Vadim Laschenko will sich zu Lettlands Verbandschef wählen lassen. Er und seine Gönner zahlen den Delegierten sogar Anreise und Hotel. Doch das ist nicht alles.
Nicht nur die Vertreter von Riga United wunderten sich über das Schreiben. Per Rund-Mail lud ein gewisser Vadim Laschenko hochrangige Vertreter zahlreicher lettischer Fußballvereine für Donnerstag, 26. April 2018 zu einer Tagung ein: „Im Rahmen der Konferenz wird es möglich sein, die Meinung europäischer und lettischer Experten über die Entwicklungsperspektiven des Fußballs kennenzulernen, an Podiumsdiskussionen teilzunehmen und am Ende der Konferenz die aktuellen Ereignisse einzeln zu diskutieren“, heißt es in der Mail.
Reise‑, Hotel‑, und Parkkosten würden selbstverständlich für alle Teilnehmer übernommen, versprach Laschenko. Wie praktisch. Denn tags darauf – am Freitag, 27. April – soll an selber Stelle von den wahlberechtigten Verbands- und Vereinsdelegierten des Landes der neue Präsident des lettischen Fußballverbandes LFF gewählt werden. Als aussichtsreichster Kandidat gilt: der spendierfreudige Vadim Laschenko.
Ein Wettanbieter mischt auch mit
Als André Kliese, deutsches Vorstandsmitglied von Riga United, das fragwürdige Angebot Laschenkos an die Vereinsdelegierten per Tweet öffentlich machte, wurden sofort Fragen laut. Zum Beispiel diese: Wer finanziert eigentlich die Reise‑, Hotel- und Parkkosten – Laschenko selbst? Das wollte der Kandidat nicht verraten, man darf jedoch von einem Gönner ausgehen, denn Vadim Laschenko hat große Unternehmen im Rücken, die ihn gern als Verbandschef sähen.
So bot laut des Nachrichtenportals delfi.lv ein Wettanbieter namens Optibet dem lettischen Verband 100.000 Euro für den Fall, dass Laschenko Präsident werde. Dieser soll den Brief sogar persönlich beim Verband abgegeben haben, zusammen mit seinem Lebenslauf und anderen Wahlunterlagen.
Uefa und Fifa unternehmen – nichts
Aufgedeckt hat den delikaten Vorgang Laschenkos Gegenkandidat Kaspars Gorkšs, dessen Anwalt Ivo Klotins dem Laschenko-Lager massive Beeinflussung der Wahlberechtigten und – zwischen den Zeilen – sogar Bestechung unterstellt. „Wir glauben, dass externer Einfluss stattgefunden hat“, mahnt Klotins, „und wir müssen die Bedeutung der Auswirkungen auf die Wahl, die am Freitag stattfinden wird, bewerten.“
Gorkšs fügte hinzu, er habe die komplette Angelegenheit gegenüber dem Verband LFF sowie der Uefa und der Fifa sorgfältig dokumentiert. Unternommen haben diese nach allem, was bislang bekannt ist – nichts. Und das, obwohl die Statuten der LFF und der internationalen Verbände Wahlbeeinflussungen von innen sowie von außen strengstens untersagen.
Buchmacher Optibet scheint sich derweil ziemlich sicher zu sein, dass seine flankierenden Maßnahmen Wirkung zeigen und der Wunschkandidat bei der Abstimmung durchkommt: Geht es nach den Wettquoten des Unternehmens, ist Vadim Laschenko nämlich klarer Wahlfavorit. Doch Optibet ist nicht der einzige Player aus der Wirtschaft, der ein starkes Interesse an einem Sieg Laschenkos hat. Auch die französische Hotelkette Accorhotels soll der LFF eine schriftliche Zuwendungszusage für den Fall eines Wahlsieges von Laschenko unterbreitet haben – in Höhe von 95.000 Euro.
Für lettische Verhältnisse ist das ein Vermögen.
Dass der Verband die beiden Zuwendungszusagen zunächst elegant unter den Teppich gekehrt hatte, wirft natürlich weitere Fragen auf, half aber letztlich nichts: Ausgerechnet Maris Verpakovskis, jene Fußballikone, die Lettland zur EM 2004 in Portugal schoss, machte die Briefe öffentlich. Verpakovskis ist heute Boss des Topklubs FK Liepaja – und als solcher bei der Präsidentenwahl stimmberechtigt. Der Ex-Stürmer lässt im Vorfeld deutlich durchklingen, dass er Laschenko misstraut.
Ivo Klotins, Anwalt des Gegenkandidaten Gorkšs, enthüllte derweil ein weiteres interessantes Detail: Die Zuwendungszusagen von Optibet und Accorhotels seien in Form und Inhalt quasi identisch und eigentlich nur durch den Briefkopf sowie den Namen des jeweiligen Unternehmens unterscheidbar. Klotins ist deshalb sicher, dass Vadim Laschenko selbst den Text diktiert hat, um beim Verband und seinen Delegierten die maximale Wirkung zu erzielen. Stellt sich die Frage: Welche Vorteile versprechen sich ein Wettunternehmen und eine Hotelkette von einem Verbandspräsidenten namens Laschenko?
Verzweifelter Appell
Man muss kein besonders argwöhnischer Zeitgenosse sein, um zu kapieren: Diese Wahl hat ein Geschmäckle. Mindestens. Denn laut André Kliese, dem Vorstandsmann von Riga United, gibt es weitere Ungereimtheiten. In Internetforen ist von Bestechung von Vereinsfunktionären die Rede. Zudem kursieren Berichte über Klubs, die gerade erst neu gegründet worden sein sollen. Angeblich haben einige dieser Vereine, deren Delegierte nun ebenfalls abstimmen dürfen, nur eine Handvoll Mitglieder und können gar keinen Spielbetrieb auf die Beine stellen. Aber das ist wohl nicht der wahre Zweck ihres Bestehens.
Laschenko-Gegenkandidat Kaspars Gorkšs appelliert derweil verzweifelt an das Gewissen der Wahlberechtigten, den von Korruption erschütterten lettischen Fußball vor dem endgültigen Verfall zu retten: „Wir machen gerade eine schwierige Phase durch. Der lettische Fußball ist deshalb im Zwiespalt und es hängt weitgehend von Ihnen ab, wie sauber, ethisch und ehrlich er ist – und welches Signal wir der jungen Generation senden werden“, sagt Gorkšs. „Ich bin nicht dazu da, jemanden zu bestrafen oder anzuklagen, sondern um zu informieren. Nun müssen Entscheidungen getroffen werden von den Mitgliedern, die abstimmen.“
Dass die Wahl aufgrund der jüngsten Enthüllungen verschoben wird, glaubt das Gorkšs-Lager übrigens nicht. Anwalt Klotins betont: „Der Kongress wurde einberufen, er muss stattfinden. Und die Wahlen sind nun mal vorgesehen. Was am Freitag passiert, werden wir sehen. Aber nach der Wahl gibt es rechtliche Mittel, um die Ergebnisse in Frage zu stellen.“