Wer braucht die Bundesliga, wenn es den DFB-Pokal gibt?
Es war nicht das einzige Duell zweier Mannschaften mit ungleichen Voraussetzungen, bei dem der vermeintlich Großkopferte in böse Kalamitäten geriet. So musste der 1.FC Union Berlin am Waldhof immerhin in die Verlängerung, während der in der Bundesliga noch ungeschlagene SC Freiburg an der Bremer Brücke in Osnabrück so knapp vor der ersten Niederlage stand wie noch in keinem Ligaspiel. Ganz zu schweigen von Bayer Leverkusen, das gegen den KSC am Ende ziemlich schmucklos die Segel strich.
Was für eine historische Schmach! Der FC Bayern verliert 0:5 gegen Borussia Mönchengladbach. Was waren die Gründe für die größte Klatsche seit Jahrzehnten?
Und dann war da am Ende noch der komplette Systemabsturz der Bayern, die zum zweiten Mal in Folge bereits in der zweiten Runde jenes Wettbewerbs ausschieden, den sie so oft gewonnen haben wie niemand sonst. War das Aus bei Holstein Kiel in der Vorsaison noch bedingt erklärbar (fehlendes Spielglück, Schietwetter, eiskalte Kieler), sorgte der desolate Münchner Auftritt beim 0:5 im Borussia-Park für Fassungslosigkeit. Tatsächlich mag die Demontage zumindest ein wenig mit den Nebenschauplätzen der letzten Tage zu tun gehabt haben, als sich Joshua Kimmich ohne Not ins Impfabseits manövrierte und Lucas Hernandez für ein paar Tage mit einem Bein im Gefängnis stand. Dennoch bleibt der unbewiesene, aber hartnäckige Eindruck, dass solch ein Spiel in der Bundesliga nicht denkbar gewesen wäre.
Warum das so ist? Vielleicht, weil es dafür die spezielle Chemie eines Pokalspiels braucht, in der die üblichen Gesetzmäßigkeiten des Profifußballs manchmal für einen Tag keine Rolle spielen. Wenn die Gladbacher in der Bundesliga auf den FC Bayern treffen, dann können sie bei einem Sieg in der Regel bestenfalls den tabellarischen Rückstand auf den Rekordmeister ein bisschen erträglicher gestalten. Im DFB-Pokal aber kannst du in 90 oder 120 oder noch mehr Minuten die Welt aus den Angeln heben. Da gilt nur die oder wir, ohne Rücksicht auf Verluste. Und dann gehst du als Breel Embolo in ein eigentlich aussichtsloses Kopfballduell und weißt, dass du am Ende trotzdem das Tor schießen wirst. Weil an diesem einen Tag alles möglich ist.
Das alles beschreibt nicht weniger als das Geheimnis des Spiels. Oder wie es der olle Herberger ausdrückte: „Warum gehen die Leute zum Fußball? Weil sie nicht wissen, wer am Ende gewinnt.“ Diese prickelnde Ungewissheit ist im schnöden Alltag leider viel zu selten zu spüren, deshalb sollten DFB, DFL und auch André Schubert diesen oftmals etwas stiefmütterlich behandelten Wettbewerb hegen und pflegen. Wenn sie Nachhilfe brauchen, was seinen Zauber ausmacht, können sie ja bei Sascha Mölders nachfragen. Zumindest dann, wenn er wieder aus dem Sauerstoffzelt raus ist.