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Am Wochen­ende hat das Fern­sehen Joa­chim Löw in einer unvor­teil­haften Situa­tion erwischt. Der Bun­des­trainer saß am Sonntag in seiner Hei­mat­stadt im Sta­dion, um sich das Bun­des­li­ga­spiel zwi­schen dem SC Frei­burg und Bayer Lever­kusen anzu­schauen, und später waren Bilder von Löw zu sehen, wie er mit großer Mühe ein Gähnen zu unter­drü­cken ver­suchte. Wobei: Unvor­teil­haft? In Wirk­lich­keit sind es sehr vor­teil­hafte Bilder, die Löw jetzt auf diversen Tri­bünen in diversen Fuß­ball­sta­dien zeigen. Weil sie die Bot­schaft trans­por­tieren: Seht her, der Bun­des­trainer arbeitet mit großem Fleiß am Wie­der­auf­stieg der deut­schen Fuß­ball-Natio­nal­mann­schaft.

Löw nimmt Ter­mine wahr

Es hat sich einiges geän­dert seit dem Sommer des all­ge­meinen Miss­ver­gnü­gens, in dem die deut­sche Fuß­ball-Natio­nal­mann­schaft bei der Welt­meis­ter­schaft in Russ­land schon in der Vor­runde schei­terte. Seitdem ist Joa­chim Löw auf­fal­lend oft in Sta­dien zu sehen (was zuvor nicht der Fall gewesen sein soll), er war sogar beim Trai­ner­kon­gress der Fifa (wo er sich früher eigent­lich nie hat bli­cken lassen), und zu Beginn dieser Woche konnte der Deut­sche Fuß­ball-Bund (DFB) bei seinem Besuch in Berlin ein wei­teres Häk­chen hinter einen oft erho­benen Vor­wurf setzen. Fan­nähe? Auch erle­digt!

Am Dienstag hat die Natio­nal­mann­schaft im Ama­teur­sta­dion von Hertha BSC eine öffent­liche Trai­nings­ein­heit absol­viert – es war die erste seit vier Jahren. Vor­nehm­lich Kinder und Jugend­liche waren auf den Rängen, sie häm­merten mit ihren Hand­flä­chen auf die ble­cherne Ban­den­wer­bung, so dass es ordent­lich schep­perte, und anschlie­ßend schienen die Herren Natio­nal­spieler, deren eigene Kind­heit in vielen Fällen ja noch gar nicht so lange zurück­liegt, ein biss­chen über­rascht, dass Nähe gar nicht weh tut, son­dern sogar Spaß macht. Natür­lich war die Ver­an­stal­tung per­fekt vor­be­reitet. Als die Spieler vom Feld kamen, wurden ihnen von den zehn bis zwölf Betreuern fette Filz­stifte zum Auto­gram­me­schreiben gereicht. Die neue Fan­nähe folgte gewis­ser­maßen einem Mas­ter­plan.

Löw setzt auf bewährte Achse

Es ist Löw, den Spie­lern und dem DFB anzu­merken, dass sie gerade alle sehr bemüht sind, alles richtig zu machen. Es geht darum, glaub­haft den Ein­druck zu erwe­cken, dass vieles neu und anders ist bei der Natio­nal­mann­schaft, die in Wirk­lich­keit per­so­nell immer noch die alte Natio­nal­mann­schaft ist. Einen großen Umbruch hat es ja nicht gegeben“, sagt Frank Wormuth, der frü­here Trai­ner­aus­bilder des DFB. Für die interne Füh­rung des Teams setzt Löw weit­ge­hend auf die­selben Spieler wie in Russ­land. Es ist wahn­sinnig wichtig, dass wir eine gute Achse haben, an der sich junge Spieler ori­en­tieren können“, sagt er.

Der Bun­des­trainer wirkt eben­falls nicht beson­ders ver­än­dert. Beim öffent­li­chen Trai­ning dad­delte er wie gewohnt ein biss­chen mit den Bällen herum, er winkte kurz ins Publikum und gab wäh­rend der Ein­heit den stillen Beob­achter. Im Hotel ist es ganz normal wie vorher auch, wenn man sich mal über den Weg läuft“, berich­tete Natio­nal­spieler Jonas Hector über seine Ein­drücke vom Bun­des­trainer. Der Ver­tei­diger vom 1. FC Köln ist gerade zum ersten Mal seit der Welt­meis­ter­schaft wieder bei der Natio­nal­mann­schaft. Es ist eigent­lich alles sehr ent­spannt“, sagte er.

