Quarantäne ist das, was man daraus macht. Weshalb wir euch nicht allein lassen, sondern in loser Reihenfolge die besten Fußballbücher vorstellen, die man gelesen haben muss. Oder auf keinen Fall angefasst haben sollte. Teil 1.
Eamon Dunphy – Only a Game? (1979)
Eamon Dunphy war nie die richtig große Nummer im englischen Fußball. Ein verlässlicher Stratege, ein treuer Mitspieler, nicht mehr, nicht weniger. Die meisten Spiele bestritt er für den FC Millwall, wo er acht Jahre unter Vertrag stand. In „Only a Game?“ schrieb er seine Erinnerungen an die letzte Saison bei den Londonern in Tagebuchform nieder. Was das Buch so lesenswert macht, ist die Ehrlichkeit, mit der Dunphy zum Beispiel über seine Rolle als Ersatzspieler sinniert. Einmal schreibt er über eine Partie, bei der er wieder nicht berücksichtigt wurde: „I couldn’t sit in the stand hoping for them to get beaten. It is too small-minded for words. So I watched the racing on telly instead. What is terrible is that it is only November.“ Nick Hornby lobte das Buch später überschwänglich. In „Fever Pitch“ folgte er Dunphys Vorbild und erzählte auch eine komplette Saison seines Klubs in Tagebuchform – aus Fanperspektive.
Hunter Davies – The Glory Game (1972)
Hunter Davies war kein dahergelaufener Autor, als er bei Tottenham Hotspur anfragte, ob er das Team ein Jahr lang begleiten dürfte. Er war der Mann, der 1968 die bis heute einzige autorisierte Beatles-Biografie geschrieben hatte. Trotzdem schlotterten Davies vor seinem ersten Besuch bei Spurs-Trainer Bill Nicholson die Knie. Was würde passieren, wenn dieser ihm die Nase vor der Tür zuknallte? War die Idee unverschämt? Die Intimität zu groß? Doch Nicholson ließ ihn gewähren, und so klemmte sich Davies an die Fersen der Profis. Er war in der Kabine, wenn Nicholson tobte, er war bei den Spielern zu Hause, wenn sie ausspannten, er traf Freunde und die Frauen der Spieler. Später sagte er: „Eigentlich wunderte ich mich oft, dass Nicholson nach Niederlagen nie die Beherrschung verlor und dann sagte: ‚Wer ist eigentlich dieser verdammte Typ mit seinem Schreibblock dort in der Ecke?‘ Und mich dann rausschmiss.“
Geoff Harvey – Rivalen (2006)
Seit wann hassen sich Millwall und West Ham? Und warum können sich Fans von Chester und Wrexham nicht riechen? Geoff Harvey setzte sich 2006 an die Mammutaufgabe, Fangruppen sämtlicher englischer Profivereine auf ihre Aversionen und Freundschaften abzuklopfen. Herausgekommen ist zwar ein sprachlich hölzernes und stilistisch monotones Kompendium, das oft in Null-Erkenntnissen mündet („Wir hassen jeden, der was mit City zu tun hat“), doch auch durch eine Vielzahl an Anekdoten besticht. Etwa die vom FC Everton, der zur Adventszeit nur blaue Weihnachtsmänner verkauft, weil Rot die Farbe des FC Liverpool ist. Auch gut jener TV-Kommentator, der den Spieler Mike Trebilcock stets Trebilco nannte, weil er befürchtete, dessen echter Name könnte als Beleidigung aufgefasst werden (Trebilcock bedeutet in etwa: „Dreifach-Schwanz“). Alles in allem: nette Klolektüre.
Diese Rezensionen erschienen erstmals in 11FREUNDE Spezial – Die Geschichte des britischen Fußballs. Das Heft gibt es bei uns im Shop – genau wie das Abo mit allen aktuellen Ausgaben.
Pete Davies – All Played Out (1998)
Es war der magischste Sommer seit 1966 – und zugleich der tragischste. Bei der WM 1990 war die englische Elf mit einem fulminanten 3:2‑Sieg gegen Kamerun ins Halbfinale eingezogen und traf nun auf Deutschland. Ein Spiel voller Dramatik: 1:1 nach 90 Minuten, in der Verlängerung Pfostentreffer von Chris Waddle und Guido Buchwald, die Tränen von Paul Gascoigne wegen einer Gelben Karte, das Elfmeterschießen, Pearce, Waddle, Aus. Schließlich weinte auch Autor Pete Davies. Er hatte die »Three Lions« nicht als gewöhnlicher Journalist begleitet, er war so nah dran wie nach ihm keiner mehr. Ihm gelang es, den Zauber auf Sardinien einzufangen, die Bande zwischen Fans und Mannschaft, aber auch die politischen Entscheidungen der FA, die Hysterie der englischen Presse, den italienischen Polizeiwahnsinn. Später wurde das Buch von James Erskine unter dem Titel »One Night in Turin« verfilmt.
Carsten Germann – Football’s Home (2007)
Carsten Germann ist ein Kenner des englischen Fußballs. 2007 veröffentlichte er mit „Football’s Home – Geschichten vom englischen Fußball“ sein Erstlingswerk, eine Reportagensammlung, die in Deutschland Ihresgleichen sucht. Germann schreibt über die großen Epen, wie etwa den Fall des George Best oder den Aufstieg des Milliardärs Roman Abramowitsch beim FC Chelsea. Großartig sind aber vor allem die Randgeschichten. Die von „Fred, the Red“, dem Maskottchen von Manchester United, der sich in seinem eigenen Bürozimmer eine Sekretärin hält. Die von Gary Edwards, der seit 1968 kein einziges Spiel von Leeds United mehr verpasst hat. Oder die vom alten Manchester-City-Stadion an der Maine Road, von dem nach seinem Abriss Teile an Fans versteigert wurden. Nur ein Objekt fand damals keinen Abnehmer: ein Schild mit der Aufschrift „From here on: Alcohol prohibited“.
Arthur Hopcraft – The Football Man (1968)
Bereits im zarten Alter von 17 Jahren betätigte sich Arthur Hopcraft als Fußballjournalist. Damals, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, schrieb er über seinen Heimatklub, die Stafford Rangers. Sein Pseudonym: „Linesman“. Später arbeitete Hopcraft als Journalist für Observer und Guardian. Berühmtheit erlangte er allerdings 1968 mit „The Football Man: People and Passions in Soccer“. Das Buch galt in England viele Jahre als die Bibel des Fußballs, denn es gab ungefiltert wieder, was die Protagonisten des Sports antreibt. Hopcraft benutzte eine im Fußballjournalismus bis dahin unbekannte Sprache. Die Charakterisierungen des jungen George Best lesen sich wie Poesie. Andere Stellen wiederum philosophisch. Hopcrafts These: „The way we play the game, organise it and reward it, reflects the kind of community we are.“ Sein berühmtester Satz: „Football is inherent in the people.“