Der DFB-Pokal ist in diesem Jahr spannend wie nie. Doch das Wochenende in England hat gezeigt: Der FA-Cup ist noch immer der beste Pokalwettbewerb der Welt – und das liegt an den Fans.
Es gab in den vergangenen Wochen mehrere gute Nachrichten für den deutschen Fußball. Eine davon war, dass die Stadien der Republik seit Anfang Februar wieder mehr als nur eine Hand voll Zuschauerinnen und Zuschauer zulassen dürfen. 10.000 Menschen konnten beispielsweise am Samstagabend das Bundesliga-Spitzenspiel zwischen dem FC Bayern und RB Leipzig live vor Ort verfolgen. Es weht wieder ein Hauch von Stadionfeeling über die lange Zeit nur sporadisch genutzten Tribünen.
Die zweite gute Nachricht ist bereits etwas älter. Der DFB-Pokal sorgt in dieser Saison für mehr Spannung als er es in den vergangen zehn Jahren getan hat. Das liegt daran, dass die Dauerfinalisten Dortmund und Bayern bereits ausgeschieden sind und dass die potenziellen Nutznießer dieses Umstandes zudem kein Kapital aus dieser wohl einmaligen Situation zu schlagen wussten. So sind vier der acht Viertelfinalisten die Zweitligisten FC St. Pauli, Karlsruher SC, Hannover 96 und der HSV.
Was die Stimmung trübte: Gerade einmal 500 Menschen sahen Hannovers Pokalcoup gegen Gladbach im Stadion, immerhin 2.000 durften St. Paulis Sieg gegen den BVB am Millerntor feiern. Und dennoch zeigt ein Blick auf das vergangene Wochenende, was Mitte Januar stimmungstechnisch möglich gewesen wäre, wenn nicht auch der deutsche Profifußball wegen der Corona-Pandemie den Ausschluss eines Großteil seiner Fans zu verkraften gehabt hätte. Der Blick richtet sich dabei keinesfalls auf die 10.000 Fans beim Ligaspiel in München, die in der übergroßen WM-Arena irgendwie verloren wirkten. Er wandert vielmehr in das Mutterland des Fußballs, wo der FA-Cup am Wochenende verdeutlichte: Es könnte alles so schön sein. Packende Partien in vollen Stadien sorgten landesweit für Gänsehautstimmung und vermittelten den Eindruck: Selbst in diesem Jahr ist der älteste Pokalwettbewerb der Welt besser als der DFB-Pokal.
Was war das für ein Sonntagabend für Boreham Wood. Der Fünftligist schmiss den Zweitligisten AFC Bournemouth mit 1:0 aus dem FA-Cup und Torschütze Mark Ricketts wusste, bei wem er sich zu bedanken hatte. „Unglaublich“, beschrieb Borhams Kapitän die Unterstützung der mitgereisten Anhänger gegenüber dem vereinseigenen Sender Boreham Wood TV. „Sie waren heute wahrscheinlich lauter als die Heimfans.“ Etwas mehr als 9.500 Leute hatten sich im 11.000 Besucher fassenden Vitality Stadium eingefunden. 1.600 davon waren Anhänger des Fünftligisten. Und die feierten ihre Mannschaft frenetisch – nicht nur beim entscheidenden Treffer, sondern auch nach dem Schlusspfiff. Stürmer Tyrone Marsh wurde auf der Tribüne auf Händen getragen, breitete die Arme aus und schrie seine Freude in die Menge. Dabei versank er förmlich in den Massen der Fans. „Zweifellos der beste Moment meines Lebens“, schrieb Marsh später auf Instagram.
Was sich zunächst pathetisch liest, wird beim zweiten Hinsehen schon nachvollziehbarer. Tyrone Marsh ist 28 Jahre alt. Seine bisherigen Karrierestationen gleichen einer Odyssee durch die Niederungen des englischen Profi- und Amateurfußballs: Oxford United, Torquay United, Dover Athletic, Macclesfield Town, Stevenage FC, jetzt Boreham Wood. Kein Wunder also, dass die FA-Cup-Spiele gegen höherklassige Mannschaften ein Karrierehighlight darstellen. Das tun sie aber vor allem, weil sie ausreichend gewürdigt werden – nicht vor dem Fernseher, sondern direkt vor Ort.
Seit Ende Januar sind die meisten Corona-Maßnahmen in England Geschichte. Davon profitiert der Fußball massiv: Die Stadien dürfen voll ausgelastet werden, Fans müssen auf den Tribünen keine Masken mehr tragen, geschweige denn ihren Impfstatus beim Einlass vorzeigen. Das Resultat sind Bilder wie aus einer Parallelwelt. Aus rationaler Sicht scheint das nicht ansatzweise Corona-konform. Doch das Spiel zwischen Bournemouth und Boreham hat gezeigt: Die Fans sind für den Fußball unverzichtbar. Denn zwischen Spielern und Anhängern entstehen Momente für die Ewigkeit.