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Seite 2: Eine gut organisierte kleine Gruppe, die gewalttätig ist, hat die Kraft, eine größere zu dominieren

Beim Derby gab es die Szenen, wie aus dem Hertha-Block Raketen auf das Feld und die Zuschau­er­tri­büne geschossen wurden. Aber auch wie einige Union-Anhänger ver­mummt auf den Platz stürmten.
Ich halte es für sehr unwahr­schein­lich, dass sich beide Gruppen quasi auf dem Feld ver­ab­redet haben. Das war wohl ein spon­taner Wut­aus­bruch der Unioner – aber eben von Leuten, die­grund­sätz­lich gewalt­be­reit sind und Sturm­hauben bei sich trugen. Bei den Ein­stel­lungen dieser Leute geht es vor allem um ein sehr tra­di­tio­nelles Ver­ständnis von Männ­lich­keit: Wehr­haft bleiben, das eigene Ter­ri­to­rium ver­tei­digen, Gewalt anzu­drohen, den Gegner als schwul zu dif­fa­mieren. Das ist eine sehr hete­ro­nor­ma­tive und gewalt­tä­tige Männ­lich­keits­vor­stel­lung. Dar­über muss im Fuß­ball mehr gespro­chen werden.

Was können die Ver­eine dagegen tun?
Man sollte mit klaren Zielen auf vier Fel­dern agieren: Man muss ers­tens eine aktive und prä­ven­tive Fan-Arbeit bieten, man muss zwei­tens sich in Netz­werken betei­ligen – wie etwa dem Bündnis gegen Homo­phobie“, bei dem Hertha und Union auch Mit­glied sind. Drit­tens ist die interne Ver­eins­ar­beit wichtig. Vier­tens die Öffent­lich­keits­ar­beit. Die Fan­szenen sind sehr aus­dif­fe­ren­ziert, und die Ver­nünf­tigen müssen dabei nun unter­stützt werden.

Nach den Vor­fällen beim Derby wurden die Täter aus den Fan­gruppen heraus aber nicht in die Schranken ver­wiesen.
Eine gut orga­ni­sierte kleine Gruppe, die gewalt­tätig ist, hat nun mal oft die Kraft, eine grö­ßere Szene zu domi­nieren. Des­wegen geht es im Rest der Szene darum, sich zu ver­netzen und sich zu unter­stützen. Es gab ja auch Bei­spiele dafür, etwa in Bremen vor einigen Jahren, wo sich die Ultra- Szene erfolg­reich gegen die alten Nazi-Hools gestellt hat. Dafür braucht es einen sze­nein­ternen Dis­kus­si­ons­pro­zess, der vom Verein unter­stützt werden sollte.

Radi­ka­li­sieren sich Fan­gruppen stärker?
Das würde ich in Gänze nicht sagen, aber die poli­ti­schen Kon­flikte bre­chen immer deut­li­cher auf. Das findet in einem gesell­schaft­li­chen Klima statt, in dem es wieder mehr zum Main­stream gehört, sich ras­sis­tisch und gewalt­för­dernd zu äußern. Auch das gibt rechten und gewalt­a­ffinen Gruppen neben der auf­ge­heizten Der­by­stim­mung leider Auf­trieb.

Hätten Hertha und Union mehr auf einige Fan­gruppen ein­wirken müssen?
Was im Hin­ter­grund an Kom­mu­ni­ka­tion zwi­schen den Ver­einen und Fan­pro­jekten lief, um die Stim­mung etwas zu beru­higen, weiß ich nicht. Aber viel­leicht wäre es sinn­voll gewesen, wenn beide Ver­eine mehr gemeinsam prä­ventiv und öffent­lich zum Thema Gewalt kom­mu­ni­ziert hätten. So schwer man solche Aus­schrei­tungen vor­her­sehen kann: Dass es in Teilen der Fan­szenen Inter­esse an Gewalt beim Derby gibt, diese Anzei­chen waren da.