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Tony Jantschke, wie oft haben Sie sich in den ver­gan­genen Tagen die Tabelle ange­sehen?
Tony Jantschke: Auch nicht öfter als sonst. Sind wir mal ehr­lich: Ob wir erster oder vierter sind, ist nach drei Spiel­tagen doch egal. Wichtig ist nur, dass wir gut in die Saison gestartet sind und sieben Punkte geholt haben. Wir haben keine Lust mehr, wieder in den Abstiegs­strudel zu geraten und ständig unter diesem immensen Druck zu stehen. 

Die gleiche Mann­schaft, die noch vor drei Monaten gegen den Abstieg gekämpft hat, grüßt jetzt von der Tabel­len­spitze. Wie kann das sein? 
Tony Jantschke: Das war ein Pro­zess, der sich seit der Win­ter­pause suk­zes­sive ent­wi­ckelt hat. Martin Stranzl, Mike Hanke und Har­vard Nord­tveit haben der Mann­schaft Sicher­heit gegeben. Jeder weiß jetzt, was er zu tun hat. Die Neu­ver­pflich­tungen der Som­mer­pause, wie Oscar Wendt, Lukas Rupp und Mat­thias Zim­mer­mann stehen zwar momentan nicht in der Startelf, aber sie üben großen Druck auf die gesetzten Spieler aus. 

Gehen Sie jetzt anders in eine Partie, als noch vor wenigen Monaten, als es jede Woche ein Abstiegs­end­spiel gab? 
Tony Jantschke: Als Spieler steht man bei jedem Spiel unter Druck, alleine schon, weil sich 50.000 Leute eine Karte gekauft haben. Der Unter­schied ist aber, dass es jetzt nicht mehr um Exis­tenzen und Mil­lio­nen­be­träge geht. Mit einem Punk­te­polster spielt es sich ein­fach befreiter auf. Das hat man ver­gan­genes Jahr an Mainz gesehen. Nach einem furiosen Start hatten sie danach auch mal schwä­chere Phasen. Man kann sich dann den Blick auf die Tabelle sparen und muss nicht ständig damit kon­fron­tiert werden, dass es um alles oder nichts geht. 

Warum lässt die einst so defensiv anfäl­lige Mann­schaft plötz­lich kaum noch Tore zu?
Tony Jantschke: Wir arbeiten ins­ge­samt viel besser zusammen. Jeder ist für den anderen da. 

Sie sind unter Lucien Favre zum Stamm­spieler auf der rechten Außen­ver­tei­diger-Posi­tion geworden. Seither ging es steil bergauf mit der Borussia. Haben Sie schon begriffen, was in den letzten Monaten pas­siert ist? 
Tony Jantschke: Mit ist bewusst, wie das Geschäft läuft. So schnell wie man oben steht, kann es auch wieder nach unten gehen. Vor zwei Jahren hat mir Michael Front­zeck die Chance gegeben, ich habe meine Sache gut gemacht und fiel dann ver­letzt ein halbes Jahr aus. Danach hat kein Hahn mehr nach mir gekräht, keine Zei­tung mehr über mich geschrieben. So ist der Fuß­ball eben. 

Lucien Favre hat mal gesagt, Tony Jantschke ist ein Spieler, der sofort ver­steht, was man ihm vor­gibt. Was genau hat er Ihnen auf­ge­tragen? 
Tony Jantschke: Zum Bei­spiel, dass ich weniger lange Bälle schlagen soll, son­dern eher die kurzen, sicheren Pässe. 

Nach ihrem Mit­tel­fuß­bruch im ver­gan­genen Jahr haben sie gesagt: Ich brauche keine Spiel­praxis, ich bin sofort da, wenn ich gebraucht werde.“ Woher nehmen Sie als 21-Jäh­riger dieses Selbst­be­wusst­sein? 
Tony Jantschke: Ich trai­niere jeden Tag mit dem Hin­ter­ge­danken, dass ich am Wochen­ende auch spiele. Des­halb habe ich noch nie fest­ge­stellt, dass ich erst zwei, drei Spiele brauche, um den nötigen Rhythmus zu finden. 

Sie haben 34 Jugend­län­der­spiele für Deutsch­land gemacht, waren dort meist Kapitän. Haben Sie für Ihre Lauf­bahn feste Ziele defi­niert? 
Tony Jantschke: Der Traum eines jeden Fuß­bal­lers ist es, in der A‑Nationalmannschaft zu spielen. Ich mache mir dar­über aber keine Gedanken und nehme alles mit, was kommt. Wenn es am Ende hun­dert oder zwei­hun­dert Bun­des­li­ga­spiele waren, ist das auch in Ord­nung. 

Sie wurden 1990 geboren, wie Toni Kroos, André Schürrle, Ilkay Gün­dogan, Lewis Holtby oder Sebas­tian Rudy. Warum gibt es in diesem Jahr­gang so viele hoch ver­an­lagte Fuß­baller? 
Tony Jantschke: Schwer zu sagen. Was diesen Jahr­gang aber aus­macht, ist eine außer­or­dent­liche Kame­rad­schaft. Wenn wir mit der Natio­nal­mann­schaft unter­wegs waren, gab es immer einen unglaub­li­chen Team­spirit. Ich erin­nere mich an ein Spiel mit der U 19 gegen Spa­nien. Wir haben eine tolle Leis­tung gezeigt, uns in der Kabine gegen­seitig heiß gemacht und ange­schrien. Nur dieser Teu­fels­kerl, David de Gea, wollte ein­fach kein Tor rein­lassen. Somit waren wir nicht für die EM qua­li­fi­ziert. Das hat uns aber noch enger zusam­men­ge­schweißt. 

