Robert Claus forscht zu Rechtsextremismus und Fußballfans. Im Interview spricht er über die Motivation der Krawallmacher beim Berliner Derby – und welche Konflikte die Fankurven derzeit beherrschen.
Beim Derby gab es die Szenen, wie aus dem Hertha-Block Raketen auf das Feld und die Zuschauertribüne geschossen wurden. Aber auch wie einige Union-Anhänger vermummt auf den Platz stürmten.
Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass sich beide Gruppen quasi auf dem Feld verabredet haben. Das war wohl ein spontaner Wutausbruch der Unioner – aber eben von Leuten, diegrundsätzlich gewaltbereit sind und Sturmhauben bei sich trugen. Bei den Einstellungen dieser Leute geht es vor allem um ein sehr traditionelles Verständnis von Männlichkeit: Wehrhaft bleiben, das eigene Territorium verteidigen, Gewalt anzudrohen, den Gegner als schwul zu diffamieren. Das ist eine sehr heteronormative und gewalttätige Männlichkeitsvorstellung. Darüber muss im Fußball mehr gesprochen werden.
Was können die Vereine dagegen tun?
Man sollte mit klaren Zielen auf vier Feldern agieren: Man muss erstens eine aktive und präventive Fan-Arbeit bieten, man muss zweitens sich in Netzwerken beteiligen – wie etwa dem „Bündnis gegen Homophobie“, bei dem Hertha und Union auch Mitglied sind. Drittens ist die interne Vereinsarbeit wichtig. Viertens die Öffentlichkeitsarbeit. Die Fanszenen sind sehr ausdifferenziert, und die Vernünftigen müssen dabei nun unterstützt werden.
Nach den Vorfällen beim Derby wurden die Täter aus den Fangruppen heraus aber nicht in die Schranken verwiesen.
Eine gut organisierte kleine Gruppe, die gewalttätig ist, hat nun mal oft die Kraft, eine größere Szene zu dominieren. Deswegen geht es im Rest der Szene darum, sich zu vernetzen und sich zu unterstützen. Es gab ja auch Beispiele dafür, etwa in Bremen vor einigen Jahren, wo sich die Ultra- Szene erfolgreich gegen die alten Nazi-Hools gestellt hat. Dafür braucht es einen szeneinternen Diskussionsprozess, der vom Verein unterstützt werden sollte.
Radikalisieren sich Fangruppen stärker?
Das würde ich in Gänze nicht sagen, aber die politischen Konflikte brechen immer deutlicher auf. Das findet in einem gesellschaftlichen Klima statt, in dem es wieder mehr zum Mainstream gehört, sich rassistisch und gewaltfördernd zu äußern. Auch das gibt rechten und gewaltaffinen Gruppen neben der aufgeheizten Derbystimmung leider Auftrieb.
Hätten Hertha und Union mehr auf einige Fangruppen einwirken müssen?
Was im Hintergrund an Kommunikation zwischen den Vereinen und Fanprojekten lief, um die Stimmung etwas zu beruhigen, weiß ich nicht. Aber vielleicht wäre es sinnvoll gewesen, wenn beide Vereine mehr gemeinsam präventiv und öffentlich zum Thema Gewalt kommuniziert hätten. So schwer man solche Ausschreitungen vorhersehen kann: Dass es in Teilen der Fanszenen Interesse an Gewalt beim Derby gibt, diese Anzeichen waren da.