Seit Anfang des Jahres spielt Sebastian Langkamp in der ersten australischen Liga. Wäre der Wechsel nicht zustande gekommen, hätte er wohl seine Karriere beendet. Hier spricht er über sein neues Fußballerleben.
Herr Langkamp, kann man in Australien eigentlich die Fußball-Bundesliga verfolgen?
Nein, gar nicht. Von der Bundesliga gibt es hier eine dreiminütige Zusammenfassung auf Youtube, die habe ich mir regelmäßig angeschaut. Aber seit unserer Abreise aus Deutschland habe ich kein einziges Spiel mehr gesehen. Trotzdem habe ich natürlich mitbekommen, was meine Ex-Vereine gemacht haben.
Und am letzten Spieltag, als es für Werder Bremen um den Klassenerhalt ging? Haben Sie da am Liveticker gesessen?
Ehrlich gesagt, bin ich an diesem Abend früh ins Bett gegangen, aber kurioserweise irgendwann aufgewacht, was sonst nie passiert. Das war direkt nach dem Abpfiff. Da habe ich mir natürlich die Ergebnisse angeschaut. Dass Werder absteigt, ist wirklich sehr, sehr traurig. Eine Bundesliga ohne Werder Bremen, das kann man sich noch gar nicht richtig vorstellen.
Vor einem Jahr waren Sie noch dabei, als sich Werder in der Relegation gerettet hat, Sie kennen den Verein sehr gut, viele Spieler, die handelnden Personen. Was bedeutet der Abstieg?
Das ist ein harter Einschlag, für die Region, für die Stadt, für die Leute. Werder ist was ganz Spezielles, eine Institution in der Bundesliga, das muss ich Ihnen ja nicht erzählen. Ich tu mich ein bisschen schwer, die Verantwortlichen zu verurteilen. Jeder in Bremen trägt diese grünweiße Brille. Aber genau das wird Werder jetzt negativ ausgelegt. Dass viele Ehemalige Positionen im Verein bekleiden, dass sie sich alle untereinander schon lange kennen, das hat Werder doch über Jahrzehnte ausgemacht. Natürlich wurden Fehler gemacht, aber die Arbeit von ein, zwei Verantwortlichen nur an den vergangenen beiden Jahren festzumachen, das halte ich für ein bisschen bedenklich.
Wie schätzen Sie Werders Chance auf den direkten Wiederaufstieg ein?
Ein Selbstläufer wird das ganz sicher nicht. Bei den Transfers hat man sich ein bisschen verkalkuliert, aber vor allem durch die Corona-Pandemie ist Werder in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Es wird schwer, eine schlagkräftige Truppe für die Zweite Liga aufzubauen. Trotzdem sollte man versuchen, im ersten Jahr wieder aufzusteigen. Dass es sonst immer schwieriger wird, sieht man ja an einem anderen norddeutschen Klub.
„Ich weiß nicht, ob es das in Berlin auch gäbe: dass Bauarbeiter, die auf der Straße mit ihrem Schlagbohrhammer zugange sind, aufhören zu arbeiten, weil eine Familie mit Kinderwagen vorbeikommt“
Sie sind jetzt weit weg von Bremen, nachdem Sie im Frühjahr zu Perth Glory nach Australien gewechselt sind. Laut Wikipedia ist Perth eine Stadt mit hoher Lebensqualität. Können Sie das bestätigen?
Vor meinem Wechsel habe ich mich ein bisschen schlau gemacht und auch mit dem einen oder anderen gesprochen. Trotzdem war ich noch einmal extrem positiv überrascht, weil Perth wirklich sehr, sehr lebenswert ist.
Warum genau?
Du hast hier eine sehr schöne Innenstadt mit sämtlichen Möglichkeiten. Die Restaurant- und Gastronomieszene ist sehr international und erinnert mich ein bisschen an Berlin. Du bist in zehn Minuten am Strand, hast diverse Weinanbaugebiete in der Nähe, außerdem gibt es entlang der Westküste einige Orte, die man gesehen haben sollte. Auch die Küstenstraßen sind superschön. Du hast hier also sämtliche Möglichkeiten. Und die Mentalität der Menschen ist super. Auch wenn man sich erst einmal daran gewöhnen musste.
Inwiefern?
Die Australier nennen sich selbst ein bisschen lazy, also faul. Bis mit unserer Wohnung, den Versicherungen, dem Auto alles geregelt war, hat es ein bisschen gedauert. Aber seitdem ist es super. Man adaptiert das auch ein bisschen, gerade was die Work-Life-Balance angeht. Und die Leute sind superfreundlich, sehr hilfsbereit, sehr kinderlieb. Ich weiß nicht, ob es das in Berlin auch gäbe: dass Bauarbeiter, die auf der Straße mit ihrem Schlagbohrhammer zugange sind, aufhören zu arbeiten, weil eine Familie mit Kinderwagen vorbeikommt.
Das wäre in Berlin wahrscheinlich nicht so.
Das wäre in Berlin auf jeden Fall nicht so (lacht). Da bekämst du wahrscheinlich sogar noch einen dummen Spruch, wenn du doof guckst. Aber hier ist das so. Du kommst hier auch sehr schnell in Gespräche, weil die Leute offenherzig sind. Wir haben uns superschnell eingelebt und fühlen uns sehr wohl. Was bei Wikipedia steht, kann ich also nur bestätigen.
spielte in der Bundesliga für Karlsruhe, Augsburg, Hertha und Bremen. Seit Anfang des Jahres steht der Abwehrspieler bei Perth Glory in der ersten australischen Liga unter Vertrag.
Hatten Sie sich vorab mal bei Mathew Leckie erkundigt, Ihrem früheren Mitspieler bei Hertha BSC?
Ja, es war sogar Mathews Agent, der den Transfer am Ende eingefädelt hat. Wir waren immer in Kontakt, deshalb habe ich mich natürlich auch bei ihm schlau gemacht. Aber Mathew kommt aus Melbourne, Bundesstaat Victoria. Und den Menschen aus Victoria sagt man nach, dass sie sehr, sehr stolz sind auf ihre Stadt und ihre Region. Das ist bei anderen auch so und führt dazu, dass viele Australier gar nicht in andere Regionen reisen. Sie sind ja davon überzeugt, dass sie schon in der schönsten Stadt oder Region leben. Mathew selbst kannte Perth nicht, aber er hat sich bei Freunden erkundigt, die schon mal in Perth gewesen waren.
Wie gut kannten Sie Australien?
Gar nicht. Für uns war das ein bisschen eine Reise ins Ungewisse. Aber auch ein Grund, warum ich mich dafür entschieden habe. Und wir sind sehr happy mit dieser Entscheidung, auch für unseren Kleinen, der mittlerweile sieben Monate alt ist. Wir freuen uns total, dass er auch die Gestik und Mimik von anderen Leuten kennenlernt. Hier ist ja coronafreie Zone und dadurch alles maskenfrei. Was das Privatleben betrifft, hat sich die Entscheidung wirklich rentiert.