Lange Zeit galt Marco Reus als jemand, dem das Pech anhaftete. In dieser Saison ist alles anders. Auch weil sich Reus längst zu einem Führungsspieler entwickelt hat.
Man darf sich Marco Reus nicht als unglücklichen Menschen vorstellen. Ganz im Gegenteil: Das Leben hat es sehr, sehr gut gemeint mit dem schüchternen Jungen aus Dortmund-Körne. Und doch umgibt seine schmalen Schultern auch ein Hauch von Tragik. Denn der Mann mit den so wahnsinnig flinken Beinen hatte immer ein Problem mit dem Timing.
Immer zur falschen Zeit…
Das fing schon mit seinem Transfer zum BVB an, denn der fiel zusammen mit dem Moment, in dem das Imperium zurückschlug und einen neuen Todesstern des Südens in die Galaxie schickte. Oder man denke an die unerwartete Vertragsverlängerung von Reus mitten in der Krisensaison 2015/16. Sie war als Zeichen an die Mannschaft gedacht, dass niemand das sinkende Schiff verlassen würde. Zwei Monate später gab Jürgen Klopp seinen Abschied bekannt.
Und dann waren da natürlich die ganzen Verletzungen zur Unzeit. Geradezu typisch, dass Reus im Pokalfinale 2017 endlich seinen ersten richtigen Titel gewinnen durfte – und ihn dann nicht feiern konnte, weil er sich während des Spiels das Kreuzband gerissen hatte.
… sogar bei der WM
Ein noch besseres Sinnbild für das Pech, das Reus zu verfolgen schien, war aber der Sommer in Russland. Da fuhr einer der talentiertesten Spieler seiner Generation im dritten oder vielleicht sogar vierten Anlauf endlich mal zu einem großen Turnier, war gesund, fit und in Form – und plötzlich drehten um ihn herum alle wegen eines blöden Fotos durch. Ohne sein Zutun fand sich Reus mitten im größten Debakel der deutschen WM-Geschichte wieder. Nicht nur in Dortmund hörte man so manchen Fußball-Fan sagen: „Die können mir alle gestohlen bleiben … aber für den Reus tut’s mir schon ein bisschen leid.“
Das ist noch keine sechs Monate her und scheint doch in einem anderen Leben – und einem anderen Marco Reus – passiert zu sein. Denn auf dem Rasen zaubert der inzwischen 29-Jährige wie vielleicht noch nie seit seiner Rückkehr zum BVB. Man muss sich nur sein sensationelles Ausgleichstor gegen die Bayern ansehen, das vor allem deswegen so denkwürdig ist, weil er keine zehn Minuten vorher eine Riesenchance versemmelt hatte und trotzdem wie selbstverständlich den Mut (und natürlich die atemberaubende Technik) aufbrachte, die Flanke von Lukasz Piszczek volley zu nehmen.