„Done is better than perfect.“ Cottbus‘ Aufstieg anno 2000 ist eines der letzten großen Rätsel der Bundesligageschichte. Auch 15 Jahre später ist eine Frage ungeklärt: Holte sich das Silicon Valley seine Inspiration in der Lausitz? Eine Spurensuche.
„Fail Fast, Fail Often.“
Seth Godin von „Squidoo“ – oder Rudi Vata?
Am ersten Spieltag verlor Cottbus gleich 1:3 in Bremen. Wie zu erwarten war. Dann: zuhause 1:4 gegen den BVB. Dritter Spieltag: Bei Schalke verliert man 0:3. Nach drei Spieltagen hatte Energie null Punkte auf dem Konto und 2:10 Tore. Gegen Frankfurt gab es zuhause den ersten Sieg in der Bundesliga, aber der prophezeite Horror-Start war noch lange nicht vorüber: in Freiburg verlor die Elf 0:4. So weit so erwartet. So schrecklich es klingt: Es lief für alle Beteiligten nach Plan. Zugleich schien alles improvisiert, die Abwehr um Rudi Vata war löchrig ohne Ende. Es musste dem Abwehrchef jedes Mal so vorgekommen sein, als hätte er im Sturzregen ein unverpacktes Toastbrot heil nach Hause zu bringen.
Die Experten sahen sich bestätigt, und in Cottbus selber hatte man ohnehin gewusst, dass man es schwer haben würde. Am achten Spieltag, dem 14. Oktober 2000, aber verirrten sich die großen Bayern in die Lausitz („Sensation“) und wurden dort mit 1:0 nach Hause geschickt („Sen-sa-tion!“). Ein Tag, so groß wie das Leben selber. Wer dachte, dass das jetzt der Startschuss zu einer Aufholjagd bedeutete, der wurde enttäuscht: Am nächsten Spieltag verlor Cottbus bei der Hertha. Nach einem Drittel der Saison stand das Team auf einem unerwarteten 15. Platz, der erste Nichtabstiegsrang, und den sollte Energie bis zum vorletzten Spieltag auch verteidigen, letztlich sogar noch mit dem VfB Stuttgart tauschen und am Ende Vierzehnter werden. Die Lehre: Das Cottbus aus dem Jahr 2000 war ein work in progress.
„It’s very easy to be different, but very difficult to be better.“
„Apple“-Designer Jonathan Ive – oder Energie-Manager Klaus Stabach?
Dass sein Team anders sein würde, war Klaus Stabach von Anfang an klar. Dass er aus bescheidenen Mitteln das meiste heraus holen müsste ebenfalls. Es ist eine Sache, als bunter Hund in die Geschichte einzugehen. Es ist eine andere, damit auch Erfolg zu haben. Er holte im Sommer 2000 ein wirr wirkendes Kollektiv an Spielern nach Cottbus, von denen man eher erwartet, dass sie einem in der Fußgängerzone Bratwurst oder batteriegetriebenes Spielzeug andrehen, Typen die so wirkten, als wären sie mit dem nächsten Jahrmarkt verschwunden. Der durchschnittliche Spieler in Klaus Stabachs Erstliga-Team war ein mit Tesa und Spucke zusammengeflickter dreißigjähriger Söldner. Wie kreativ war Stabach? Nun, wer denkt, dass seine Mutter schon pfiffig ist und ihre Payback-Punkte hier und da einsetzt, das Auto nur im Notfall nimmt und die Spezialität „Auflauf“ exponentiell zu steigern weiß, der hätte Klaus Stabach sehen sollen, wie er in Osteuropa elegantere Deals geschwungen hat als der eigene Nachbar mit dem Snake-Tattoo auf dem Unterarm.
Man bekam einen Einblick in das, was sich in den osteuropäischen Ligen tat, und man verstand, warum man sich nicht näher damit beschäftigte. Klaus Stabach erschloss aggressiv neue Märkte. (Übrigens eine Herangehensweise, der sich bald auch beispielsweise Nürnberg erfolgreich bediente, die in einer ähnlichen Aktion Marek Mintal und Robert Vittek ausbuddelten.) Am 6. April 2001 war es dann soweit: Der FC Energie wurde der erste Bundesliga-Klub, dessen Startformation ausschließlich aus ausländische Spielern bestand. Sorry, St. Pauli. Aber der FC Energie war das erste wirklich bunte Team der Liga.