfen sich andau­ernd gegen­seitig, dabei geht es um die­selbe Sache!

Man muss sich also ent­scheiden. Gehen Sie in die Kurve A oder B?
Weder noch. Ich war schon in beiden, aber ich bin nicht an eine der Grup­pie­rungen gebunden. Im San Paolo ist es mit­unter auch gefähr­lich. Eine Kurve ist zuge­lassen für 10.000 Per­sonen, in Neapel stehen aber 20.000.

Die Kurve A gilt als Hoheits­ge­biet der Mafia. Es heißt, dass die Camorra alle Jobs im San Paolo kon­trol­liert.
Der Camorra wird viel zu viel Bedeu­tung bei­gemessen. Wobei das Sta­dion manchmal für merk­wür­dige Zwecke ver­wendet wird. Im Sep­tember kam ein Ehe­paar nach der Trauung für eine Hoch­zeits­fo­to­serie auf den Rasen. Sie hatten einen Schlüssel fürs San Paolo.

Also gehörte diese Hoch­zeits­ge­sell­schaft zur Camorra?
Nein, aber viel­leicht hatte die Camorra ihre Hände im Spiel. Man muss immer viel­leicht sagen, denn wirk­lich wissen kann man es nicht. Die Ermitt­lungen laufen noch. Die Camorra gibt es, das will ich nicht leugnen. Aber der Rest ist ein­fache Kri­mi­na­lität. Diese gibt es in jeder ita­lie­ni­schen Stadt und sicher auch in Berlin.

Zurück zur Lei­den­schaft: In Deutsch­land ist die Lega­li­sie­rung der Pyro­technik der­zeit immer noch ein heißes Thema. Die Ultra­szene und Ben­galos haben ihre Wur­zeln in Ita­lien. Wie sieht die Dis­kus­sion in Neapel aus?
In Ita­lien sind überall alle Arten von Feu­er­werks­kör­pern ver­boten. Aber natür­lich wird es ver­ein­zelt noch gemacht, jedoch sank­tio­niert die ita­lie­ni­sche Liga den betrof­fenen Klub mit Geld­strafen für jedes ein­zeln ent­zün­dete Feuer. In Neapel sieht man kaum noch ben­ga­li­sche Feuer, dabei war es so ein hüb­sches Bild. Nun gibt es nur noch die Flaggen.

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Raf­faele Maz­zano ist Mit­gründer und Betreiber vom SSC-Neapel-Fan­blog Napoli Focus“. Der Blog kon­zen­triert sich auf Hin­ter­grund­in­for­ma­tionen rund um den Verein, die sport­li­chen Leis­tungen bis hin zum Spieler-Tratsch und Erin­ne­rungen an ehe­ma­lige Spieler.