Ist es das wirk­lich? In den nächsten Tagen stehen zwei Spiele in der Nations League an, die wohl den Ton der nächsten Wochen vor­geben werden: am Samstag in Ams­terdam gegen Hol­land, am Dienstag in St. Denis gegen Welt­meister Frank­reich. Im schlimmsten Fall droht der Abstieg aus der Ersten Liga. Natür­lich streben wir an, beide Spiele zu gewinnen“, sagt Toni Kroos. Wir sind ja jetzt auch keine Gur­ken­truppe.“

Kroos ver­tei­digt den Bun­des­trainer

Kroos, einer der Füh­rungs­spieler, hat den Bun­des­trainer auch gegen die Aus­sagen des frü­heren Kapi­täns Michael Bal­lack ver­tei­digt, der in einem Inter­view mit der Deut­schen Welle sein Unver­ständnis dar­über kund­getan hat, dass Löw immer noch im Amt ist. Irgend­wann muss man sich doch ein­ge­stehen, dass die Dinge nicht mehr funk­tio­nieren, wenn jemand so lange mit einer Mann­schaft zusam­men­ar­beitet wie er“, hat Bal­lack gesagt.

Kroos, Natio­nal­spieler seit 2010 und zuletzt mit seinem Klub Real Madrid dreimal hin­ter­ein­ander Cham­pions-League-Sieger, kon­tert: Das ist eine Wort­mel­dung mehr.“ Dann erzählt er von der WM und der kri­ti­schen Phase nach der Auf­takt­nie­der­lage gegen Mexiko. Löw habe Anspra­chen gehalten, so gut waren die noch nie“. Neue Reize könnten auch vom alten Trainer kommen, wenn er sich hin­ter­fragt. Und das hat er getan“, sagt Kroos. Ich bin über­zeugt, dass wir auch jetzt wieder die Kurve kriegen.“

Das frühe Aus bei der WM hat den DFB ordent­lich durch­ge­schüt­telt und auch seinem Prä­si­denten Rein­hard Grindel einen unru­higen Sommer beschert. Neu­lich in Nyon hat er mal wieder einen guten Tag erlebt, als Deutsch­land von der Uefa den Zuschlag für die EM 2024 erhielt. Grindel stand die Erleich­te­rung ins Gesicht geschrieben. Ich spüre die Ver­ant­wor­tung, die mit dieser Ver­gabe ver­bunden ist“, sagte er. Zwei Tage später, bei einem Besuch im Aktu­ellen Sport­studio, kün­digte er an, 2019 erneut für das Prä­si­den­tenamt beim DFB kan­di­dieren zu wollen.

Ein Debakel, wie es die Natio­nal­mann­schaft in Russ­land erlebt hat, ist dazu geeignet, alles und jeden hin­weg­zu­spülen. Beim DFB aber gibt es drei Monate später keine erkenn­baren Folgen. Der Bun­des­trainer, seit 14 Jahren in Diensten des Ver­bandes, die Über-30-Jäh­rigen in der Mann­schaft, die Ver­bands­füh­rung – sie alle sind wei­terhin in Amt und Würden. Aber noch immer ist die Lage für alle Betei­ligten prekär. Grindel wird ein eigen­wil­liger Füh­rungs­stil, Macht­be­ses­sen­heit und Eitel­keit vor­ge­worfen. Und auch an der Basis grum­melt es. In den Bun­des­li­ga­sta­dien hat sich vor der EM-Ver­gabe deut­lich ver­nehm­barer Unmut geregt.

Viele Spieler ste­cken mit ihren Klubs in der Krise

Die Welt­meis­ter­schaft war eine große Ent­täu­schung, und dafür gab es Gründe“, hat Michael Bal­lack gesagt. Man sollte sie ernst­haft ana­ly­sieren und nicht sagen Wir ana­ly­sieren das’, wäh­rend in Wahr­heit bereits beschlossen ist, am Trainer fest­zu­halten.“ Es war vor allem Grindel, der sich ohne Wenn und Aber für Löw ein­ge­setzt und seinen Ver­trag schon vor der WM ohne Not ver­län­gert hatte. Bei einem Abstieg in der Nations League aber, so wurde es im Sommer aus dem Ver­band kol­por­tiert, werde der Bun­des­trainer nicht mehr zu halten sein.

Löw und die Mann­schaft haben es selbst in der Hand, diesen Fall zu ver­hin­dern. Aller­dings sind die Bedin­gungen nicht ganz ein­fach. Gegen Hol­land und Frank­reich muss der Bun­des­trainer auf Marco Reus ver­zichten, der in seinen Offen­siv­pla­nungen eine wich­tige Rolle ein­ge­nommen hätte. Kai Havertz, Antonio Rüdiger, Leon Goretzka und Kevin Trapp mussten eben­falls ver­let­zungs­be­dingt passen. Die Bayern – immerhin ein Drittel des Kaders – strotzen nach zuletzt vier Spielen ohne Sieg nicht gerade vor Selbst­be­wusst­sein, und auch Toni Kroos erlebt bei Real Madrid eine eher uner­quick­liche Phase (mit inzwi­schen 409 Pflicht­spiel­mi­nuten ohne Tor). Den alten Schre­cken jeden­falls hat die Natio­nal­mann­schaft erst einmal ver­loren. Selbst die Hol­länder, zuletzt zweimal hin­ter­ein­ander in der Qua­li­fi­ka­tion zu großen Tur­nieren geschei­tert, rechnen sich etwas aus. Die Volks­krant“ aus Ams­terdam hat am Wochen­ende geschrieben: Lass sie mal kommen, die Deut­schen.“