Nach über zwei Jahren laufen Thomas Müller und Mats Hummels wieder im DFB-Trikot auf. Können sie zur erhofften Stabilisierung beitragen? Wir haben gegen Dänemark genauer hingeschaut.
Unmittelbar nach dem Spiel wirkte Thomas Müller etwas verwirrt: „Am Ende ist es echt ärgerlich, dass wir das Spiel verlieren“, sagte er. Sicher, Interviews kurz nach Spielende sind immer undankbar, gerade wenn man so eine Laufleistung hingelegt hat wie Müller an diesem Abend. Dabei war das erste von zwei Testspielen vor der EM gar nicht verloren gegangen, sondern 1:1 geendet. Möglicherweise steckt in der Aussage Müllers aber mehr als ein einfacher Versprecher. Möglicherweise ist mit Müller und Hummels jene „Gewinnermentalität“ ins Team zurückgekehrt, die Joachim Löw im Hinblick auf die Europameisterschaft einforderte.
Das Rückgrat dieser alten neuen Mannschaft könnte das Trio Hummels – Kimmich – Müller bilden. Insbesondere in der ersten Halbzeit waren es gerade diese drei, die jene Eigenschaften verkörperten, die das deutsche Team zuletzt häufig vermissen ließ: Ihr Auftritt wirkte griffig und mit der richtigen Ernsthaftigkeit. Kimmich und Müller harmonierten, wie aufgrund ihrer Vereinszugehörigkeit zu erwarten war, über die gesamten 90 Minuten. Auch Florian Neuhaus wurde gerade im Offensivspiel immer wieder gut eingebunden. In der 13. Minute etwa spielte Kimmich einen sehenswerten Chip-Ball hinter die dänische Abwehr auf Müller, den dieser allerdings per Kopf nicht verwerten konnte. Weitaus erfolgreicher koordinierte dieser aber das Angriffspressing im Verbund mit den bayrischen Teamkollegen Sané und Gnabry, zeigte sich insgesamt sehr laufstark und hatte mit dem missglückten Kopfball auch die beste Chance der Anfangsviertelstunde.
Auch im weiteren Verlauf kommunizierte Müller viel und wirkte im ersten Einsatz für die Nationalmannschaft nach zweieinhalb Jahren gleich wieder wie der Kapitän auf dem Platz – ein Zeichen dafür, dass er auch in der Kabine und im Trainingslager in Seefeld bereits das Kommando übernommen hat. Seine für ihn typischen, außergewöhnlichen Laufwege fielen ebenfalls auf, Löw scheint ihm nun im Zentrum alle Freiheiten zu gewähren. Außerdem sorgte der 31-Jährige in der zweiten Halbzeit mit zwei Balleroberungen (62. und 67. Minute) für gefährliche Umschaltsituationen. Bemerkenswert waren zudem eine butterweiche Flanke auf Ginter (61. Minute) mit seinem schwächeren linken Fuß und eine Kopfballverlängerung vor dem Führungstreffer von Neuhaus (52. Minute).
Etwas unauffälliger aber dennoch zufriedenstellend gestaltete sich die Rückkehr von Mats Hummels in der Dreierkette neben Niklas Süle und Matthias Ginter. Jogi Löw ließ Hummels etwas überraschend dabei nicht im Zentrum, sondern auf der linken Seite auflaufen. Dass aber auch er wenig Eingewöhnungszeit benötigt, zeigte sich gleich zu Beginn bei einer gelungenen Abseitsfalle im Zusammenspiel mit Süle. Dieser überließ Hummels gerade zu Beginn häufig die Spieleröffnung, die er dann mit seiner gewohnten Ruhe am Ball und Genauigkeit initiierte. Zwei Mal kam dazu auch sein typischer Außenristpass zur Anwendung, alles in allem präsentierte sich Hummels gewohnt passsicher. Des Weiteren deutete sich an, dass er bei der EM durch seine Kopfballstärke durchaus eine Gefahr bei Standards darstellen kann. Die Franzosen werden sich in Erinnerung an die WM 2014 vielleicht schon davor fürchten.
Beim Unentschieden gegen durchschnittliche Dänen gab es aber auch deutliches Verbesserungspotential: So war in einigen Offensivaktionen das Zusammenspiel sowohl von Hummels und Gosens auf der linken Seite, als auch von Ginter und Klostermann auf der rechten Seite, noch steigerungsfähig. Gerade Klostermann blieb bis zu seiner Auswechslung in der 60. Minute unter seinen Möglichkeiten, während Gosens insbesondere in der zweiten Halbzeit überzeugen konnte. Höhepunkt seiner Leistung war die wunderbare Flanke, die der 1:0 Führung vorausging.
Ein weiteres Augenmerk dürfte Löw in den kommenden Tagen auf Pressingresistenz und defensive Umschaltmomente legen. Aus fehlender Balance ergab sich schließlich auch der Ausgleichstreffer der Dänen. Gerade wenn man an die Schnelligkeit eines Antoine Griezmann oder Kylian Mbappé denkt, muss sich hier noch einiges verbessern. Verbesserungswürdig war auch die letzte Klarheit im Spiel um den Strafraum herum, denn auch wenn die deutsche Mannschaft insgesamt das spielerisch klar überlegene Team war, spielte sie sich zu wenige klare Torchancen heraus. Insgesamt vier Großchancen ergaben sich neben Neuhaus erfolgreichem Torabschluss: Der besagte Kopfball von Thomas Müller, ein verstolperter Versuch vom wieder einmal zu unauffälligen Leroy Sané und schließlich zwei Aluminiumtreffer von Serge Gnabry und Joshua Kimmich.
Hoffnung macht indes die Leistung von Florian Neuhaus, der nicht nur durch sein Tor überzeugen konnte, und der Umstand, dass mit Leon Goretzka, Toni Kroos, Antonio Rüdiger und Timo Werner gleich vier Akteure mit Stammspielerqualität fehlten. Jogi Löw sah im deutschen Spiel „Licht und Schatten“ und bemängelte vor allem die fehlende Konsequenz im Abschluss.
Der übergeordnete Eindruck war jedoch durchaus positiv: Körpersprache und Einsatzbereitschaft waren tadellos, was wohl nicht zuletzt an der Rückkehr von Müller und Hummels liegen dürfte. Löw attestierte beiden grundsätzlich ein gutes Spiel, sah aber ebenfalls noch Luft nach oben: “Wie bei allen anderen” müsse auch bei ihnen noch „die Abstimmung verfeinert werden.”