Der ehemalige Bundesliga-Keeper Martin Pieckenhagen über den HSV, Bernd Hoffmann und Manuel Neuer.
Martin Pieckenhagen, packt der HSV es noch?
Es ist theoretisch noch möglich. Momentan sind es fünf Punkte auf die Relegation, also zwei Siege, das sollte machbar sein. Vielleicht kann die Mannschaft den Rückenwind aus dem Sieg gegen Schalke mitnehmen.
Wie würden Sie mit der Personalie Christian Titz umgehen?
Die Frage ist schwierig, da ich den Trainer nicht persönlich kenne. Aber er hat jetzt erst mal eine Linie, er setzt viel auf junge Spieler und scheint mir einen guten Zugriff auf die Mannschaft zu haben. Aber man darf nicht vergessen; er hat bisher nur ein Spiel gewonnen. Es ist nicht so als ob der HSV mit ihm eine große Erfolgsserie gehabt hätte. Man hatte schon unter Hollerbach Spiele, in denen eine Halbzeit gut gespielt wurde, aber am Ende das Ergebnis nicht gestimmt hat. Das Hertha-Spiel unter Titz lief ähnlich. Jetzt auf Schalke hat die Mannschaft über 90 Minuten eine gute Leistung gezeigt, und war am Ende zum Glück auch erfolgreich. Warum sollte man es nicht mit Titz versuchen? Aber die Verantwortlichen kennen ihn aus der täglichen Arbeit und können diese Frage sicher besser beantworten.
In den letzten Jahren werden Spieler häufig schlechter wenn sie zum HSV wechseln. Holtby oder auch Kostic beispielsweise, sind definitiv keine schlechten Fußballer.
Holtby zum Beispiel ist ein sehr guter Fußballer, aber er ist kein Führungsspieler. Mit Kostic ist es genauso, das sind Spieler die in einem homogenen Umfeld sehr gut funktionieren, aber mit dem Druck im Abstiegskampf, können sich diese Spieler nicht entfalten.
Sie sehen keine Typen in der Mannschaft.
Das liegt auch an der flachen Hierarchie. In Situationen wie jetzt, ruft man nach Spielern die das Ruder an sich reißen. In guten Zeiten will man diese Spieler nicht haben. Da legt man dann Wert auf eine liebe Mannschaft, in der alles harmonisch läuft. Wenn es schlecht läuft, brauche ich auch mal einen Drecksack. Und damit meine ich nicht Papadopoulus, der so „großartige“ Interviews gibt wie nach dem Spiel gegen Hertha. So etwas geht nicht, das hat man intern zu klären.
Kann jemand aus dem aktuellen Kader in diese Führungsrolle hineinwachsen?
Nein. Das wäre schon passiert. Ich glaube, dass alle Spieler sehr bemüht sind. Aber du brauchst Jungs die voran gehen, die sich durchsetzen können, sowas schafft auch niemand alleine. Da brauchst du vier, fünf Typen von. Und dass darauf kein Wert gelegt wurde, ist ein Fehler der sportlichen Leitung.
Täte ein Abstieg dem HSV gut?
Ein Abstieg hat nie etwas Positives. Es gibt natürlich Stimmen die im Abstieg ein reinigendes Gewitter sehen. Aber das passiert ja gerade. Bernd Hoffmann wird natürlich kontrovers diskutiert, aber er trifft Entscheidungen. Das gefällt mir, denn wenn du keine Entscheidungen triffst, kommst du nicht weiter. Dass das dann auch dem ein oder anderen mal weh tut, liegt in der Natur der Sache.
Also ist Bernd Hoffmann der richtige Mann für Hamburg?
Ich kenne ihn noch aus meiner Zeit, da hat er den Verein finanziell sehr gut geführt, und auch sportlich standen wir gut da. Bernd Hoffmann hat sich damals zu sehr in den sportlichen Bereich eingemischt, aber aus den Fehlern hat er gelernt, er ist ein sehr intelligenter Mann. Er wird Leute installieren, die knallhart daran arbeiten den HSV in bessere Gefilde zu führen, egal ob man nun absteigt, oder nicht. Wovon man sich verabschieden sollte ist, dass man jetzt beim HSV über drei bis fünf Jahre etwas aufbaut. Dafür ist Hamburg auch die falsche Stadt. Mit den richtigen Leuten, den richtigen Ideen und der richtigen Perspektive kann der HSV auch kurzfristig wieder an alte, erfolgreiche Zeiten anknüpfen.
Zum Abschluss noch eine Frage an Sie als ehemaligen Bundesliga-Torwart. Würden Sie Manuel Neuer zur WM mitnehmen?
Schwierig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Manuel Neuer bis zur WM bei 100 Prozent ist. Dann muss Jogi Löw sich die Frage stellen: Ist ein Ter Stegen mit 100 Prozent besser als Neuer mit 80? Wenn Manuel Neuer für die Bayern gar kein Spiel mehr macht, glaube ich nicht, dass es sinnvoll ist, ihn mitzunehmen. So ein Turnier hat auch eine große Intensität, und Neuer kommt aus einer erneuten, langwierigen Verletzung. Ich glaube dass er so intelligent ist, im Zweifel nicht seine ganze Karriere aufs Spiel zu setzen für dieses Turnier.