Acht Punkte aus fünf Spielen: Die Ergebnisse bei Werder Bremen stimmen. Die Leistungen aber noch nicht. Fünf Thesen zu Bremens Saisonstart.
Offensiver Ballbesitz-Stil. Das ist, findet Werder-Trainer Florian Kohfeldt, noch immer der beste Weg, um zum Erfolg zu gelangen. Vor zwei Jahren hatte er Bremen mit diesem Fußball immerhin auf Rang acht geführt. Das Problem: Seinen bevorzugten Stil traut Kohfeldt seinen Spielern noch nicht zu. Diese brauchen für diese Art, Fußball zu spielen, nämlich vor allem eins: Selbstvertrauen. Und das ist während der katastrophalen vergangenen Saison komplett verloren gegangen.
Positive Ergebnisse, egal wie: So lautet Kohfeldts derzeitige Strategie. Punkte sollen das Selbstvertrauen stärken – und an Punkten mangelt es in Bremen derzeit nicht. Nach dem 1:1‑Unentschieden gegen Hoffenheim stehen sie mit acht Zählern auf Rang fünf der Tabelle. Nur eine Momentaufnahme? Oder geht Kohfeldts Taktik auf?
1. Werder ordnet alles der Stabilität unter
Trainer Kohfeldt hat in den ersten fünf Saisonspielen praktisch alles einer Frage untergeordnet: Wie schafft er es, seine Mannschaft defensiv zu stabilisieren? Vergangene Saison hat Werder Bremen 69 Gegentore kassiert, nur der SC Paderborn ließ mehr zu.
In dieser Saison stehen sie nach fünf Spieltagen bei sieben Gegentoren, vier davon gab es im ersten Spiel gegen Hertha. Während der Spiele machen sie defensiv seit Wochen eine bessere Figur. Kohfeldt achtet bei der Wahl seiner taktischen Formation darauf, das Zentrum zu verschließen. Seine Spieler sollen den Gegner dazu zwingen, den Pass auf die Außenverteidiger zu spielen. Hier schlägt Bremen entweder aggressiv zu – oder aber sie verschieben zum Ball und schließen die Passwege.
Die defensiven Abläufe der Bremer funktionieren wesentlich besser als noch in der vergangenen Saison. Gerade im Mittelfeld punkten die Bremer mit neu gewonnener Aggressivität.
2. Kohfeldt findet sein Mojo wieder
Kohfeldt gehört zu den jüngeren Trainern der Liga. Entsprechend modern taktiert er. Er wechselt häufig zwischen den Spielen die Formation seiner Mannschaft. Auch während Spielen wirkt er auf seine Mannschaft ein. Manchmal verändert er das taktische System seines Teams bereits nach zehn Minuten.
In der vergangenen Saison lag Kohfeldt mit seinen taktischen Wechselspielchen nicht immer richtig. Zu selten gelang es ihm, die Stärken des Gegners zu neutralisieren und die Schwächen seines Teams zu kaschieren.
Das funktioniert in dieser Spielzeit besser. Beispiel Hoffenheim-Spiel: Kohfeldt hat seine Mannschaft in dieser Partie in einem unorthodoxen 5 – 2‑2 – 1‑System aufgestellt. Die beiden Außenstürmer Leonardo Bittencourt und Josh Sargent rückten ständig in die Mitte. Damit konterte Bremen das System des Gegners. Das sah vor, mit dem einrückenden Rechtsverteidiger Sebastian Rudy eine Überzahl im Zentrum zu schaffen. Kohfeldt gewann das taktische Duell mit dem gegnerischen Trainer Sebastian Hoeneß. Das war ihm in der vergangenen Saison zu selten gelungen.
3. Offensiv ist Werder schwach
Kohfeldts Plan sah im ersten Schritt vor, das Team defensiv zu stabilisieren und Ergebnisse zu holen. Die Offensive möchte er erst im zweiten Schritt angehen. Das spürt man: Bremen ist offensiv genauso harmlos wie in der vergangenen Saison.
Zu selten gelangt Werder in den gegnerischen Strafraum. Gerade einmal fünf Schuss pro Spiel geben die Bremer im Schnitt im gegnerischen Sechzehner ab. Damit befinden sie sich auf einem Niveau mit den Abstiegskandidaten wie Bielefeld, Schalke und Mainz und weit hinter Teams wie Stuttgart, Frankfurt oder Union (acht).
Es fehlt insbesondere ein Spieler, der Szenen aus dem Rückraum kreiert oder überraschend aus dem Mittelfeld nachstößt. Als Maximilian Eggestein dies gegen Hoffenheim tat, gelang ihm direkt ein Tor. Solche Vorstöße sieht man von Eggestein jedoch nur noch selten, seit er auf der Sechser-Position ran muss.
4. Hohe Abhängigkeit von Füllkrug
Das Spiel gegen Hoffenheim legte ein weiteres Problem offen: Im Angriff ist die Mannschaft abhängig von ihrem Stürmer Niclas Füllkrug. Er erzielte vier der sieben Bremer Saisontore. Als er gegen Hoffenheim verletzt ausgewechselt wurde (37.), fehlte dem Bremer Spiel ein wichtiges Element: Füllkrug sorgt für Tiefe im eigenen Ballbesitzspiel und Präsenz im gegnerischen Strafraum.
Werder hat keinen Ersatzmann auf Füllkrugs Niveau. Davie Selke fehlte verletzt gegen Hoffenheim. Der ehemalige Berliner ist aber seit seinem Wechsel ohnehin den Beweis schuldig geblieben, dass er auf Füllkrugs Niveau agieren kann. Gegen Hoffenheim wechselte Kohfeldt stattdessen Yuya Osako ein. Mit dem Japaner als Stürmer fehlte Bremens Spiel jeglicher Zug zum Tor.
5. Mbom verkörpert den Geist der Mannschaft
Nachdem in den vergangenen Jahren Offensivspieler wie Max Kruse, Milot Rashica und Füllkrug die Bremer Mannschaft prägten, sticht in dieser Saison ein anderer Spieler hervor: Jean-Manuel Mbom. Er kam in dieser Saison bereits als Rechtsverteidiger, Linksverteidiger sowie im offensiven Mittelfeld zum Einsatz. Auf allen Positionen überzeugte er mit Körperlichkeit und Laufstärke im Spiel gegen den Ball. Kreativität ist hingegen nicht seine Stärke.
Mbom verkörpert ein Stück weit das neue Bremen: Maloche statt Schönspielerei, defensive Robustheit statt spielerischer Klasse. Mit dieser Strategie hat Kohfeldt wichtige Punkte im Kampf gegen den Abstieg gesammelt. Möchte Werder mehr erreichen als nur den Klassenerhalt, muss Kohfeldt diese Basis nutzen, um sein Team auch offensiv weiterzuentwickeln. Aber das hat er ja ohnehin so geplant.