Marius Lauber, alias Roosevelt, ist als Indie-Pop-Produzent in Europa und den USA bekannt. Privat ist er Fan von Borussia Mönchengladbach. Vor dem Champions-League-Achtelfinale gegen Manchester City fragten wir ihn, wie er die Chancen der Fohlen-Elf einschätzt und was er eigentlich von Scooter hält.
Marius Lauber, erinnern Sie sich noch an Ihr erstes Gladbachtrikot?
Ja und das war damals schon retro: Es war nämlich ein Largarmtrikot mit grün-schwarzen Streifen und Tuborg als Sponsor. Meine Bökelberg-Zeit war so 2000/01 und selbst zu diesem Zeitpunkt galt das schon als ein cooles, altes Trikot.
Saison 2000/01, als Hans Meyer zum ersten Mal in Mönchengladbach Befehle von der Seitenlinie erteilte und Arie van Lent die Bälle vorne einschweißte.
Richtig. Max Eberl war auch dabei. Das war eine Zeit, in der es eigentlich gar nicht so gut um die Borussia stand und wir dauernd gehofft haben, dass das Team die Klasse hält oder halt wieder aufsteigt. Da bin ich sehr regelmäßig ins Stadion gegangen oder wurde mitgenommen. So bin ich tatsächlich zum Verein gekommen.
Welche Erinnerung sind Ihnen von den ersten Stadionbesuchen geblieben?
Am Bökelberg besaß die Gegentribüne kein Dach. Für mich als Kind sah das dann so aus, als würden die Zuschauer gegenüber in den Himmel hineinragen. Das sind die Momente, an die ich mich besonders erinnere: Wie ich die Treppen zur Haupttribüne hochgegangen bin und dann auf diese riesige Gegentribüne geschaut habe. Mönchengladbach ist ja keine Stadt, in der sonst viele Menschen an einem Platz zusammenkommen. Da gab es ja auch keine großen Konzerte. Obwohl der Bökelberg nicht das größte Stadion war, kam es einem als Kind gigantisch vor. Der Bökelberg war auch ein ganz gutes Stadion, um an Fußball ranzukommen. Weil alles sehr unmittelbar wirkte. Ein Bolzplatz im kleinen Stadionformat.
Wie wurden Sie eigentlich Gladbach-Fan?
Ich komme aus Viersen, da wird man es automatisch, es gibt keine andere Wahl. Es gab immer wieder Ausreißer, die dann Bayern-Fans geworden sind. Aber alleine geographisch macht das keinen Sinn. Es gibt ja Städte, in denen man entweder Fan von Mannschaft x oder Mannschaft y wird. Aber in Viersen gab es immer nur Mönchengladbach. Einen großen Anteil an meiner Fan-Leidenschaft hatte mein Nachbar Richard Hormes. Der ist jetzt E‑Sportler und hat bis vor kurzem bei der FIFA-Mannschaft von Gladbach gespielt. Seine Familie hat mich früher öfter mit auf den Bökelberg genommen. Ich habe erst spät bemerkt, dass er E‑Sports-Profi geworden ist und auch plötzlich das Gladbach-Trikot trägt. Das fand ich irgendwie total witzig, weil er mein Schlüssel zu diesem Verein war. Borussia war zwar schon immer präsent, gefühlt jedes Auto in Viersen hat einen Gladbach-Sticker auf der Kofferraumtür. Aber ins Stadion zu gehen, das kam durch ihn und ein paar andere Freunde.
Sie leben schon seit einigen Jahren in Köln. Wie ergeht es Ihnen dort als Fan der Fohlen-Elf?
Mit dem Trikot nach draußen zu gehen, das habe ich mich bis jetzt noch nicht getraut. Dafür sind die Vereine dann doch zu verfeindet. Genauso habe ich aber eine krasse Toleranz kennengelernt, wenn man in der Kneipe sitzt und das Gladbach-Spiel schaut. Ich sitze gerne mal im „Scheuen Reh“ und dort auch mal mit Gladbach-Trikot. Dazu muss ich aber auch sagen: Obwohl ich jetzt zehn Jahre in Köln wohne, habe ich bis jetzt noch keinerlei Sympathie für den Effzeh entwickelt. Da gibt es auch andere Beispiele. Tatsächlich ist ein ehemaliger Gladbach-Fan aus meinem Freundeskreis übergewandert.
In Kneipen oder Stadien kann man ja nicht gehen: Wie verfolgen Sie das Match heute Abend?
Ich werde es ganz coronakonform alleine bei mir im Studio schauen. Ich hoffe, dass der Streaminganbieter, der das Spiel überträgt, nicht den Fake-Stadionsound drunterlegt. Letztens konnte man es mal bei einem Spiel nicht ausstellen, das war ganz furchtbar.
Sie sind normalerweise international unterwegs und auch bei einem britischen Label (Greco-Roman; Inhaber ist Joe Goddard von Hot Chip, AdR) unter Vertrag. Kennen Ihre Kollegen aus dem Ausland Borussia Mönchengladbach?
Auf jeden Fall! Das merke ich, weil ich in Interviews immer mal wieder gefragt werde, was für Hobbies ich habe und da sage ich: Ich schaue gerne Fußball und Borussia ist mein Heimatteam. Und es überrascht mich sehr, dass das den Leuten ein Begriff ist. Die können den Namen zwar nicht aussprechen und müssen zweimal nachfragen, was ich meine. Aber sobald sie es verstanden haben, erinnern sie sich quasi an den geschriebenen Namen. Ich merke schon, dass der Verein durch die internationalen Wettbewerbe eine größere Aufmerksamkeit genießt.
