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Seite 3: „Messi hasst die Öffentlichkeit“

2000 Kilo­meter ent­fernt in Argen­ti­niens dritt­größter Stadt Rosario erin­nert kein Schild an Messi, weder an seinem Eltern­haus im Viertel Las Heras noch auf dem nah gele­genen Fuß­ball­platz. Selbst im Club­haus seines alten Ver­eins Newells Old Boys ist kein Foto zu sehen. Man denke über ein Museum nach, heißt es in der Stadt­ver­wal­tung, aber noch sei nichts geplant. Ein Insti­tuto Messi ist völlig undenkbar. Er würde nie­mals Vor­träge über Gott oder Zahn­hy­giene halten. Es fällt ihm ja schon schwer, Guten Tag“ raus­zu­kriegen.

Sein Freund Diego Bal­lejos sagt: Leo will das alles nicht. Er hasst die Öffent­lich­keit. Er ist ein scheuer Typ. Warum soll er auch reden? Hat Mozart geredet?“
Es ist ein guter Punkt. Er kon­tert diesen absurden Anspruch vieler Reporter, dass Ball­künstler etwas zu sagen haben müssen.

Wer hat Messi ent­deckt? Wenn über­haupt seine Groß­mutter“

Bal­lejos steht vor einem Graf­fiti, das er auf der Spiel­platz­mauer im Viertel anfer­tigen ließ. Darauf ist Messi im Natio­nal­trikot zu sehen, mit den Parolen: Gewalt sind nicht nur Schläge“ und: Blut– und Organ­spenden schenken Leben.“ Einen Ent­de­cker? – Gab es nicht“, sagt Bal­lejos. Er denkt etwas länger nach. Wenn über­haupt, dann seine Groß­mutter Celia. Die hat Leos Eltern über­redet, ihm Fuß­ball­schuhe zu kaufen. Sie hat ihn auch zum Trai­ning gebracht und den Trainer über­zeugt, ihn ein­zu­setzen, obwohl er viel jünger als alle anderen war.“ 

Diego Bal­lejos, 27, wohnt noch immer in der­selben Straße, Estado Israel. Hier wuchs er mit Messi auf, in einer ähn­lich armen Gegend wie Neymar. Die Straßen sind zwar beto­niert, aber löchrig. Taxi­fahrer setzen einen an der Haupt­straße ab und ver­schwinden schnell. Das Viertel auf der berüch­tigten Süd­seite von Rosario liegt im umkämpften Ter­ri­to­rium zweier Dro­gen­banden. 

Sie kickten auch in der Kloake

Diego beschreibt ihre Kind­heit als große Frei­heit. Sie ver­lief in etwa so, wie Messi heute Fuß­ball spielt. Sie klauten zusammen Man­da­rinen aus den Gärten, sie schlüpften durch den Zaun der Mili­tär­basis und spielten dort Fuß­ball. Sie kickten selbst in über­flu­teten Straßen, wenn es geregnet hatte, auch in der Kloake“. Es klingt wie eine Kind­heit aus den Tagen Alfredo di Ste­fanos. An einen Trainer oder gar Mentor, einen wie Bet­inho, erin­nert er sich nicht. 

Messi brauchte keinen Ent­de­cker. Das ist die Stan­dard­ant­wort, die man auf der Suche in Rosario erhält. Er hat sich selbst ent­deckt. Nur auf dem Bolz­platz seines ersten Ver­eins Gran­doli und dem Trai­nings­ge­lände seines zweiten Klubs Newells findet man Betreuer, die einen Anteil am Erfolg gehabt haben wollen. Es fallen Sätze wie: Ich legte ihn auf Tem­po­dribb­lings fest.“ Ich war sein erster rich­tiger Tech­nik­trainer.“ Aber man kann sie getrost ver­gessen. Messis erster Trainer ist ver­storben. Der zweite war sein Vater Jorge.

Bruno Mila­nesio, Messis Freund und dama­liger Mit­spieler, sagt: Mit Leo war es leicht. Er brauchte weder einen Coach noch Moti­vator. Er ist einer von der Sorte, der man den Ball gibt und sie spielen lässt. Er spielte damals genauso wie heute. Er lässt sich nicht formen.“

Er sitzt im Bus und spritzt sich Wachs­tums­hor­mone“

Mila­nesio, 27, sitzt in einem Café im Zen­trum Rosa­rios und erkun­digt sich, ob man ihn nicht in der dritten Liga in Deutsch­land unter­bringen könne. Er ist in der Regio­nal­liga ste­cken­ge­blieben und bekommt seit Monaten kein Gehalt. Er sieht den Erfolg Messis vor allem in seinem unbän­digen Willen begründet. Nichts habe ihn so ange­sta­chelt wie diese Demü­ti­gungen und Zweifel. Er war immer der Kleine, der Zwerg. Mir geht eine Szene nicht aus dem Kopf. Er sitzt im Bus und spritzt sich Wachs­tums­hor­mone. Er hatte immer seine Spritzen in einer Kühlbox dabei. Daran kannst du zer­bre­chen – oder in dir brennt ein Feuer, wie bei Leo.“

Als Messis eigent­li­cher Ent­de­cker gilt heute Carles Rexach, Sport­di­rektor des FC Bar­ce­lona. Newells wollte damals, im Jahr 2000, die kom­pli­zierte Behand­lung mit Wachs­tums­hor­monen nicht kom­plett bezahlen, 900 Dollar im Monat sollte sie kosten. Auch River Plate nicht, Argen­ti­niens größter Verein. Er war ihnen, trotz des Talents, zu klein. Da brachte Jorge Messi seinen 13-jäh­rigen Sohn nach Europa und bot ihn anderen Klubs an.