Juri Schlünz war Spielmacher, Kapitän, Co- und Cheftrainer. Und vor allem: immer Rostocker. Heute feiert die Hansa-Legende ihren 60. Geburtstag.
Auch wenn die Kameras der Agenturen erst nach der Wende draufhielten, ist über Juri Schlunz‘ Zeit in der DDR einiges bekannt. So konnte er schon als Zehnjähriger den Ball 800-mal hochhalten und wurde mit 17 Jahren zum jüngsten DDR-Oberligaspieler.
Spielmacher und Kapitän, in Berlin geboren, von seinem Vater nach Kosmonaut Juri Gagarin benannt, hielt Zeit seines Lebens zu Hansa Rostock.
Seinen größten Moment feierte er im letzten Moment des DDR-Fußballs. Nach einem 4:1 gegen Dresden gewann Rostock die letzte DDR-Meisterschaft. Im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark besiegte Hansa obendrein den EFC Stahl im Pokal. Hier feierten (v.r.n.l.) Hilmar Weilandt, Mike Werner, Paul Caligiuri, Schlünz und Co-Trainer Jürgen Decker mit der Trophäe.
Darf ich auch mal? Schlünz und der NOFV-Pokal.
Zum Saisonstart 1991 spielte Hansa im Supercup gegen den 1. FC Kaiserslautern. Bitter für Schlünz: Nach einer Gelb-Roten Karte musste der Kapitän vorerst zwangspausieren. Trainer Uwe Reinders wollte anschließend die Mannschaft nicht mehr umstellen. Zu Beginn der ersten gesamtdeutschen Bundesliga saß Schlünz meist nur auf der Bank.
Da half kein Strecken im Training…
… da half kein besonders hohes Springen im Training …
… da half auch kein bockiges Platzverlassen nach dem Training. Obendrein verletzte sich Schlünz am Meniskus und musste sich langsam wieder herankämpfen. Die Folge? Hansa stieg ab. Zufall? Wahrscheinlich nicht.
Der Zeitschrift Toor sagte Schlünz zu dieser Zeit: „Wir haben die verdammte Pflicht, die Menschen hier nicht zu enttäuschen.“ Also ging Schlünz auch in der 2. Liga voran und verteidigt hier den Ball gegen Hannovers Roman Wojcicki.
Nach seinem Karriereende engagierte sich Schlünz, der eine Diplomarbeit zum Thema „Laufleistungen von Fußballern im Wettkampf am Beispiel Hansa Rostock“ geschrieben hatte, als Co-Trainer unter Frank Pagelsdorf und Andreas Zachhuber.
Eine seiner Aufgaben: Den Spielern gut zureden. Hier freut sich Oliver Neuville über aufbauende Worte.
Eine Zeit, in der wunderbare Bilder entstanden.
Wirklich wunderbare Bilder.
Also wirklich wunder‑, wunderschöne Bilder.
Komm her, mein Freund. Zachhuber und Schlünz (innig).
Aber auch in Rostock waren die Zeiten nicht immer rosig.
Schlünz ging zwar auch als Assistenztrainer weiter voran, bzw. joggte voran. Wie hier im Sommer 2000. Doch…
… im Herbst des selben Jahres musste er zum ersten Mal die volle Verantwortung als Interimstrainer übernehmen. Ein Engagement auf Zeit.
„Ich möchte nicht in der Öffentlichkeit stehen“, sagte Schlünz der taz. Weshalb Rostock ein Einsehen hatte und vorerst Friedhelm Funkel als Chef einstellte.
Wieder: Freude.
Wieder: bedröppelte Gesichter.
Auch unter Armin Veh setzte sich Juri Schlünz zwar lächerliche Käppis, aber nicht den Hut auf.
In der Zwischenzeit hatte der Diplom-Sportlehrer aber an sich gearbeitet. Mit Rainer Jarohs und Axel Schulz hatte er einen Buchkreis innerhalb der Mannschaft gegründet. Hier frischt er sein Wissen auf in der Bellestrikabteilung in „Der anderen Buchhandlung“.
Weshalb Schlünz im Oktober 2003 und nach der Entlassung von Veh dann doch zum Chefcoach gemacht wurde. Vorstandschef Manfred Wimmer betonte: „Juri ist keine Notlösung oder Billigvariante. Er ist für uns die Wunschlösung.“ Eh klar.
Zwei, die lange übersehen, die lange unterschätzt wurden: Juri Schlünz und Martin Max.
Nach einem kurzen Anlauf feierte Schlünz die ersten Erfolge mit der Kogge. Und wurde – auch dank des trockenen Humors – zum beliebten Gesprächspartner.
Hier im „Aktuellen Sportstudio“.
Hier bei Lantz.
Die Fans hatten ihn eh längst zur Ikone erklärt.
Juri Schlünz (offizielle Hansa-Rostock-Legende) und Perry Bräutigam (offizielle RB-Leipzig-Legende, kein Scherz, leider).
Der Coach hat den Laden im Griff. Beziehungsweise in diesem Fall: Antonio di Salvo.
Er gilt als einer, der sich der Taktik verschrieben hat: Hier lernt Jürgen Klopp von Juri Schlünz.
Doch auch die besten Zeiten sind irgendwann vorbei. Die Fans wittern eine Kampagne, trotzdem muss Schlünz im Winter 2004 seinen Platz räumen.
Und sich – vorerst – auch von Martin Pieckenhagen verabschieden.
Im Ruhestand versucht er sich bei Traditionsmannschaften.
Oder beim Shorttrack mit Gunda Niemann Stirnemann.
Als Scout und Nachwuchsvorstand bleibt er der Kogge erhalten…
… springt nochmal als Interimstrainer oder Manager ein …
… und lässt sich 20 Jahre nach der letzten DDR-Meisterschaft noch einmal im Ostseestadion feiern.
Heute ist es um Schlünz ruhiger geworden. Über ihn schrieb die FAZ einmal, er sei „der Rudi Völler von Hansa sozusagen“. In diesem Sinne. Es gibt nur einen Juri Schlünz! Und alles Gute zum 60. Geburtstag.