„Das ist eben nicht ‚Big City Club‘, sondern eher wie ein niederrheinisches Gewerbegebiet mit Parkplatz, das mitten auf einem Acker gebaut wurde.“
Wie hat sich deine Wahrnehmung von Gladbach verändert seit der Relegation gegen Bochum im Jahr 2011?
In der Außenwahrnehmung ist es jetzt ein anderer Verein. Was ich aber schätze ist, dass es sich trotzdem nicht größenwahnsinnig anfühlt und alle, Max Eberl vorneweg, relativ bescheiden bleiben, das aber damit verbinden, große Ziele zu haben. Man sagt, man will oben mitspielen, aber man darf gleichzeitig nicht das Auge für die Realität verlieren. Jetzt gerade sind wir in einer Situation, in der es in der Tabelle nicht ganz so gut aussieht und ich habe das Gefühl, dass das jeder versteht. Es gibt keine falschen Ambitionen. Das fand ich schon immer sympathisch. Alleine wenn man in den Borussia-Park kommt und das Trainingsgelände sieht, da merkt man: Das ist eben nicht „Big City Club“, sondern eher wie ein niederrheinisches Gewerbegebiet mit Parkplatz, das mitten auf einem Acker gebaut wurde. Das ist der Charme, der dazu führt, dass ich diesen Verein mag.
Bei der Borussia gab es ja zuletzt einige Aufregung um den Trainer; der Verein verkündete nach langem Hin-und-Her den Wechsel von Marco Rose zur anderen Borussia. Nervt Sie das, dass sich Dortmund schon wieder bei Ihrem Verein bedient?
Ich habe Max Eberl ja eben sehr gelobt für die letzten Jahre. Dass sich er sich nun hingestellt hat und gesagt hat, erst zu „99%“, dann zu „98%“, dass Rose in Gladbach bleibt, das war unglücklich. Das fand ich unseriös. Marco Rose hat sich im professionellen Sinne richtig verhalten, ich kann seine Ambitionen verstehen. Dortmund ist immer noch ein Verein auf den, vor allem durch Trainer wie Klopp und Tuchel, im Ausland anders geschaut wird. Das Argument, dass die Vereine in der Tabelle gerade gleichauf liegen und wir den BVB besiegt haben, das spielt da keine Rolle. Wenn man eine noch größere Mannschaft trainieren will als Gladbach, dann ist das ein Schritt, den man nachvollziehen kann. Da muss man die Fußballromantik einmal hintanstellen. So schwer das auch ist. Ich bin natürlich traurig darüber; der Trainer hat gut gepasst.
Themenwechsel: Haben Sie eigentlich eine Meinung zu „Maria (I Like It Loud)“ von Scooter?
Auch als Gladbach-Fan muss ich sagen: Da finden sich sympathischere Torhymnen in der Bundesliga. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt und irgendwie passt es ja auch zum Gewerbegebiet-Parkplatz (Lacht.).
Welchen Ihrer Songs könnten Sie sich besonders gut im Stadion vorstellen?
Es gibt einen Verein in Köln, ESV Olympia, der wurde neu gegründet und mehrere Freunde von mir sind dort involviert. Die sind dabei, dem Verein ein neues Leben zu geben und sich auch sozial einzusetzen. Da wurde, zumindest bei einem Heimspiel, ein Song von mir als Einlauflied gespielt. Das war eine Riesenehre.
Welchen Song haben sie verwendet?
„Take Me Back“ war das, von meinem zweiten Album. Witzigerweise war die Inspiration für diesen Track tatsächlich die NBA-Einlaufmusik, die bei den Chicago Bulls in den 90er-Jahren immer lief.
„Sirius“ von The Alan Parsons Project!
Genau. Meine Freunde hatten „Take Me Back“ ausgesucht, ohne dass ich etwas damit zu tun hatte. Ich fand das super lustig, dass diese Stimmung einer Einlaufmusik in diesem Song so gut rüberkam. Und, na klar: Der Borussia-Park wäre ein Traum, aber das will ich mir gar nicht anmaßen, dass da irgendwann meine eigene Musik läuft.
Zurück zum heutigen Spiel: Manchester City spielte zuletzt überragend. Welche Chancen hat Ihr Team heute?
Es ist ein Spiel, bei dem es nicht viel zu verlieren gibt. Von daher hält sich auch meine Aufregung in Grenzen. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass die ganze Stadt, der ganze Verein nicht unfassbar heiß sind. Es gab selten eine Partie in den letzten Jahren, die für uns so wichtig war. Man wird diese Mentalität, dass man nichts zu verlieren hat, positiv spüren. Das hat man ja schon in Spielen gegen Real und Inter fühlen können. Da lief es in der Liga zum jeweiligen Zeitpunkt auch nicht immer gut und ich glaube, wenn man gerade in einem vermeintlichen Tief steckt, kann man gegen solche Mannschaften mit einer breiten Brust auflaufen.
Haben Sie einen Tipp?
Ich schätze, ManCity wird dominieren, aber Gladbach gewinnt durch einen Lucky Punch mit 1:0. Das wäre irgendwie der Klassiker. In Spielen, in denen der Favorit derart klar ist und dominiert, fällt es halt schwer das erste Tor zu machen. Ich hoffe jetzt mal, dass es so läuft und ich tippe es dann auch, dass Gladbach mit einem 1:0‑Sieg aus Budapest zurück nach Hause fliegt.
„Polydans“ von Roosevelt erscheint am 26.02.2021 via Greco-Roman/City Slang.