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Robert Claus, am Samstag spielte der Chem­nitzer FC aus­wärts beim Hal­le­schen FC. Daniel Frahn, ver­letzter Kapitän, stand wäh­rend des Spiels neben Mit­glie­dern der rechten Gruppen Kaotic Chem­nitz und NS-Boys im Gäs­te­block. Eine unglück­liche Moment­auf­nahme oder wusste er, neben wem er stand?

Spä­tes­tens seit der T‑Shirt Aktion im März, als er im Spiel gegen Alt­glie­nicke ein Shirt mit der Auf­schrift Sup­port your local hools“ hoch­hielt, muss ihm bewusst gewesen sein, dass er beob­achtet wird. Soweit ich weiß, stand er nicht nur mit den Leuten im Block, son­dern ist mit Teilen der rechten Szene gemeinsam ange­reist. Ihm muss also bewusst gewesen sein, neben wem er dort stand.

Er ist also im engeren Umfeld der Gruppen?

Es deutet sich an. Offen­sicht­lich hat er nicht ent­spre­chend darauf reagiert, dass er seit März im Fokus steht.

Wie ist der Kon­takt zwi­schen Frahn und den Grup­pie­rungen zustande gekommen?

Sagen wir es so: Es besteht nicht viel Anlass zu denken, dass Daniel Frahn da unge­wollt in eine unglück­liche Situa­tion hin­ein­ge­raten ist. Das ist Unsinn.

Gibt es zwi­schen den auf­ge­lösten NS-Boys und Kaotic Chem­nitz Über­schnei­dungen? Wie sind die Gruppen orga­ni­siert?

Es gibt durchaus Per­so­nal­über­schnei­dungen. Beide sind extrem rechte Fan­gruppen, die sowohl Ele­mente von Ultra als auch von Hoo­li­ga­nismus bedienen. Sie stellen seit Jahren das Gewalt- und Macht­mo­nopol inner­halb der Fan­szene. Aber diese Debatte darf nicht nur auf diese beiden Gruppen beschränkt werden, son­dern muss auf den Sozi­al­raum Chem­nitz aus­ge­weitet werden. Schaut man sich jugend­kul­tu­relle, rechte Erleb­nis­welten an, dann sind Hoo­li­ga­nismus, Fuß­ball und Rechts­rock dafür ganz wichtig. Figuren wie der ver­stor­bene Hoo­ligan Thomas Haller waren immer in meh­reren Berei­chen aktiv. Inso­fern muss man immer das gesamte extrem rechte Milieu ver­stehen, um zu wissen, wie gut Gruppen wie Kaotic Chem­nitz oder NS-Boys orga­ni­siert und ver­netzt sind. Auch wenn sie selbst gar nicht so groß sind.

Wie erfolg­reich liefen die Auf­räum­ar­beiten“ des Chem­nitzer FC nach den Gescheh­nissen im März, als der Verein auf­grund der Trau­er­feier vor dem Spiel gegen Alt­glie­nicke für den beken­nenden Neo­nazi Thomas Haller bun­des­weit Schlag­zeilen machte?

Man kann es noch nicht kom­plett absehen. Die Kün­di­gung von Frahn ist ein sehr ent­schei­dender Schritt, der eine ganz große Kon­se­quenz ver­muten lässt. Bei den Pro­jekten, die der Verein ent­wi­ckelt, sind die ent­schei­denden Fragen, wie sie lang­fristig qua­li­tativ wirken. Ein aus anderen Orten bekanntes Pro­blem ist, dass sich kurz­fris­tiger Aktio­nismus meis­tens nicht lange trägt, son­dern die Pro­jekte und Prä­ven­ti­ons­maß­nahmen dann wirken, wenn sie wirk­lich über Jahre und Jahr­zehnte durch­ge­führt werden. 

Kann man denn von einem gesamten Umdenken im Verein spre­chen?

Ich kann von außen nur beur­teilen, dass die Kün­di­gung von Daniel Frahn sehr kon­se­quent ist. Der Klub wurde offenbar zu einem starken Umdenken bewegt, inso­fern liegt in so einer Kata­strophe wie dem Haller-Gedenken auch eine Chance. Indem der Verein das Ruder her­um­reißt.

Und von­seiten der Fans?

Im Früh­jahr wurde die Gruppe CFC-Fans gegen Ras­sismus“ gegründet. Dass es diese Initia­tive gibt, ist Gold wert. Bisher war Chem­nitz einer der wenigen Stand­orte im deut­schen Fuß­ball, an dem es über­haupt keine anti-ras­sis­ti­sche Fan­in­itia­tive gab. Es fehlte bisher ein Gegen­ge­wicht, zivil­ge­sell­schaft­li­ches und anti-ras­sis­ti­sches Enga­ge­ment. Wenn der jetzt langsam ent­steht und vom Verein lang­fristig geför­dert und gestützt wird, dann sind sie auf dem rich­tigen Weg.

Wie geht es mit dem Verein weiter? Kann das ram­po­nierte Image von dem Raus­wurf pro­fi­tieren?

Ich würde das nicht nur auf einen Image­ge­winn beschränken. Wenn ein Verein einen seiner Top-Spieler auf­grund sol­cher Vor­fälle kün­digt, hat offen­sicht­lich ein starkes Umdenken im Verein selbst statt­ge­funden. Und wichtig ist, dass solche Dinge mitt­ler­weile viel kri­ti­scher behan­delt werden, als noch vor einem halben Jahr. Der Image­ge­winn ist nur eine Folge davon.

Scheinbar wird Daniel Frahn in rechten Fan­kreisen gerade zum Mär­tyrer erkoren. Wird er eine neue Sym­bol­figur für rechte Fans?

Das ist mög­lich. Die Frage ist: Will Daniel Frahn noch weiter Fuß­ball spielen? Er hätte ja even­tuell noch ein paar Jähr­chen, auch im höheren Fuß­ball­be­trieb. Die Frage, ob er eine neue sport­liche Heimat findet, hängt wahr­schein­lich sehr eng mit der Frage zusammen, wie er sich in den nächsten Tagen ver­hält.

Manche Fans meinen, dass der Chem­nitzer FC diese wei­tere Ent­glei­sung von Daniel Frahn zum Vor­wand genommen hat, sich eines gut bezahlten Spie­lers zu ent­le­digen. Der Verein ist finan­ziell nicht auf Rosen gebettet.

Dass der CFC finan­zi­elle Que­relen hat, ist zwar bekannt, aber so detail­liert kann ich das nicht beur­teilen. Und es ändert auch nichts daran, dass die Ent­schei­dung, ihn zu kün­digen, richtig ist. Das macht den poli­ti­schen Anteil, die Hal­tung dahinter, nicht weniger wert­voll. 

Robert Claus wurde 1983 in Ros­tock geboren und stu­dierte Euro­päi­sche Eth­no­logie und Gender Stu­dies an der Hum­boldt-Uni­ver­sität zu Berlin. Er gilt als Experte für Rechts­extre­mismus und Hoo­li­ga­nismus. 2017 erschien sein Buch Hoo­li­gans. Eine Welt zwi­schen Fuß­ball, Gewalt und Politik“. Zur Zeit arbeitet er bei der Kom­pe­temzgruppe Fan­kul­turen und Sport bezo­gene Soziale Arbeit“ in Han­nover.