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Für Ilkay Gün­dogan war die Sache ganz ein­fach. Ich bin der Mei­nung, dass mit Politik jetzt Schluss ist“, sagte der deut­sche Mit­tel­feld­spieler der Sport­web­site The Ath­letic“ nach dem 1:1 gegen Spa­nien. Gün­dogan bezog sich dabei auf etwaige wei­tere Pro­test­ak­tionen der DFB-Elf nach der Mund-zu-Geste auf dem Mann­schafts­foto vor dem Spiel gegen Japan. Man mag von dieser Aus­sage halten, was man will. Dass sie in ihrer Abso­lut­heit bei dieser WM in keinem Fall zutreffen würde, hatte sich schon gezeigt, als das Spiel noch lief.

Von der deut­schen Mann­schaft waren auf und neben dem Platz keine poli­ti­schen State­ments mehr zu sehen, in dieser Hin­sicht hatte Gün­dogan also Recht. Und darauf hatte er sich im Inter­view auch primär bezogen. Dass es trotzdem bri­sant wurde, dafür sorgten einige Zuschauer nahe des deut­schen Fan­blocks. Sie reckten Fotos und Zeich­nungen von Mesut Özil in die Luft und hielten sich dabei den Mund zu. Letz­teres, das war ein­deutig, bezog sich aufs deut­sche Mann­schafts­foto beim Japan-Spiel. Doch was hatte der ehe­ma­lige deut­sche Spiel­ma­cher damit zu tun, der seine Natio­nal­mann­schafts­kar­riere vor über vier Jahren beendet hatte?

Vor­würfe unter­scheiden sich

Ver­ein­facht gesagt: Wenig. Er hatte sich im Vor­feld der Partie in keiner Form zur Welt­meis­ter­schaft oder zur deut­schen Natio­nal­mann­schaft geäu­ßert. Ein Blick in die sozialen Netz­werke verrät aber, wie die Aktion gemeint gewesen sein könnte. Zumin­dest wurden dort bereits nach dem Japan-Spiel immer wieder Tweets ver­öf­fent­licht, die einen Zusam­men­hang zu Özil her­stellten. Das Nar­rativ: Der DFB mache sich mit der Pro­test­ak­tion wegen seines Ver­hal­tens gegen­über Mesut Özil lächer­lich. Von einer west­li­chen Dop­pel­moral“ war dabei immer wieder die Rede.

Wel­ches Ver­halten des DFB genau gemeint war, unter­schied sich inner­halb der Tweets. Einige Autoren bezogen sich auf die WM 2018 und die Ras­sismus-Vor­würfe, die Özil dem Ver­band im Zuge seines Rück­tritts aus der Natio­nal­mann­schaft gemacht hatte. Die anderen, und das war die deut­liche Mehr­heit, warfen dem DFB vor, er habe Özil nach dessen Aus­sagen zur Situa­tion der Uiguren in China im Stich gelassen. In einigen Tweets war sogar die Rede davon, Özil sei wegen seiner Aus­sagen zu den Uiguren nicht mehr für die Natio­nal­mann­schaft berück­sich­tigt worden.

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Wäh­rend die Vor­würfe bezüg­lich der Situa­tion wäh­rend und nach der WM 2018 durchaus ihre Berech­ti­gung – oder zumin­dest eine fak­ti­sche Grund­lage – haben, gerät hin­sicht­lich Özils Uiguren-State­ment einiges durch­ein­ander. Im Dezember 2019 hatte er mit einem Social-Media-Post für Auf­re­gung gesorgt, in dem er das Leid der uigu­ri­schen Min­der­heit in China scharf ver­ur­teilte. Die turk­spra­chige Ethnie, die dem Islam ange­hört, lebt vor allem im Westen Chinas und leidet dort unter Mas­sen­in­haf­tie­rungen, Drang­sa­lie­rungen und Repres­sionen. West­liche Regie­rungen bewerten das Ver­halten der Chi­nesen als Genozid. Özil setzt sich in öffent­li­chen State­ments seit langem für die Uiguren ein und macht auf ihr Schicksal auf­merksam. Vor­würfe machte er dabei aller­dings vor allem den mus­li­mi­schen Län­dern: Die Mus­lime schweigen. Ihre Stimme wird nicht gehört.“

Rücken­de­ckung aus der Fuß­ball­welt hatte Özil auch damals nicht bekommen, unter anderem sein dama­liger Verein, der FC Arsenal, distan­zierte sich von der Aus­sage seines Spiel­ma­chers. Auch der DFB äußerte sich nicht, aller­dings war Özil zum Zeit­punkt der Aus­sage auch seit über einem Jahr kein Natio­nal­spieler mehr. Des­halb ist auch der Vor­wurf, sein State­ment hätte zum Aus­schluss aus der Natio­nal­mann­schaft geführt, fak­tisch falsch. Noch absurder war ein Vor­wurf, den bei­spiels­weise ein ara­bi­scher Reporter äußerte, als er auch noch die deut­sche Innen­mi­nis­terin Nancy Faeser kri­ti­sierte, obwohl diese erst drei Jahre später ihr Amt ange­treten hatte.

Betei­ligte tragen Thawb-Gewand

Wie die Aktion mit den Özil-Fotos am Sonn­tag­abend ins Sta­dion kam und wer sie initi­iert hat, ist unklar. Viele der Zuschauer, die sich an der Aktion betei­ligten, trugen das kata­ri­sche Thawb-Gewand, was darauf hin­weist, dass sie nicht von deut­schen Fans aus­ging. Die Bild berichtet zudem von einem Zuschauer, nach eigener Angabe ein Wan­der­ar­beiter aus Ban­gla­desch, der sagte, die Poster bei der Ankunft an seinem Platz schon vor­ge­funden zu haben. Dann kam ein Katarer und hat uns gezeigt, was wir damit machen sollen. Hoch­halten und den Mund zuhalten. Das haben wir dann gemacht. Was die Poster zu bedeuten hatten, weiß ich nicht.“