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Seite 2: „Im Fußball geht es rasend schnell“

Wie geben Sie diese beson­dere Form von Men­ta­lität den jungen Spie­lern weiter? 
Die Jungen bringen eine Wahn­sinns­qua­lität mit, aber es gibt auch Situa­tionen im Spiel oder im Trai­ning, in denen wir ihnen zeigen, dass es nicht reicht, sich nur auf das Talent zu ver­lassen. Dass sie auch Dinge machen müssen, die ihnen nicht so gefallen. 

Und das klappt? 
Man muss eben den rich­tigen Moment abpassen, um sie zu loben oder Kritik zu äußern. 

Die Auf­gabe des Kapi­täns. 
Damit hat es nichts zu tun. Solche Sachen haben wir auch als Mit­glieder des Mann­schafts­rates erle­digt, weil wir alle total ver­in­ner­licht hatten, dass Qua­lität allein nicht reicht, wenn man etwas gewinnen will.

Wer hat eigent­lich ver­fügt, dass Sie im Sommer BVB-Kapitän wurden? 
Der Trainer. 

Ein Ver­trau­ens­be­weis. 
Wie gesagt, vieles, was in den Bereich des Kapi­täns fällt, habe auch ich vorher schon gemacht. Mats (Hum­mels) und ich haben Dinge über­nommen, die zuvor bereits Roman und Kehli (Sebas­tian Kehl) für den Zusam­men­halt unter­nahmen. Der Trainer hätte jetzt genauso gut Marco (Reus), Lukasz oder Sven zum Kapitän machen können. Es ist fast egal, wer von uns die Binde trägt. 

Den­noch geht ein Trainer ja davon aus, dass der­je­nige, der die Binde trägt, auch in der Stammelf gesetzt ist. 
Ja, in der Regel stimmt das. Aber schauen Sie nach Wolfs­burg, dort sitzt der Kapitän teil­weise auf der Bank und es ändert nichts an seinem Stel­len­wert im Team. 

Sie sind sehr geprägt von der Ära Klopp. Wie schmerz­lich war es zu erleben, dass seine Magie in der Saison 2014/15 plötz­lich ver­lo­ren­ging? 
Das würde ich so nicht sagen. Wir hatten eine schlechte Phase, gefolgt von einer unglück­li­chen Phase mit sehr wenig Selbst­ver­trauen und ent­spre­chend wenigen Punkten. Im Winter haben wir uns zusam­men­ge­setzt und gesagt: Es bringt nichts, den Gegner mit fünf Dop­pel­pässen an die Wand zu spielen, wir müssen punkten. Wir waren Letzter. Und so haben wir uns da gemeinsam raus­ge­zogen. 

Wie groß waren Ihre Zweifel? Nach einem Hand­bruch haben Sie damals in der Hin­runde kaum gespielt. 
Ich habe meinen Opti­mismus aber nie ver­loren. Selbst als wir gegen den FC Augs­burg ver­loren hatten und viele Mit­spieler sagten Oha, wir haben wirk­lich mit dem Abstieg zu tun“, hatte ich nicht das Gefühl, dass nun gar nichts mehr geht. 

Andersrum gefragt: Waren Sie in den guten Jahren auch mal kurz davor abzu­heben? 
Das liegt nicht in meinem Natu­rell. Sie sehen allein an meinem Wer­de­gang, dass ich mich nie für etwas Bes­seres gehalten habe. 

Ihre Kar­riere ver­lief den­noch rasant: 2008 lau­tete Ihre Per­spek­tive noch Regio­nal­liga, drei Jahre später waren Sie Deut­scher Meister und Natio­nal­spieler. 
Das stimmt, aber meine Familie und mein Umfeld sorgen schon dafür, dass ich das richtig ein­ordne. Sie haben aber Recht, im Fuß­ball geht es rasend schnell. 

Wie meinen Sie das? 
Nach unserer ersten Meis­ter­schaft 2011 haben wir in Dort­mund alles abge­rissen. Die Mann­schaft war im Schnitt 22, 23 Jahre alt. Alle waren auf einer Wel­len­länge. Das war unglaub­lich. Und 2012 ging es gleich weiter, als wir das Double gewannen. Heute denke ich, wir hätten die Zeit anhalten müssen, um alles stärker zu ver­in­ner­li­chen. Aber das gibt’s im Fuß­ball nicht. Die neue Saison beginnt nahezu dann, wenn die alte gerade fertig gespielt ist.

Nichts ist so alt wie der Erfolg von ges­tern.
Wie gesagt, Fuß­ball ist ein schnell­le­biges Geschäft. Es bleibt wenig Zeit zum Inne­halten. 

Selbst ein Erfolgs­klub wie der BVB muss nach jeder Saison Leis­tungs­träger ziehen lassen. Wie emp­finden Sie – gewis­ser­maßen als Urge­stein – die per­ma­nente Fluk­tua­tion? 
Ich finde es schade – gerade dass im ver­gan­genen Sommer so viele Spieler den ein­ge­schla­genen Weg ver­lassen haben. Ich ver­stehe ja, wenn Spieler sich ver­bes­sern wollen, aber in der ver­gan­genen Saison haben wir gezeigt, wozu wir imstande sind. Wir sind durch drei, vier Sys­teme gewan­dert, haben teil­weise in einem Spiel mehr­fach umge­stellt, weil irgend­wann alle wussten, was zu tun ist. Und dann gehen am Ende einige Leis­tungs­träger, und wir müssen wieder viel Arbeit auf­bringen, um den Neuen die Phi­lo­so­phie ein­zu­impfen. 

Kriegen Sie als Profi mit, wenn sich ein Kol­lege mit Wech­sel­ge­danken trägt? 
Das hängt vom Typ ab. Wenn sie uns ins Ver­trauen ziehen, führen wir mit dem Mann­schaftsrat seit Jahren Gespräche mit Spie­lern, die über­legen, den Klub zu ver­lassen. Ange­fangen hat das damals bei Shinji (Kagawa) und in der letzten Saison haben wir auch viel mit Micky (Hen­rikh Mkhi­ta­ryan) geredet. 

Hat aber nichts gebracht. 
Die ver­gan­gene Saison war sein Durch­bruch. Wir haben ihm gesagt, wie wichtig er in seiner Rolle für uns ist und was wir gemeinsam alles errei­chen könnten. Als ich in den Som­mer­ur­laub fuhr, war es für mich wahr­schein­li­cher, dass er bleibt, als dass er uns ver­lässt. 

Sie klingen ent­täuscht.
Als ich dann mit­bekam, wie er ent­schieden hat, war ich traurig. Denn er ist nicht nur ein guter Fuß­baller, son­dern auch ein durch und durch guter Typ.