Nach Freiburg, Leverkusen und Stuttgart wagte Daniel Schwaab vor der Saison den Schritt zum heutigen Bayern-Gegner aus Eindhoven. Im Gespräch erzählt er, was in Holland anders läuft als in Deutschland, und wie man Robert Lewandowski stoppt.
Herr Schwaab, im Mai mit dem VfB Stuttgart abgestiegen, spielen Sie jetzt mit Ihrem neuen Klub in der Champions League – es hätte für Sie auch schlechter laufen können.
Als ich vor drei Jahren zum VfB Stuttgart wechselte, hatte ich mir das alles ganz anders vorgestellt. Ich hatte nicht erwartet, dass ich mit dem VfB um den Abstieg spielen würde. Zum der Ende der vergangenen Saison ist mein Vertrag in Stuttgart ausgelaufen. Und dann hat sich die Möglichkeit geboten, zu Eindhoven zu wechseln. Ich musste nicht lange überlegen.
Auch wegen der Chance, wie mit Leverkusen wieder in der europäischen Königsklasse zu spielen?
Das spielte sicherlich eine Rolle. Nochmals in der Champions League zu spielen ist natürlich überragend. Auch die Möglichkeit um Titel mitzuspielen, ist ein großer Anreiz gewesen. Aber unabhängig davon, habe ich den Wechsel zu PSV Eindhoven noch in keiner Minute bereut. Alles ist sehr, sehr professionell, und auch die Menschen sind super nett. Hier herrscht wirklich eine gute Arbeitsatmosphäre.
Auch jetzt, wo es in der Meisterschaft nicht so läuft? PSV Eindhoven hat als amtierender Meister immerhin schon neun Punkte Rückstand auf Tabellenführer Feyenoord.
Man spürt schon, dass das Umfeld und die Zuschauer etwas unruhiger werden. Das Problem ist im Moment einfach, dass wir die guten Leistungen nicht in Punkte umwandeln können.
Es dürfte leichter fallen, sich fürs tägliche Training zu motivieren, wenn man um die Meisterschaft und nicht gegen den Abstieg spielt.
Ich bin im Training immer voll motiviert und will meine Leistung bringen. Aber die Stimmung ist einfach eine andere – in der Kabine, auf dem Trainingsplatz. Wen man um den Meistertitel kämpft, spürt man auch Druck – aber das ist ein anderer Druck. Du merkst als Spieler im Abstiegskampf, dass es hier nicht mehr nur um Fußball geht. Es geht um die Existenz von Menschen im Verein, die im Falle des Abstiegs ihren Job verlieren werden. Das lässt einen als Spieler nicht kalt. Aber wenn du Siege einfährst und zu null spielst, dann beflügelt dich das. Gewinnen macht einfach Spaß – verlieren nicht.
Wenn man als Abwehrspieler auf einen Antoine Griezmann von Atlético Madrid und jetzt gegen Bayern auf einen Robert Lewandowski trifft, überwiegt da die Vorfreude oder der Respekt vor solchen Weltklasseleuten?
Respekt ist immer da – auch bei den Spielen in der niederländischen Eredivisie, da gibt es auch starke Stürme. Aber es ist natürlich etwas besonders, gegen einen Lewandowski oder Griezmann zu spielen. Vor einigen Wochen bist du bei der Euro noch vor dem Fernseher gesessen, hast sie spielen gesehen und jetzt steht man selber mit diesen Ausnahmespielern auf dem Platz.
Wie bereitet man sich als Verteidiger auf solche Duelle vor?
Jeder Spieler bekommt Videosequenzen. Die schaut man sich in den Tagen vor der Partie, aber auch nochmals am Spieltag an. Man sieht dabei nicht nur, wie sich der Stürmer, sondern auch wie sich die anderen Spieler verhalten – wie zum Beispiel der FC Bayern gerade tickt.
Was zeichnet Robert Lewandowski in den Augen des Abwehrfachmanns aus, was ist typisch für sein Spiel?
Es gibt beim ihm eben nichts Typisches. Und das macht ihn in meinen Augen so gefährlich. Lewandowski hat einfach alles: einen guten Körper, mit dem er den Ball geschickt abschirmt, er ist schnell, kann in die Tiefe gehen, sein Kopfballspiel ist sehr gut – man darf ihn einfach keine Sekunde aus den Augen lassen.
Zum Champions League-Auftakt gab es für Eindhoven gegen Atlético Madrid eine unglückliche 0:1‑Niederlage – auch wegen eines verschossenen Elfmeters.
Uns wurde auch noch ein in meinen Augen reguläres Tor aberkannt. Wir haben gegen Atlético eine richtig gute Partie gemacht. Für die Leistung, die wir da abgeliefert haben, wäre eigentlich nicht nur ein Punkt verdient gewesen, dafür hätte es auch drei Punkte geben können – genauso wie gegen Rostow. Da waren wir nach einer ausgeglichen ersten Halbzeit in der zweiten Hälfte die deutlich bessere Mannschaft.
