„Ich bin extrem belastbar und zäh. Als ehemaliger Torhüter bin ich ein Einzelkämpfer, als Mannschaftssportler aber auch teamfähig.“ Das sagt Eike Immel (47), 534 Bundesligaspiele hat der gute Mann auf dem Konto, war Nationaltorwart. Doch Immels Aussage ist kein fett gedruckter Ausschnitt aus seiner Bewerbungsmappe für neue Trainertätigkeiten, Immel sagt das, weil er ins „Dschungel-Camp“ von RTL („Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“) geht. Noch schlimmer: Er ist schon längst da und wühlt sich seit Tagen vor den Augen der geiernden TV-Öffentlichkeit durch Kakerlaken-Berge und klettert in miefige Abwasserschächte.
Wie konnte das passieren? Die Antwort ist einfach: Der 19-fache Nationaltorsteher braucht Geld, er ist pleite, leidet unter starker Hüftarthrose und hatte zuletzt noch nicht einmal das Geld für eine notwendige Hüft-OP. „Das ist meine Motivation, da muss man auch keine anderen Gründe dazuerfinden“, erklärt Immel seine vertrackte Situation. Der reflexstarke Torhüter, einst D‑Mark-Millionär, hatte schon immer ein spezielles Verhältnis zum lieben Geld. Als 17-jähriger gab er 1978 im Dress von Borussia Dortmund ausgerechnet gegen die großen Bayern aus München sein Profidebüt, der Beginn einer erfolgreichen und langen Karriere. Ein Jahr später hatte der Neureiche Jungspund bereits seinen ersten Porsche zersägt. Nach 247 Spielen für den BVB wechselte Immel 1986 zum VfB Stuttgart und feierte dort unter Christoph Daum mit der Deutschen Meisterschaft 1992 seinen größten Erfolg. Wäre er nicht nach der EM 1988 erbost zurückgetreten, weil Teamchef Franz Beckenbauer im ersten Spiel nach dem Turnier dem jungen Bodo Illgner den Vorzug gab, hätte Immel gute Chancen gehabt, 1990 in Italien als erster Mann zwischen den Pfosten zu stehen.
„Ich bin ein freigiebiger Mensch“
Am Hungertuch hat er allerdings trotzdem nicht nagen müssen, doch „ ich bin ein freigiebiger Mensch. Wenn jemand etwas gebraucht hat, habe ich es ihm gegeben. Darin kann man sich auch nicht ändern“, sagt der Ex-Profi. Toni Schumacher formulierte es in seinem Torwart-Epos „Anpfiff“ etwas drastischer: „Eike Immel pokert wie ein Süchtiger. Oft sah man, wie er sich völlig gerupft auf sein Bett warf. Nicht selten wurde um 20.000 bis 30.000 Mark gespielt.“
Solche Aussagen dementiert der im hessischen Stadtallendorf geborene Immel rigoros, wohl aber nennt er andere Gründe, die ihn letztlich ins „Dschungel-Camp“ und in die Fänge der unsäglichen Moderatoren Sonja Zietlow und Dirk Bach trieben: Wie nicht wenige Berufskollegen verspekulierte Immel sich mit verschiedenen Bauherrenmodellen, seine Ehe mit Stefanie ging in die Brüche, die Scheidung kostete den ehemaligen Millionär eine enorme Summe. Und noch gar nicht lange ist es her, da stieg Immel ins Nobelkarossen-Geschäft ein. Zwar nicht mit Maurizio Gaudino als Geschäftspartner, aber dennoch wurde der Hesse hintergangen und betrogen. „Ich wollte nur ein Auto mieten, war zu gutgläubig, bin eingestiegen und auf einen Betrüger reingefallen.“
Beim VfB Stuttgart blieb Immel bis zur Saison 1995/96, und musste dort die Leiden eines alternden Torhüters ertragen: Sein damaliger Trainer Rolf Fringer gab überraschend Nachwuchstorwart Marc Ziegler den Vorzug, Immel wechselte noch in derselben Saison zu Manchester City. Nach 43 Premier-League-Partien beendete Immel seine Karriere. Statistisch gesehen, müsste er eigentlich als schlechtester Keeper der Bundesliga-Geschichte gelten, insgesamt musste er 829 Bälle aus dem eigenen Netz fischen. Derlei Einschätzungen sind natürlich abwegig, Immel war ein phasenweise phantastischer und über lange Jahre souveräner, weil sicherer Rückhalt für seine Klubs. Nicht ohne Grund landet er – der Vor- und Nachteil des deutschen Statistik-Triebes – in der Rangliste bei den meisten „Zu-Null-Spielen“ (147) auf Platz drei, hinter Oliver Kahn und Oliver Reck.
1999 stieg der ehemalige Torwart ins Trainergeschäft ein, und führte den württembergischen Verbandsligisten VfR Heilbronn auch gleich mal in die Oberliga – übrigens nach Siegen in der Aufstiegsrelegation gegen die TSG Hoffenheim (damals noch ohne wichtigen Gründungsdatenzusatz). Später wechselte er in die Türkei, sein alter Vertrauter Christoph Daum hatte gerufen, und Immel machte seine Sache als Torwarttrainer gut. Sehr gut sogar, wenn es nach dem eigenen Empfinden geht. Denn Torhüter schulen und ausbilden, „das kann ich sehr gut, darin liegt meine Stärke. Bei den Vereinen, bei denen ich tätig war, habe ich Nationaltorhüter hervorgebracht“, hat er den Medien erzählt. Mit gutem Recht, Volkan Demirel war bei Fenerbahce Istanbul sein Zögling, der Österreicher Thomas Mandl war es bei Austria Wien.
„Seit zwei Jahren hänge ich zu Hause rum“
2005 stoppte allerdings Arthrose in beiden Hüftgelenken die zweite Karriere . Er beendete seine Engagement in der Türkei, sei zwei Jahren ist er ohne Arbeit. „Es ist schlimm, wenn du arbeiten willst und hast keinen Job. Seit zwei Jahren hänge ich zu Hause rum“, zeigte sich Immel von der Situation sichtlich verzweifelt. Im Mai vergangenen Jahres musste er schließlich einen Offenbarungseid leisten, der Gerichtsvollzieher stand vor Immels Tür. Der Tiefpunkt seiner Karriere.
Immerhin: Die fest gewachsenen Kontakte aus alten Bundesligazeiten haben teilweise gehalten, die Liga vergibt ihren Sündigen. Über die hervorragender RTL-Kontakte von Rainer Calmund bekam Immel das Angebot für „Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“, Christophs Daum vermittelte ihm einen erstklassigen Arzt für den intensiven Eingriff an der Hüfte.
Bis dahin muss Immel noch viele Würmer herunterwürgen, schwachsinnigen Dialogen von Schlager-Barde Bata Ilic und Michaela Schaffrath – die die (Männer-)Welt eher als Gina Wild kennt – lauschen und versuchen, die Stimme in seinem Kopf auszuschalten, die ihm die groteske Peinlichkeit seiner Situation einflüstert. Und doch soll das „Dschungel-Camp“ in Australien für den kranken, finanziell abgebrannten Immel eine Art Neuanfang sein. Er ist alt und braucht das Geld.
Der Termin für Immels Hüft-OP ist übrigens der Aschermittwoch, er legt sich in Köln unter das Messer. Möglich, dass er dann als Depp der Nation gilt. Aber für solche Typen haben sie ja in der Faschingszeit in Köln eine ganz besondere Zuneigung gepachtet.
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Autor Alex Raack betreibt den beidfüßigen Blog 3eckeneinelfer.de www.3eckeneinelfer.de