Crystal Palace hat mit Randall Williams einen Spieler aus der 9. Liga verpflichtet. Verrückt? Nicht in England.
In einem Hinterhof beim Bolzen gegen ein verrostetes Garagentor, auf einem knüppelharten Ascheplatz oder einem durchfurchten Acker – mal Hand aufs Herz: Wer hat nie vom großen Profifußball geträumt? Davon, einmal zur rechten Zeit am rechten Ort sein. Einen Sahnetag zu erwischen und zufällig von einem Bundesliga-Scout entdeckt zu werden. Und dann in die größten Stadien des Landes durchzustarten, um vor einem frenetischen Publikum zu spielen, das inbrünstig den eigenen Namen skandiert.
Im Grunde beginnen diese Geschichten immer gleich. Nur: Sie enden zumeist auch ähnlich. Nach vielen Jahren in Wartestellung muss man eines Tages erkennen, dass niemand mehr vorbeikommt, kein Scout, kein Trainer, nicht mal mehr Sandy oder Gaby aus dem Nachbardorf, die sonst immer so begeistert waren, weil man als großes Talent galt und der Zeugwart einem eine „große Karriere“ im Ausland oder zumindest bei Fortuna Düsseldorf II voraussagte. Und so beginnt man frustriert eine Ausbildung als Versicherungsvertreter, wird Postbote, Langzeitstudent oder 11FREUNDE-Redakteur.
Sicher ist: Wer nicht mit spätestens 14 Jahren in einer Jugendakademie eines Profiklubs gelandet ist, kann sich die große Fußballkarriere abschminken. Zumindest bis Jamie Vardy kam.
Vardy: Vom Straftäter zum heißesten Scheiß der Premier League
Seit Vardy glauben die Fußballfans und Hobbykicker wieder an Wunder.
2012 irrte der Angreifer noch in der Bedeutungslosigkeit des englischen Amateurfußballs umher und musste zwischenzeitlich gar wegen Körperverletzung für sechs Monate eine Fußfessel tragen. Inzwischen ist Vardy vielleicht der heißeste Scheiß der Premier League. In 20 Spielen hat er 15 Tore für Leicester City geschossen. Es ist die Geschichte des märchenhaften Aufstiegs vom Tellerwäscher zum Millionär.
Nun hat auch Crystal Palace einem Niemand über Nacht zum Profi-Dasein verholfen. Die Eagles verpflichteten Randall Williams vom Tower Hamlets FC aus den Niederungen der neuntklassigen Essex Senior League. Bei einem Probetraining und einem Testspiel gegen Crawley Town beeindruckte der 19-jährige Flügelspieler Cystal-Coach Alan Pardew.
Doch wie zur Hölle wurde Crystal Palace bloß auf Williams aufmerksam?
Der Zufall ist schuld. Wie so oft bei derlei Geschichten, die in Hinterhöfen beginnen und eben nicht in einem Büro für Versicherungsvertreter enden. Die Eagles waren wie etliche andere Klubs hinter dem Talent Omar Rowe her, der Southamptons Jugendteams kürzlich verlassen hatte und für kurze Zeit bei den Hamlets kickte. Seitdem tummelten sich oft mehrere Scouts bei den Spielen des Klubs. Dabei fiel Crystal Palace Williams auf. Aus dem Nichts in die Premier League!
Ereilt Williams das Schicksal von Anderson?
Man könnte fast sagen, dass derlei Transfers von No-Names zur Vereinsphilosophie gehören. Schon im Februar 2015 hatten die Eagles einen solch absurden Wechsel vollzogen. Keshi Anderson war dem Brentford FC aufgefallen, spielte bei einem Testspiel der U21 des Zweitligisten gegen den Nachwuchs von Crystal Palace und erzielte nach seiner Einwechslung binnen sechs Minuten drei Tore. Ein Bewerbungsschreiben mit Nachdruck.
Crystal Palace eiste Anderson von den Barton Rovers aus der achtklassigen Southern League Division One Central los und machte ihn zum Profi. Allerdings wartet er noch immer auf seine erste Kadernominierung für ein Premier-League-Spiel. Und die erste Ausleihe hat er auch bereits hinter sich.
Ereilt Williams nun das gleiche Schicksal? Zumindest bis Saisonende darf er seinen fast schon begrabenen Kindheitstraum leben. Dann können die Eagles den Vertrag verlängern. Ansonsten kann man in London auch wunderbar studieren – oder bei unserem Lieblingsmagazin „When Saturday Comes“ anheuern.