Karl Heinz Rummenigge fordert das Ende der Zentralvermarktung bei den TV-Rechten. Das letzte Kapitel im Strukturwandel des deutschen Fußballs hat begonnen.
Es war nur eine Frage der Zeit. Seit bekannt ist, dass die englische Premier League ab 2016 jährlich 2,3 Milliarden Euro für die Verwertung der TV-Rechte erlösen wird, ist aus den Führungsetagen der deutschen Klubs ein nervöses Grummeln zu vernehmen. Die Angst, international den Anschluss zu verlieren, geht um. Angesichts der knapp 630 Millionen Euro, mit denen sich die deutschen Erstligisten begnügen, eine Furcht, die nicht von der Hand zu weisen ist. Allein wenn man bedenkt, dass ein britischer Hinterbänkler wie Leicester City inzwischen 11 Millionen Euro Ablöse für Shinji Okazaki zahlen kann oder der FC Liverpool 41 Millionen für Roberto Firmino hinblättert.
Das Solidarprinzip beerdigen
Bislang konnte sich jedoch kein Bundesliga-Funktionär zu einer klaren Haltung durchringen. Der allgemeine Tenor bis jetzt: Mehr Geld beim nächsten Bieterverfahren wäre schön, um nicht zu sagen dringend notwendig.
Karl-Heinz Rummenigge hat offenbar genug vom Gleichmut seiner Kollegen und schippt ordentlich Kohlen in den Kessel. Der FC Bayern versteht sich bekanntlich als Lokomotive vor dem Bundesliga-ICE und liebt die Rolle als Mann im Führerhaus. Er hält sich also nicht mehr mit Planspielen auf, wie die DFL den Spieltag weiter aufsplitten könnte und er nennt auch – so wie in der Vergangenheit – keine Maximalforderungen mehr, wie viel beim nächsten Vertrag rausspringen muss. Nein, der FCB-Präses erlaubt sich nicht weniger als die Grundsatzfrage: Nämlich ob es nicht Zeit wäre, den Zusammenschluss der 36 Profiklubs in Gänze zu überdenken und damit international gepriesene Solidarprinzip der Bundesliga zu beerdigen.
Alles hängt vom FC Bayern ab
In einem Interview mit dem „Manager-Magazin“ flirtet „Killer-Kalle“ nennen, mit der Idee, der Rekordmeister könne zukünftig seine TV-Rechte eigenständig vermarkten. Seinen Berechnungen zufolge würde der Branchenprimus so auf einen Schlag rund 200 Millionen Euro pro Jahr einnehmen, mehr als vier Mal so viel wie bisher. Dazu muss man wissen: Rummenigge liebt die Provokation und das Gefühl, der nationalen Konkurrenz subtil zu signalisieren, wie sehr sie vom Gusto des FCB abhängt.
Bis dato bekamen dabei jedoch eher die nutznießenden Klubs oder dickköpfige Fans ihr Fett weg. Nun aber spricht Rummenigge erstmals der betriebswirtschaftlichen Abteilung um DFL-Boss Christian Seifert in Frankfurt die Eignung ab, genug aus der TV-Vermarktung herauszuholen. „Das Monopol von Sky führt offensichtlich dazu, dass sich die Preise in Deutschland nicht nachhaltig bewegen“, prangert Rummenigge den Mangel an potenten Rechtverwertern vor den anstehenden Vertragsverhandlungen an. Eine satte Breitseite, die darauf hindeutet, dass in München ein neues Werteverständnis Einzug gehalten hat.
Offenbar haben drei sterbenslangweilige Meisterschaften in Folge, das Abo auf Champions-League-Semifinals und die hysterische Begeisterung der Fans bei den Reisen in die USA und nach China dem gebürtigen Ostwestfalen gezeigt, dass der Klub von der Säbener Straße längst über nationale Dimensionen hinaus gewachsen ist. Rummenigge glaubt ernsthaft: „Mit diesem Modell könnte sich die Bundesliga besser stellen – inklusive der kleineren Vereine.“
Ein Solidartopf für die Konkurrenz?
Wie es funktionieren soll, dass Klubs wie Darmstadt 98, der SV Sandhausen, Arminia Bielefeld oder der FSV Mainz 05 ihre TV-Rechte selbst vermarkten und dabei auch noch mehr Geld erlösen als gegenwärtig, verrät Rummenigge freilich nicht. Im Gegensatz dazu schlägt er gönnerhaft vor, die großen Klubs könnten einen Teil ihrer Vermarktungsgelder in einen Solidartopf geben, der wiederum den weniger erfolgreichen Konkurrenten zugute kommt.
Karl-Heinz Rummenigge läutet also das letzte Kapitel im Kommerzialisierungsprozess des Fußballs ein. Wenn der Bayern-Boss ernsthaft erwägt, der DFL ihre Kernaufgabe zu entziehen, wäre das Schicksal der Bundesliga als mehr oder weniger ausgewogene Wettkampfklasse besiegelt. Kein Klub wäre nur annähernd noch in der Lage sein, dem FC Bayern das Wasser zu reichen. Der Trend, der sich in den vergangenen Jahren bereits andeutete, würde zur Gesetzmäßigkeit: Die Meisterschaft wäre schon vor der Saison entschieden. Die Bayern würden ab dem Frühjahr mit der zweiten Garnitur auflaufen, weil nur die Champions League noch echte Relevanz im Kampf um Marktanteile besäße.
Aus der Perspektive des Betriebswirtes ist Rummenigges Gedankenspiel sicher nachvollziehbar. Wie sie sich jedoch mit dem Bauchgefühl des Ex-Fußballers Karl-Heinz Rummenigge in Einklang bringen lässt, ist nur schwer verständlich.
Andere Vereine haben für Rummenigges Plan nicht die Mittel
Zweifellos, die Bayern wären als einer der wenigen Klubs in der Lage, die Infrastruktur für eine solche Vermarktungsabteilung zu schaffen und sie könnten ohne Zweifel selbst attraktive TV-Bilder produzieren, um sie im Paket mit den Rechten zu verkaufen. Vereinen wie dem VfL Wolfsburg oder Bayer Leverkusen, die sportlich den Münchnern aktuell am ehesten noch Paroli bieten können, fehlt diese Zugkraft bei der Vermarktung. Traditionsklubs wie der SV Werder oder der HSV wiederum haben weder die notwenigen Mittel, noch aktuell die sportliche Relevanz, um die Hard- und Software für ein solches Unterfangen auf die Beine zu stellen und zügig adäquate Erlöse einzufahren.
Rummenigge muss sich also entscheiden: Versteht er den FCB nur noch als Klub, der um jeden Preis auf allen Ebenen mit den Weltmarktführern im Fußball konkurriert? Oder will er das Premiumprodukt Bundesliga mit seiner generationsübergreifenden Strahlkraft in Europa erhalten?
Er muss sich entscheiden.