Pep Guardiolas Vorgänger Frank Rijkaard war beim FC Barcelona überaus erfolgreich, danach nicht mehr. Warum sollte das bei Guardiola anders laufen? Wir haben nachgefragt bei Roger Torelló, einem Redakteur von „Mundo Deportivo“, der zweitältesten Fußballzeitung Europas.
Josef „Pep“ Guardiola hat als Trainer von Barcelona in vier Jahren 14 Titel gewonnen. Kann er diesen hohen Erwartungen überhaupt gerecht werden?
Man darf nicht vergessen, dass Guardiola vor nicht allzu langer Zeit noch die zweite Mannschaft von Barcelona trainiert hat. Als er damals in die erste Mannschaft aufstieg, gab es auch viele Zweifel, ob er mit großen Spieler wie Ronaldinho und Eto´o zurechtkommen würde. Seine ersten beiden Spiele als Cheftrainer von Barcelona waren auch prompt eine Niederlage und ein Unentschieden.
Danach ging es allerdings steil bergauf.
Nach ein paar Siegen hatte keiner mehr Zweifel, am Ende wurde Barca nach zahlreichen Kantersiegen mit neun Punkten Vorsprung spanischer Meister und besiegte Manchester United mit 2:0 im Champions-League-Finale.
Allerdings war Guardiola mit dem Spielsystem von Barcelona schon vor seinem Amtsantritt 2008 sehr vertraut. Kann er mit den Bayern überhaupt einen ähnlichen Erfolg haben?
Bei seiner Qualität als Trainer: ohne Zweifel. Auch wenn er Barcelona viel besser kannte als Bayern, wird er sich in der Bundesliga durchsetzen. Guardiola ist ein akribischer Arbeiter – er wird sich keine Pause gönnen, bis er in Deutschland ein ähnliches Ergebnis wie mit dem FC Barcelona erzielt hat. Zudem glaube ich, dass er sich noch ausgiebig mit der Geschichte, der Spielweise und dem Kader des FC Bayern beschäftigen wird, bevor er dort anfängt.
Wird er das erfolgreiche Barca-System auf die Bayern übertragen können?
Wenn er noch den ein- oder anderen Spieler verpflichtet, kann er das erfolgreiche „Tiki-Taka“ zweifellos auch bei den Bayern spielen lassen. Er braucht lediglich genügend Spieler, die gut im Kurzpasspiel und ballsicher sind. Die Bayern sollen ja angeblich schon an dem vielversprechenden Mittelfeldspieler Isco dran sein (offensiver Mittelfeldspieler vom FC Malaga, d. Red.).
Könnten Sie sich vorstellen, dass Guardiola sich für die Zusammenstellung seines Kaders auch beim FC Barcelona umsieht?
Guardiola ist bei Barca und in Katalonien immer noch sehr beliebt. Das will er sicher nicht aufs Spiel setzen. Für die meisten hier ist er immer noch Teil des Vereines und er besitzt genug Anstand, keine Leistungsträger der ersten Mannschaft wegzukaufen. Zudem will er eines Tages bestimmt zurückkommen, vielleicht ja als Präsident. Da wäre es eher rufschädigend, wenn er jetzt Barcelonas beste Spieler verpflichten würde.
Inwiefern wirkt sich die Verpflichtung Guardiolas auf die internationale Wahrnehmung der Bundesliga aus?
In Spanien kannten sich bislang nur die größten Fußball-Nerds mit der Bundesliga aus. Eigentlich interessiert sich hier kaum jemand für die deutsche Liga. Zweifellos wird sich das durch die Verpflichtung von Guardiola gewaltig ändern. Insbesondere natürlich in Katalonien und Barcelona.
Die englischen Fans waren schockiert, dass Guardiola nicht in die Premier League geht. Verstehen Sie Ihren Schock?
Mich hat es auch total überrascht. Ich habe gedacht, dass er als Nachfolger von Alex Ferguson zu Manchester United geht.
Was glauben Sie, warum Bayern am Ende das Rennen gemacht hat?
Auf jeden Fall hätte er bei Chelsea und United vom ersten Tag an gewinnen müssen. Bei Bayern gibt es zwar auch eine Menge Druck, aber vielleicht hat man dort mehr Geduld. Und Uli Hoeneß und sein Stab haben definitiv mehr Fußballsachverstand als die Besitzer von Chelsea und City, wo jeweils nur eine Person alle Fäden in der Hand hält.