Auf ungewöhnliche Art und Weise bedankt sich Eintracht Braunschweig bei Aufstiegscoach Marco Antwerpen: Der Verein setzt den Trainer vor die Tür. Weshalb das nur auf den ersten Blick erstaunlich ist.
Emotionale Achterbahnfahrten gehören für Anhänger von Eintracht Braunschweig dazu wie das Blaue zum Gelben. Doch zumindest nach dem Aufstieg hatten sich die „Löwen“ auf ein paar Wochen Ruhe gefreut. Allerdings befindet sich der Verein schon wieder mitten drin im nächsten Looping. Nachdem zuvor Torsten Lieberknecht zehn Jahre als Symbol für Kontinuität in Braunschweig stand, ist der Traditionsverein nun zum fünften Mal seit 2018 auf Trainersuche.
Am Dienstagnachmittag verkündete Eintracht Braunschweig: Der Verein und Aufstiegscoach Marco Antwerpen gehen zukünftig getrennte Wege. Nach stundenlanger Aufsichtsratssitzung am Montagabend habe man sich einstimmig dazu entschieden, die auslaufenden Verträge des Trainers und seiner Co-Trainer nicht zu verlängern. Für Außenstehende ein überraschender Schritt. Doch wer es mit den Okerstädtern hält, hatte ihn schon erwartet. Schließlich hatten sowohl Trainer als auch Verein während des kurzen Zeitraums ihrer Zusammenarbeit klare Bekenntnisse zueinander konsequent vermieden. Hartnäckigen Gerüchte zu Folge steht mit Daniel Meyer, ehemals Erzgebirge Aue, schon ein Nachfolger in den Startlöchern.
Warum mit dem Aufstiegscoach nicht verlängert wurde, ist vor allem mit der Zeit vor Corona zu begründen. Denn auch wenn am Ende der Aufstieg steht, der Saisonverlauf fühlte sich für die Blau-Gelben zwischenzeitlich eher nach Abstiegskampf an. Mit gerade einmal 64 Zählern ist Eintracht Braunschweig der punktschwächsten direkte Zweitliga-Aufsteiger seit 2012.
Die kurze Liaison mit Marco Antwerpen begann nach der überraschenden Entlassung von Christian Flüthmann im Herbst 2019. Dieser war furios gestartet, dann aber eingebrochen. Antwerpen, Drittliga-erfahrener Trainer, erhielt einen bis zum Ende der Saison gültigen Vertrag. Dessen Erfüllung begann er mit mäßigem Erfolg. In der Tabelle zwischen dem 16. und 27. Spieltag – dem Zeitraum der ersten zwölf Spiele unter Marco Antwerpen – rangiert die Eintracht lediglich auf dem 12. Tabellenplatz mit einem Schnitt von 1,3 Punkten pro Spiel. Zu wenig für einen Verein, der zwar nach außen nie den Aufstieg als Ziel ausgegeben hatte, finanziell aber eigentlich drauf angewiesen ist.
Nach der 0:3‑Niederlage bei Hansa Rostock, dem letzten Spiel vor der Corona-Unterbrechung, war eigentlich nur noch fraglich, ob Antwerpens Vertrag lediglich nicht verlängert oder sogar noch vorzeitig aufgelöst würde. In Rostock hatte die Mannschaft einen desaströsen Auftritt abgeliefert und dabei die eigene Einstellung – vorsichtig formuliert – zur Disposition gestellt. Dass die Entscheidung contra Antwerpen für einige Mitglieder des Aufsichtsrat schon damals feststand, liegt zumindest nahe.
Dann kam die Unterbrechung, von der wohl kein Verein im deutschen Profifußball so stark profitierte wie Eintracht Braunschweig. Die Pause kam zum sportlich gesehen richtigen Zeitpunkt. Außerdem wurden die Schwächen des Kaders in der neuen Situation zu entscheidenden Stärken. Der für den normalen Spielbetrieb viel zu große Kader erwies sich im engen Spielrhythmus der Restsaison als großer Vorteil. Auch die Austragung von Geisterspielen kam dem BTSV in dieser Situation eher gelegen. Die Eintracht-Fans können eine sehr wichtige Stütze sein, nach derart blutleeren Auftritten wie in Rostock aber auch eine Bürde.
Doch auch dank der Arbeit von Marco Antwerpen konnte der Verein derart großen Nutzen aus der Pause ziehen. Viele Spieler, die vor der Pause eher lustlose Auftritte hingelegt hatten, erwiesen sich mit Wiederbeginn als tragende Säulen. Allen voran Martin Kobylanski, der in den ersten zwölf Begegnungen unter Antwerpen viermal, in den elf Spielen nach der Unterbrechung dann aber gleich zwölfmal traf. Es gelang, charakterlich als schwierig geltende Spieler wie den in Karlsruhe ausgemusterten Marvin Pourié oder eben Kobylanski wieder zu einem intakten Mannschaftsgefüge zusammenzuschweißen.
Antwerpens mutige Entscheidung, mit zwei unterschiedlichen Startaufstellungen in Mittwochs- und Samstag-Spiele zu gehen, erwies sich als goldrichtig. Mantraartig wiederholte er auf jeder Pressekonferenz das Zauberwort Belastungssteuerung, mit der die Mannschaft schließlich die erfolgreiche Aufholagd meisterte. Auch der Erfolg des anfangs sehr umstrittenen Torwartwechsels zu Marcel Engelhardt, der in der Vorsaison einige Unsicherheiten und Fehler zu verantworten hatte, ließ seine Kritiker leiser werden. Engelhardt erwies sich als starker Rückhalt und hatte mit teils spektakulären Paraden Anteil am Erfolg im Saisonendspurt. Die Bilder der Aufstiegsfeierlichkeiten lassen erahnen, dass Marco Antwerpen gegen Ende seiner Amtszeit gutes Ansehen in der Mannschaft genoss. In der Krise erbrachte Marco Antwerpen ohne Frage eine außergewöhnlich Leistung.
Eine Leistung, die er nach der Sommerpause mit selbst ausgesuchten Neuzugängen hätte untermauern können. Dass ihm diese Chance nun verwehrt wird, mag manch einer für unfair erachten. Dennoch gab es in der Vergangenheit Trainerabgänge zwischen Harz und Heide, die mehr betrauert wurden. Antwerpen vermochte nicht zu begeistern. Es gelang ihm nie, einen Nachweis zu erbringen, dass Eintracht für ihn mehr war als ein Arbeitgeber. Etwas, dass die Braunschweiger-Anhänger nicht erst seit Torsten Lieberknecht von ihren Trainern erwarten. Sinnbildlich für die kriselnde Beziehung zum Verein stand sein schlecht gelaunter Auftritt auf der Pressekonferenz vor dem Auswärtsspiel bei der Spielvereinigung Unterhaching, als er zur Lokalmedienschelte ansetzte und von „Braunschweiger Befindlichkeiten“ redete.
Vielleicht wusste Marco Antwerpen schon damals, dass für ihn der Weg mit der Eintracht bald enden würde. Für ihn dürfte es auf jeden Fall ein Vorteil gewesen sein, dass auch die anstehenden Partien selbstverständlich Geisterspiele waren. Pfiffe gegen seine Person wären wohl vorprogrammiert gewesen. Nun geht er. Ohne Pfiffe, aber auch eben auch ohne Applaus.