Zum 150. Geburtstag des britischen Fußballverbandes findet das Champions-League-Finale im Wembley-Stadion statt. Und auch wenn das altehrwürdige Oval im Nordwesten Londons durch eine hypermoderne Superarena ersetzt wurde, so steht doch allein der Name für zahlreiche Anekdoten, Heldengeschichten und unvergessene Spiele.
1.
Eine Pferdestärke, weiß
Vor dem ersten Anpfiff in Wembley, am 23. April 1923 schien ein Fußballspiel fast unmöglich. Die Bolton Wanderers sollten auf West Ham United im Pokalendspiel treffen, doch etwa 200.000 Personen, größtenteils ohne gültiges Ticket, hatten das neue Stadion und den Rasen belagert. Daraufhin zog der 13-Jährige Schimmel „Billy“, mit seinem Polizisten George Scorey im Sattel, in aller Ruhe seine Kreise um die Zuschauer und befreite das Spielfeld von der Menge. Das Spiel ging als „White-Horse-Cup-Final“ in die Geschichte ein.
2.
In 300 Tagen um die Welt
Vor 90 Jahren galt das Wembley-Stadion als modernste Arena Europas. Das „Empire Stadium“ (so der offizielle Name) wurde zur Kolonialausstellung in London errichtet. Dabei benötigten die Briten nur 300 Tage, um das Stadion aus dem Boden zu stampfen. Inklusive sämtlicher Teepausen.
3.
Das Treibhaus
Selbstverständlich kam Wembley irgendwann in das gehobene Rentenalter und musste deshalb einer neuen Superarena weichen. Damit ging auch die einzigartige Treibhausatmosphäre verloren, wenn die wichtigsten Spiele im ausverkauften Rund stattfanden. Die vorderen, lichtdurchlässigen Dachplatten erzeugten einen herrlich sauerstoffarmen Wärmestau.
4.
Teuer wie ein Windhund
Da das Wembley-Stadion nie einer Fußball-Mannschaft zur ständigen Nutzung bereit stand, mussten die laufenden Kosten anderweitig zusammengetragen werden. Mindestens dreimal in der Woche jagten daher die besten Windhunde des Landes auf der alten Aschebahn des Stadions einem Metallhasen hinterher. Die Einnahmen aus dem Kartenverkauf und den Wetterlösen finanzierten den Unterhalt des Stadions.
5.
Unterkante, Tor!
Wir schreiben einen Text über das Wembley-Stadion und haben eine Anekdote noch gar nicht erwähnt. Nun gut, im Finale der Weltmeisterschaft 1966 schoss der Engländer Geoff Hust das vorentscheidende 3:2 gegen Deutschland. Der Ball prallte gegen die Torunterkante und von dort überschritt das Leder vermutlich nicht im vollen Umfang die Torlinie, doch der sowjetische Linienrichter entschied auf Tor. Lange Zeit stritten sich die Experten beider Länder über die Rechtmäßigkeit des Treffers, ehe die Aufbereitung eines 35-mm-Films im Jahr 2006 eindeutig belegte, dass der Treffer nicht hätte zählen dürfen.
6.
Waghalsig
Als erster Deutscher machte sich Bert Trautmann in Wembley unsterblich. Der Torwart stand kurz nach dem Ende seiner Kriegsgefangenschaft für Manchester City zwischen den Pfosten. 1956 brach er sich während des FA-Cup-Endspiels das Genick und mehrere Halswirbel. Da keine Auswechslungen erlaubt waren, blieb Trautmann im Tor und hielt den 3:1‑Sieg gegen Birmingham City fest. Der Titel als „Englands Fußballer des Jahres“ war ihm anschließend sicher.
7.
Ein Tor würde seiner Vita gut tun
Brasiliens Pelé hat auf fast jedem bedeutenden Fußballplatz der Welt seine Spuren hinterlassen. Zu einem Termin mit dem Fernsehsender BBC bat die „schwarze Perle“ am Mittelkreis um einen schnöden Fußball, dribbelte in Lackschuhen auf das Tor zu und versenkte sicher. Niemals habe er zuvor in Wembley gespielt und folgerichtig auch kein Tor geschossen, so Pelé und strich den Makel damit aus seiner Vita.
8.
Schach mit dem Platzwart
Der Begriff „Rasenschach“ kommt in Wembley einer anderen Bedeutung zu. Denn ohne Ausnahme wird nach dem Prinzip eines Schachfeldes das satte Grün im Nationalstadion gemäht. Nur ein einziges Mal probierte Platzwart Robert McCullagh eine andere Variante aus und erntete saftige Kritik. Es blieb bei diesem einen Mal.
9.
Am Ende immer die Deutschen
Eines der intensivsten Spiele der Europameisterschaftsgeschichte wurde 1996 in Wembley, dem Wohnzimmer der englischen Nationalmannschaft, ausgetragen. Nach einem 120-minütigen Krimi trafen sich Engländer und Deutsche im Elfmeterschießen wieder. Gareth Southgate verschoss, Andreas Möller verwandelte zum 6:5. Drei Tage wurde die deutsche Nationalelf hier sogar Europameister und holte sich in der Royal Box den EM-Pokal bei der Queen ab.
10.
Das letzte Tor
Das letzte Tor im altehrwürdigen Wembley-Stadion schoss natürlich auch ein Deutscher. Mit einem 32-Meter-Freistoß erzielte Dietmar Hamann den 1:0‑Siegtreffer im Länderspiel gegen England. David Seaman konnte es kaum fassen. Ebenso unfassbar: Nach einer Online-Abstimmung sollte eine Zwei-Meter-Brücke zur neuen Arena den Namen des deutschen Nationalspielers tragen. Der Vorschlag wurde seltsamerweise abgelehnt.