Rainer Ohlhauser, alles Gute zum 70. Geburtstag.
Danke. Lassen Sie mich raten: Sie wollen mit mir über die Meisterschaftschancen des FC Bayern sprechen? (lacht)
Lieber über Ihre aktiven Jahre. Zum Beispiel über Ihre 186 Tore in 286 Spielen. Welches war denn Ihr wichtigster Treffer?
Ich erinnere mich ganz gerne an unser letztes Spiel in der Aufstiegsrunde zur Bundesliga in der Saison 1964/65 (der FC Bayern spielte bis 1965 in der Regionalliga-Süd, Anm. d. Red.). Wir gewannen 8:0 bei Tennis-Borussia Berlin.
Sie schossen damals vier Tore.
Kann sein.
Tore waren Ihnen nicht wichtig?
Schon, ja. Ach, wissen Sie, damals wurde das alles nicht so hochgekocht. Ich fuhr mit den Fans in der Straßenbahn zu den Heimspielen an die Grünwalder Straße, die Sporttasche in der rechten Hand, die Zeitung in der linken. Ich war ein ganz normaler Gast. Mich erkannte nie jemand. Damals druckte die Presse weniger Fotos, und wenn, dann waren sie nicht farbig. Außerdem gab es dieses Bohei um Fußballer noch nicht. Dementsprechend standen die Spieler weniger im Mittelpunkt. Mir kam das gelegen.
Sie haben mit dem FC Bayern den DFB-Pokal gewonnen, den Europapokal der Pokalsieger und 1969 erstmals eine Meisterschaft in der Bundesliga. Wenn Sie heute zurückdenken: Was ist Ihr schönster Moment gewesen?
Der Moment, als ich meine Unterschrift unter den Vertrag des FC Bayern setzte. Sie müssen wissen: Ich bin in dem kleinen Dorf Dilsberg aufgewachsen, spielte beim SV Sandhausen. Und dann das: Die große Stadt. Der große Verein. Für mich als 20-Jährigen war das Anfang der Sechziger ein riesiger Schritt.
Standen die Manager und Scouts damals bei Ihnen vor der Tür?
Ach, Manager… Damals verhandelten wir mit einem Freund und Trainer Helmut Schneider bei meinen Eltern im Wohnzimmer.
Und was ist mit den Erfolgen? Den Toren?
Alles tolle Erfahrungen, zweifelsohnne. Doch aus sportlicher Sicht ist vor allem der Aufstieg hängen geblieben. Wir spielten ja nach Gründung der Bundesliga noch zwei Jahre in der Regionalliga-Süd. Was ein bisschen wurmte: 1860 München spielte seit Gründung in der Bundesliga. Insofern war die Feier nach dem 8:0 bei Tennis-Borussia besonders schön.
Und am nächsten Tag ging es wieder zur Arbeit?
Richtig, ich war als Stahlbauschlosser in der Schlosserei Franz in München beschäftigt. Das Training fand erst abends statt.
Gerade in den ersten Bayern Jahren haben Sie getroffen wie später nur Gerd Müller. Während der Regionalliga- und Oberligazeit schossen Sie 122 Tore in 126 Spielen. Wenn heute von Bayern-Toren die Rede ist, fällt Ihr Name aber relativ selten. Enttäuscht Sie das?
Überhaupt nicht. Der Gerd hat es verdient. Ein toller Spieler und ganz anderer Typ als ich. Zumal ich in der Bundesliga mehr im Mittelfeld spielte. Gelegentlich, wenn Franz verletzt war, musste ich sogar als Libero ran. Ich war vielleicht das, was man heute einen Allrounder nennt.
Ihre Helden waren dennoch Stürmer.
Richtig. Max Morlock – der Held meiner Jugend! Dann schwärmte ich für Heinz Beck vom Karlsruher SC, dieser schlaksige Junge machte in der Saison 1957 alle nass. Sowieso war 1957 mein Jahr! Ich war 16 Jahre alt, und schon länger Fußballfan, doch das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft veränderte meinen Blick auf Fußball: Dieser fantastische BVB mit den beiden Alfreds: Alfred Kelbassa und Alfred Niepieklo. Über 70.000 Zuschauer waren in Hannover, alle mit offenen Mündern – und ich mittendrin.