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André Schu­bert hat womög­lich was nicht richtig ver­standen. Das Spiel in Dort­mund passe ihm über­haupt nicht in den Kram, nör­gelte der Trainer des FC Ingol­stadt, er würde viel lieber zuhause trai­nieren und Dinge ein­üben. Nun mag die akri­bi­sche Trai­nings­ar­beit durchaus ange­zeigt sein bei einem Tabel­len­letzten der zweiten Liga, da gibt es einen gewissen Anfangs­ver­dacht. Und trotzdem: Wer ein Pokal­spiel unter Flut­licht im West­fa­len­sta­dion als reine Belas­tung emp­findet, der hat ein gestörtes Ver­hältnis zur Emo­tio­na­lität des Spiels. Zumal wenn er als arbeits­loser Fuß­ball­lehrer vor ein paar Wochen noch nicht mal von einem Pokal­spiel beim BVB träumen durfte, aber nun gut.

Es spricht für Schu­berts Mann­schaft, dass sie sich von der Mie­se­pe­trig­keit ihres Chefs nicht anste­cken ließ und gegen den hohen Favo­riten ein äußerst acht­bares Spiel ablie­ferte. Sie lag damit auf einer Linie mit vielen anderen Mann­schaften, die in dieser Woche nicht ansatz­weise erkennen ließen, dass sie den DFB-Pokal bloß als stö­rendes Ele­ment bei der Ableis­tung der all­täg­li­chen Fron betrachten. Im Gegen­teil: Ein Groß­teil der sech­zehn Spiele bewies wieder mal, was für eine groß­ar­tige Ver­an­stal­tung dieser oft in die Sai­son­vor­be­rei­tung oder spiel­freie Wochen gequetschte Wett­be­werb ist.

Zeit­ma­schine in die Sech­ziger

Das galt im Übrigen nicht nur für die klas­si­schen Pokal­du­elle zwi­schen Under­dogs und Favo­riten, son­dern selbst für Par­tien, die im nor­malen Lig­aalltag nie­manden außer den Fans der beiden Teams vom Hocker hauen würden. Mainz gegen Bie­le­feld oder Bochum gegen Augs­burg, das sind an einem ordi­nären Bun­des­li­ga­spieltag bes­ten­falls tak­tisch geprägte Abnut­zungs­kämpfe, manchmal auch spröde Lang­weiler. In diesem Fall wurden sie zu epi­schen Fuß­ball­dramen, deren Tor­reichtum allein schon des­halb bemer­kens­wert ist, weil sowohl Bie­le­felder als auch Augs­burger in der Liga bisher nur jeweils ganze fünf Treffer zustande gebracht hatten. Dass die Spiele am Ende durch einen vom Tor­wart ver­wan­delten Elf­meter (Bochums Rie­mann) und ein poten­ti­elles Tor des Monats“ (Mainz‘ Ingv­artsen) ent­schieden wurden, setzte dem Ganzen dann noch die Krone auf.

„Wohnst du Miete oder Eigentum?“ Die Sky-Sendung „Meine Geschichte!“

Keine Sen­dung im deut­schen Fern­sehen hat etwas derart Auto­un­fall­ar­tiges wie Meine Geschichte!“ auf Sky. Hin­sehen? Schwer. Weg­schauen? Auch.

Aber natür­lich gab es auch wieder jenes Ligen-Cross­over, das für viele den eigent­li­chen Reiz des Pokals aus­macht. Wenn der TSV 1860 an der Grün­walder Straße auf den FC Schalke 04 trifft, fühlen sich Fuß­ball­nost­al­giker stante pede in eine Zeit­ma­schine in die sech­ziger Jahre ver­setzt. Der betagte und voll­schlanke Löwen­stürmer Sascha Möl­ders war ange­sichts dieses Sze­na­rios derart eupho­ri­siert, dass er in der Schluss­phase einen Gegen­spieler locker über­spur­tete, der sein Sohn hätte sein können. Fürs unge­fönte Sie­ger­inter­view hatte Möl­ders dann das Schalke-Wappen am Pokal­trikot abge­deckt, er ist schließ­lich Essener. Das nennt man wohl Old School.

