Der Druck war für Ted Smith zu groß. Jetzt hat der frühere U20-Keeper der englischen Nationalmannschaft mit dem Fußball aufgehört – im Alter von 24 Jahren. Nun will Smith anderen Torhütern helfen.
Neben dem Spielgerät selbst ist das Trikot wohl das mächtigste Element im Fußball – ein sakrales Stück Stoff. Für Ted Smith fühlte es sich am Ende an wie ein Kettenhemd, beschwert mit Erwartungen, Verpflichtungen und der Angst vor dem Versagen. „Ich habe mich immer gefreut, das Trikot nach dem Spiel meiner Familie zu geben“, sagt der junge Engländer dem Telegraph. Und es endlich los zu sein. Nun hat der ehemalige U‑20-Torwart der englischen Nationalmannschaft im Alter von 24 Jahren seine Karriere beendet.
Auch wenn Smith nicht einmal mehr das Trikot seines Vereins mit Glück erfüllte, hat er sich nicht klassisch vom Fußball entliebt. „Ich habe den Fußball gelebt und geatmet und kannte nichts anderes mehr.“ Heute habe er allerdings erkannt, dass es eine Welt abseits des Fußballs gibt, die ihm wichtiger erscheint.
Das Fußballspielen hatte Smith bei Southend United begonnen, wo er im Alter von 19 Jahren 2015 sein Debüt in der League Two zwischen den Pfosten gab. Es folgten bloß 32 Spiele in vier Jahren, die meisten davon in der League One. Hinzu kamen einzelne Einsätze in Englands U18, U19 und U20. 2017 verletzte sich Smith schwer an der Schulter und fiel 18 Monate aus. In dieser Zeit habe er die Möglichkeit gehabt, nachzudenken, erzählt er heute. Da habe er erstmals erkannt, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt.
Als er sein Comeback nach langer Leidenszeit für Southend gab, sagte er: „Das Surren, der Kabinengeruch – es ist schön wieder ein Teil davon zu sein“. Zwei Jahre ist das her. Jetzt hat er die Schuhe an den Nagel gehangen. Weil ihm das Scheinwerferlicht am Wochenende und die Bühne, auf der er liefern musste, zu sehr zugesetzt hatten: „Das war ich einfach nicht“, so Ted Smith.
Trotzdem liebt er das Spiel nach wie vor, die Trainingseinheiten ohne einen Druck zu verspüren, nachts schaut er noch immer Videos von anderen Torhütern, um sich Dinge abzugucken. „Als Profi ging es aber immer darum, am Wochenende zu performen – und das war mein Problem.“
Smith hatte zuletzt keinen neuen Vertrag bei seinem Jugendverein Southend United erhalten und war seit dem letzten Sommer vereinslos. Er spielte bei Tottenhams zweiter Mannschaft vor, bei Swindon Town, in Fleetwood und beim FC Bury, „aber nichts davon fühlte sich richtig an“.
Das lag weniger an den Vereinen, seinen Trainern oder den Mitspielern, sondern an der Öffentlichkeit, die der Profifußball mit sich bringt und die Smith nicht zu meistern wusste. Neben seiner eigenen Person gab es da noch einen nicht greifbaren Gegenspieler: Social Media.
Smith erinnert sich an ein Auswärtsspiel bei den Bolton Wanderers im September 2016. Damals griff er bei einem hohen Ball gehörig daneben und verschuldete somit den Ausgleich. Seine Mitspieler seien nach dem Abpfiff großartig mit ihm umgegangen, erzählt er. Sie hätten ihm keinerlei Vorwürfe gemacht, sondern verstanden die Situation: erstes Saisonspiel, junger Keeper, Druck, Fehler passieren. Weiter geht’s!
„Bei Social Media aber wird alles schwarz und weiß gesehen.“ Er habe all die Kritik gelesen, seine Familie habe es gelesen: die vielen Beleidigungen, der unverhältnismäßig harte Ton. Dass diese Worte in einer scheinbar virtuellen Welt einen realen Rezipienten treffen, scheint hier und da in Vergessenheit zu geraten. Was Smith folglich die große Angst bereitete: „Ich muss da Samstag wieder raus und Fußball spielen.“
Diese zweite Öffentlichkeit über Social Media habe für ihn wie eine Art Katalysator gewirkt, der ihn nur weiter in der Meinung bestärkte, dass das Fußballgeschäft und die Berühmtheit nicht sein Metier seien. So hat er mittlerweile nicht nur dem Fußball seinen Dienst quittiert, sondern auch Instagram und Co.
Mit seinem Rücktritt aus dem Fußballgeschäft, der Offenlegung seiner Beweggründe und dem im Sport so seltenen Eingeständnis von Schwäche, ist Ted Smith mit seiner Mission aber noch nicht am Ende. Er will anderen jungen Fußballern helfen, die ähnliches durchmachen, wie er es erlebt hat.
Zusammen mit dem britischen Torwarttrainer Lee Harrison hat er dazu eine Online-Schule für angehende Torhüter gegründet. Dabei will er neben dem klassischen Torwarttraining auch eine Plattform bieten, auf der Keeper über ihre Ängste sprechen können.