Für den Bundesliga-Zirkus in Mönchengladbach, Köln und Nürnberg schien Thomas Broich nicht gemacht zu sein. Das ehemalige Jahrhunderttalent zog die Notbremse und setzte seine Karriere in Australien fort. Mit solchem Erfolg, dass es Gerüchte um eine WM-Teilnahme mit der australischen Nationalmannschaft gab.
Thomas Broich, im Roar-Rot-Orange scheinen Sie sich wohl zu fühlen. Warum sperren Sie sich gegen Gelb?
(lacht) Sie spielen auf die Socceroos an?
Genau. Aus dem Umkreis des australischen Verbandes wurden Bestrebungen, Sie im Hinblick auf die WM 2014 einzubürgern, öffentlich.
Na die Nationalmannschaft trägt ja eher einen Goldton – ganz komische Farbe. Aber ganz ehrlich?
Ja bitte.
Das war nie ein Thema. Die Möglichkeit bestünde zwar, aber weder ist der Verband an mich herangetreten, noch habe ich mich mit dem Thema beschäftigt.
Das haben die deutschen Medien anders wahrgenommen.
Um mich bei der Weltmeisterschaft einzusetzen hätte man auch viel mehr Gas geben müssen. So eine Einbürgerung zieht sich ja zeitlich in die Länge.
Wobei prinzipiell nichts dagegen gesprochen hätte: Die Nationalmannschaft hat mit Holger Osieck einen deutschen Trainer, die Australier lieben Sie und das „Sean Dundee-Syndrom“ dürften Sie wohl kaum fürchten.
Ich kann mir auch Schlechteres vorstellen, als nach Brasilien zu reisen, um da eine WM zu spielen. Aber ich werde ja jetzt nicht einfach mal eben Australier.
Ist eine Einbürgerung denn unabhängig von der Nationalmannschaft eine Option für Sie?
Generell schon, nur ist auch da Vorsicht geboten. Deutschland erlaubt nur in Ausnahmefällen doppelte Staatsbürgerschaften und meinen deutschen Pass gebe ich nicht auf.
Hätten Sie sich nach Ihrem Scheitern in Deutschland träumen lassen, irgendwann in einem Pflichtspiel auf Kaliber wie Alessandro Del Piero zu treffen?
Die vier Jahren hier kamen unerwartet und sind total verrückt. Ich dachte, ich trete noch mal in Ruhe zwei Jahre unter Ausschluss der Öffentlichkeit gegen den Ball. Die Entscheidung für Australien ist ein unfassbares Glück.
Letzte Saison schieden Sie mit den Brisbane Roar im Meisterschafts-Halbfinale aus. Eine Enttäuschung nach zwei Titeln in Folge?
Das Halbfinale war aufgrund eines sehr schlechten Saisonstarts eigentlich schon wieder ein Erfolg. Wir haben unseren Erfolgstrainer (Ange Postecoglou, d. Red.) verloren und standen lange am Tabellenende. Das ganze letzte Jahr war eine ziemliche Katastrophe.
Widerspricht die gestiegene Erwartungshaltung nicht Ihrer ursprünglichen Intention, in Australien Ruhe zu finden?
Wenn man zwei Meisterschaften feiert und persönliche Ehrungen entgegennimmt, werden nun mal auch Negativphasen an einem festgemacht. Dann läuft die ganze Maschinerie wieder an, auf die ich keine Lust mehr hatte. Es greifen dieselben Mechanismen, aber ganz anders als in Deutschland: Hier geht es wesentlich freundlicher zu.
Ist die australische A‑League stärker geworden?
Unheimlich, ich bin selbst total überrascht. Die Liga wird jedes Jahr besser, die Leute interessieren sich mehr und mehr. Das Ganze explodiert derzeit.
Kann Fußball Rugby den Ruf als beliebteste Sportart streitig machen?
Angesichts der zunehmenden Popularität der Liga – ob nun in den Stadien oder im medialen Interesse – ist sogar eine Ablösung ziemlich wahrscheinlich. Die meisten Kinder spielen hier mittlerweile Fußball. Auch, weil es ein verträglicherer Sport ist. Die Mütter sind ja auch nicht so scharf drauf, dass sich ihre Jungs andauernd verletzen. (lacht)
Besart Berisha, Jerome Polenz, Shinji Ono – es strömen zunehmend Spieler mit Bundesliga-Hintergrund in den australischen Fußball. Hat es sich das „Lebensmodell A‑League“ rumgesprochen?
Total. Ich habe viele Nachfragen erhalten, unter anderem auch von ehemaligen Nationalspielern. Viele lassen sich diese Möglichkeit durch den Kopf gehen. Australien hat sich als guter Karriereausklang mit einem schönem Leben und Spaß am Fußball rumgesprochen.
Apropos Bundesliga. Informieren Sie sich über den deutschen Fußball?
Ich verfolge die Bundesliga über das Internet. Die Spiele kann ich hier leider nicht sehen, maximal ein paar Highlights. Je mehr Abstand ich zur Bundesliga gewinne, desto mehr Spaß habe ich dran: Ich vermisse es richtig, am Samstag die Konferenz zu schauen.
Das wird dann während der Heimatbesuche zelebriert?
Wir haben im Mai meistens frei. Da fliege ich dann zu meiner Mutter, um nach dem Rechten zu sehen. In der Regel bekomme ich dann noch zwei Spieltage mit. Das ist immer eine geile Zeit!
Können Sie sich denn einen Wechsel zurück nach Europa vorstellen?
So ein bisschen habe ich mit dem Gedanken gespielt. Es gab aber wenig bis keine Gründe, das hier aufzugeben. Also habe ich meinen Vertrag in Brisbane bis 2017 verlängert und werde meine Karriere hier beenden.
Und nach der aktiven Laufbahn?
Nach meiner Bundesliga-Misere war mir klar, dass ich in Deutschland nichts mehr mit Fußball zu tun haben will. Wenn ich im Geschäft bleibe – was absolut eine Option ist – dann wäre es mit dem momentanen Boom wohl hier eine Tätigkeit als Trainer oder Manager.