Es war nicht das ein­zige Duell zweier Mann­schaften mit unglei­chen Vor­aus­set­zungen, bei dem der ver­meint­lich Groß­kop­ferte in böse Kala­mi­täten geriet. So musste der 1.FC Union Berlin am Waldhof immerhin in die Ver­län­ge­rung, wäh­rend der in der Bun­des­liga noch unge­schla­gene SC Frei­burg an der Bremer Brücke in Osna­brück so knapp vor der ersten Nie­der­lage stand wie noch in keinem Liga­spiel. Ganz zu schweigen von Bayer Lever­kusen, das gegen den KSC am Ende ziem­lich schmucklos die Segel strich.

Die Quadratwatsch‘n

Was für eine his­to­ri­sche Schmach! Der FC Bayern ver­liert 0:5 gegen Borussia Mön­chen­glad­bach. Was waren die Gründe für die größte Klat­sche seit Jahr­zehnten?

Und dann war da am Ende noch der kom­plette Sys­tem­ab­sturz der Bayern, die zum zweiten Mal in Folge bereits in der zweiten Runde jenes Wett­be­werbs aus­schieden, den sie so oft gewonnen haben wie nie­mand sonst. War das Aus bei Hol­stein Kiel in der Vor­saison noch bedingt erklärbar (feh­lendes Spiel­glück, Schiet­wetter, eis­kalte Kieler), sorgte der deso­late Münchner Auf­tritt beim 0:5 im Borussia-Park für Fas­sungs­lo­sig­keit. Tat­säch­lich mag die Demon­tage zumin­dest ein wenig mit den Neben­schau­plätzen der letzten Tage zu tun gehabt haben, als sich Joshua Kim­mich ohne Not ins Impf­ab­seits manö­vrierte und Lucas Her­nandez für ein paar Tage mit einem Bein im Gefängnis stand. Den­noch bleibt der unbe­wie­sene, aber hart­nä­ckige Ein­druck, dass solch ein Spiel in der Bun­des­liga nicht denkbar gewesen wäre.

Der Tag, an dem alles mög­lich ist

Warum das so ist? Viel­leicht, weil es dafür die spe­zi­elle Chemie eines Pokal­spiels braucht, in der die übli­chen Gesetz­mä­ßig­keiten des Pro­fi­fuß­balls manchmal für einen Tag keine Rolle spielen. Wenn die Glad­ba­cher in der Bun­des­liga auf den FC Bayern treffen, dann können sie bei einem Sieg in der Regel bes­ten­falls den tabel­la­ri­schen Rück­stand auf den Rekord­meister ein biss­chen erträg­li­cher gestalten. Im DFB-Pokal aber kannst du in 90 oder 120 oder noch mehr Minuten die Welt aus den Angeln heben. Da gilt nur die oder wir, ohne Rück­sicht auf Ver­luste. Und dann gehst du als Breel Embolo in ein eigent­lich aus­sichts­loses Kopf­ball­duell und weißt, dass du am Ende trotzdem das Tor schießen wirst. Weil an diesem einen Tag alles mög­lich ist.

Das alles beschreibt nicht weniger als das Geheimnis des Spiels. Oder wie es der olle Her­berger aus­drückte: Warum gehen die Leute zum Fuß­ball? Weil sie nicht wissen, wer am Ende gewinnt.“ Diese pri­ckelnde Unge­wiss­heit ist im schnöden Alltag leider viel zu selten zu spüren, des­halb sollten DFB, DFL und auch André Schu­bert diesen oft­mals etwas stief­müt­ter­lich behan­delten Wett­be­werb hegen und pflegen. Wenn sie Nach­hilfe brau­chen, was seinen Zauber aus­macht, können sie ja bei Sascha Möl­ders nach­fragen. Zumin­dest dann, wenn er wieder aus dem Sau­er­stoff­zelt raus ist.