Stehen Sie auch Privat in Kon­takt mit den Kol­legen Ihres Jahr­gangs? 
Tony Jantschke: Viele sehe ich ja regel­mäßig bei der U 21. Wir besorgen uns auch öfter gegen­seitig Karten für die Bun­des­liga oder schreiben uns SMS. Vor dem Spiel gegen den FC Bayern am ersten Spieltag habe ich Toni Kroos gefragt, ob er auf­ge­regt sei. 

Waren Sie denn auf­ge­regt gegen die Bayern? 
Tony Jantschke: Wenn eine gewisse Grund­ner­vo­sität nicht mehr da ist, sollte man auf­hören. Aber in der Bun­des­liga ist alles mög­lich. Du kannst schnell eine Packung kas­sieren oder, wie am ver­gan­genen Wochen­ende, ein­fach mal mit 4:1 gegen Wolfs­burg gewinnen. Von daher ist es eigent­lich egal, gegen wen du am Ende spielst. 

Früher haben die Profis Dop­pel­kopf und Skat gespielt. Womit ver­treibt sich ihre Gene­ra­tion die Zeit auf den Bus­fahrten? 
Tony Jantschke: Ob Sie es glauben oder nicht, ich kann sowohl Dop­pel­kopf als auch Skat spielen. Oft man­gelt es aber an Mit­spie­lern, die schauen sich lieber eine DVD an oder spielen auf ihrem iPhone herum. Des­halb bleibt mir nur mein Handy als Spar­rings­partner. 

Die jungen Profis wirken sehr dis­zi­pli­niert und fallen kaum noch durch Skan­dale auf. Nervt es Sie manchmal, dass Sie unter stän­diger Beob­ach­tung stehen? 
Tony Jantschke: Ich bin zum Glück nicht so bekannt. Selbst wenn ich mal ein Bier trinke, steht es am nächsten morgen nicht gleich in der Zei­tung. Anders ist es natür­lich, wenn ich mit Marco Reus oder Dante unter­wegs bin. Dann wirst du sofort erkannt. 

Mit elf Jahren haben Sie ihr Eltern­haus in Hoyers­werda ver­lassen, um auf die Sport­schule nach Dresden zu gehen. War die Kar­riere schon so früh vor­pro­gram­miert? 
Tony Jantschke: Im Gegen­teil: Ich bin mit zehn Jahren noch durch die Auf­nah­me­prü­fung gefallen. Danach wollte ich es erst recht allen zeigen. Ich bin viel­leicht nicht der Talen­tier­teste, aber ich habe aus meinen Mög­lich­keiten das Beste gemacht. Die ersten Jahre bei Dresden Nord waren als kleiner Knirps fernab von zu Hause nicht ein­fach. Ich habe viel geweint. Aber den großen Traum des Pro­fi­fuß­bal­lers hatte ich schon fest vor Augen. 

Danach wech­selten Sie in das Glad­ba­cher Jugend­in­ternat, das einen exzel­lenten Ruf genießt. 
Tony Jantschke: Ich hatte als Jugend­li­cher mehrer Ange­bote. Bei Glad­bach hat das Gesamt­kon­zept am meisten über­zeugt. Max Eberl, der damals noch Jugend­di­rektor war, hat sich sehr um mich bemüht. Mein Trainer in der B‑Jugend war gleich Chris­tian Ziege und die Infra­struktur ist her­vor­ra­gend. Man wohnt quasi direkt im Sta­dion. Nicht zu ver­gessen ist die Familie Lint­jens, die sich wie Ersatz­el­tern um die Jungs im Internat küm­mert. 

Sie hatten zuletzt die meisten Ball­kon­takte und haben die meisten Zwei­kämpfe in Ihrem Team gewonnen. Wie sehr inter­es­sieren Sie solche Sta­tis­tiken? 
Tony Jantschke: Das hört sich erst einmal toll an und ein Ver­tei­diger hat bestimmt etwas falsch gemacht, wenn er nur 30 Pro­zent der Zwei­kämpfe gewinnt. Diese Sta­tis­tiken sind aber nicht aus­ge­reift. Wenn ich bewusst einen Zwei­kampf ver­liere, damit der Ball ins Aus geht, wird der Wert auto­ma­tisch schlechter. Auch die gelau­fenen Kilo­meter, die es ja seit neu­estem immer zu sehen gibt, muss man mit Vor­sicht genießen: Wenn du nach einem Tor jubelnd über das halbe Feld sprin­test, wird das näm­lich auch mit­ge­zählt. 

Ziehen Sie sich mit Ihren Kol­legen gegen­seitig in der Kabine auf, wer mehr gerannt ist? 
Tony Jantschke: Ich habe neu­lich Filip Daems die Zei­tung vor die Nase gehalten, um ihm zu prä­sen­tieren, dass ich 500 Meter mehr gelaufen bin. Er hat direkt gekon­tert und mir gezeigt, dass er dafür viel mehr gesprintet ist. 

Wer war ihr unan­ge­nehmster Gegen­spieler? 
Tony Jantschke: Ich hatte mal ein Trauma gegen Werder Bremen. Mesut Özil hat mit mir gemacht, was er wollte. Damals war noch Hans Meyer Trainer. Er hat mich nach 37 Minuten aus­ge­wech­selt. Die Höchst­strafe. Danach sollte ich län­gere Zeit nicht mehr zum Ein­satz kommen.