Wer braucht die Bundesliga, wenn es den DFB-Pokal gibt?
André Schubert hat womöglich was nicht richtig verstanden. Das Spiel in Dortmund passe ihm überhaupt nicht in den Kram, nörgelte der Trainer des FC Ingolstadt, er würde viel lieber zuhause trainieren und Dinge einüben. Nun mag die akribische Trainingsarbeit durchaus angezeigt sein bei einem Tabellenletzten der zweiten Liga, da gibt es einen gewissen Anfangsverdacht. Und trotzdem: Wer ein Pokalspiel unter Flutlicht im Westfalenstadion als reine Belastung empfindet, der hat ein gestörtes Verhältnis zur Emotionalität des Spiels. Zumal wenn er als arbeitsloser Fußballlehrer vor ein paar Wochen noch nicht mal von einem Pokalspiel beim BVB träumen durfte, aber nun gut.
Es spricht für Schuberts Mannschaft, dass sie sich von der Miesepetrigkeit ihres Chefs nicht anstecken ließ und gegen den hohen Favoriten ein äußerst achtbares Spiel ablieferte. Sie lag damit auf einer Linie mit vielen anderen Mannschaften, die in dieser Woche nicht ansatzweise erkennen ließen, dass sie den DFB-Pokal bloß als störendes Element bei der Ableistung der alltäglichen Fron betrachten. Im Gegenteil: Ein Großteil der sechzehn Spiele bewies wieder mal, was für eine großartige Veranstaltung dieser oft in die Saisonvorbereitung oder spielfreie Wochen gequetschte Wettbewerb ist.
Das galt im Übrigen nicht nur für die klassischen Pokalduelle zwischen Underdogs und Favoriten, sondern selbst für Partien, die im normalen Ligaalltag niemanden außer den Fans der beiden Teams vom Hocker hauen würden. Mainz gegen Bielefeld oder Bochum gegen Augsburg, das sind an einem ordinären Bundesligaspieltag bestenfalls taktisch geprägte Abnutzungskämpfe, manchmal auch spröde Langweiler. In diesem Fall wurden sie zu epischen Fußballdramen, deren Torreichtum allein schon deshalb bemerkenswert ist, weil sowohl Bielefelder als auch Augsburger in der Liga bisher nur jeweils ganze fünf Treffer zustande gebracht hatten. Dass die Spiele am Ende durch einen vom Torwart verwandelten Elfmeter (Bochums Riemann) und ein potentielles „Tor des Monats“ (Mainz‘ Ingvartsen) entschieden wurden, setzte dem Ganzen dann noch die Krone auf.
Keine Sendung im deutschen Fernsehen hat etwas derart Autounfallartiges wie „Meine Geschichte!“ auf Sky. Hinsehen? Schwer. Wegschauen? Auch.
Aber natürlich gab es auch wieder jenes Ligen-Crossover, das für viele den eigentlichen Reiz des Pokals ausmacht. Wenn der TSV 1860 an der Grünwalder Straße auf den FC Schalke 04 trifft, fühlen sich Fußballnostalgiker stante pede in eine Zeitmaschine in die sechziger Jahre versetzt. Der betagte und vollschlanke Löwenstürmer Sascha Mölders war angesichts dieses Szenarios derart euphorisiert, dass er in der Schlussphase einen Gegenspieler locker überspurtete, der sein Sohn hätte sein können. Fürs ungefönte Siegerinterview hatte Mölders dann das Schalke-Wappen am Pokaltrikot abgedeckt, er ist schließlich Essener. Das nennt man wohl Old School.