Bis zum Spiel gegen Atlético sprachen wieder alle von den Über-Bayern und einer nochmaligen Steigerung unter Ancelotti – danach wurde viel über taktische Defizite diskutiert.
Gegen Atlético zu spielen, ist nie einfach, da tun sich auch Real oder Barcelona schwer. Atlético kann nicht nur brutal gut verteidigen und eklig sein, sondern auch guten Fußball spielen. Von daher ist es nicht die Riesenüberraschung, wenn der FC Bayern dort verliert. Bayern ist und bleibt dennoch eine der besten Mannschaften auf der europäischen Bühne – auch wenn sie im Moment nicht jedes Spiel souverän gewinnen.
Die niederländischen Klubs haben den Anschluss an die europäischen Spitze verloren. Auch der PSV Eindhoven hat schon bessere Zeiten gesehen. Wenn man PSV Eindhoven hört, denkt man an Romario, Ronaldo, Robben oder van Nistelrooy – von der aktuellen Mannschaft kennen nur Experten den einen oder anderen Spieler.
Das war damals wahrscheinlich nicht anders. Die gerade zitierten Spieler zählten zu ihrer Zeit bei PSV Eindhoven vielleicht auch noch nicht zu den Stars mit ganz großem Namen. Vielleicht wird das in ein paar Jahren wieder genauso sein und einer aus unserem Team entwickelt sich zum Topstar.
An wen denken Sie da?
(Lacht) ich will keine Namen nennen. Wir haben einige junge Spieler mit extrem hoher fußballerischer Qualität in unseren Reihen. Und im PSV-Nachwuchsbereich gibt es neue Supertalente. In der Länderspielpause haben ein paar Jugendspieler bei uns mittrainiert – das war schon sehr beeindruckend, wie weit sie für ihr Alter schon sind.
Aber es lässt sich nicht leugnen, dass auch die niederländische Nationalmannschaft schon bessere Zeiten hatte – erst die EM verpasst und jetzt schon wieder ein holpriger Start in die WM-Qualifikation.
Die Mannschaft hat beim 0:1 gegen Frankreich ein gutes Spiel gemacht. Ich glaube nicht, dass es eine grundsätzliche Frage der fehlenden Qualität ist.
Vielleicht müssten die niederländische Teams auch mal ergebnisorientierter agieren, sich dem Zwang des schönen Spiels und Cruyffs Vermächtnis entziehen?
Da ist schon was dran. Jede Mannschaft in der Eredivisie versucht Fußball zu spielen, auch die, die unten stehen. Es geht hier nicht nur ums Gewinnen, sondern auch darum, den Leuten einen ansprechenden Fußball zu zeigen. Es ist alles ein wenig entspannter als in der Bundesliga. Im deutschen Fußball wächst man mit dem unbedingten Siegeswillen auf, weshalb ich versuche, diesen auch bei uns reinzubringen.
Welchen Stellenwert genießt die Bundesliga in den Niederlanden?
Einen sehr hohen. Meine Mitspieler sind immer bestens über den deutschen Fußball informiert. Sie wissen, wer in welcher Partie die Tore gemacht hat. Die englische Premier League ist vielleicht noch ein bisschen mehr im Fokus. Aber die Bundesliga wird auf jeden Fall aufmerksamer verfolgt als die spanische Liga.
Sie sprachen anfangs von dem angenehmen Umfeld bei Ihrem neuen Klub. Sie hätten das schon vor drei Jahren haben können. Schon vor Ihrem Wechsel zum VfB zeigte Eindhoven Interesse an Ihnen.
Das war nur ein leises Anklopfen. Aber damals war es für mich noch zu früh für einen Wechsel ins Ausland. Jetzt war der richtige Zeitpunkt dafür gekommen. Und ich binwirklich sehr, zufrieden in Eindhoven. Das macht richtig Spaß hier.
Auch weil alles so familiär ist?
Ja. Das mit der PSV-Familie wird hier im Klub auch immer wieder betont. Und es sind keine leeren Worte – das erkennt man schon daran, dass viele große Spieler nach Ende ihrer Karriere zum Klub zurückkehren, um dort Aufgaben zu übernehmen. Cocu trainiert die Profimannschaft, andere wie van Bommel, van Nistelrooy, Zenden oder Nilis sind bei uns oder in die Jugendarbeit eingebunden. Das ist ein Zeichen einer große Verbundenheit mit diesem Verein.
Und was ist aktuell in der Champions League-Saison für PSV Eindhoven noch drin?
Wir haben leider einige Punkte liegen gelassen. Jetzt stehen wir mit nur einem Zähler da und müssen schauen, dass wir zumindest unser Minimalziel, nämlich Platz drei in der Gruppe, noch erreichen.
Ein Punkt in München würde da guttun – ein realistisches Ziel?
Gegen Atlético haben wir gezeigt, dass wir verteidigen können. Und bei Bayern wiederum hat man gesehen, dass sie Schwierigkeiten haben gegen Teams, die gut verteidigen und ein schnelles Umschaltspiel zeigen. Die Auftritte von Köln und Frankfurt gegen Bayern haben gezeigt, dass sie nicht unverwundbar sind.