Stress bei den Bayern? Wer wird Bundestrainer? Und warum sollten wir uns alle auf die Conference League freuen? Tommi Schmitt ist zurück und erklärt, was ihm im Fußball noch wirklich wichtig ist.
Tommi Schmitt, heute Abend spielt der FC Bayern gegen Paris. Sie hatten viel zu tun, haben das Hinspiel also sicher nicht gesehen, aber…
Doch, habe ich! Ein fantastisches Spiel, weil beide Teams defensiv wahnsinnig offen standen. Ich hielt die Abwehrreihen zwischenzeitlich für Modellregionen.
Trotzdem: Das Thema bei den Bayern ist nicht die Champions League, sondern der offen ausgetragene Streit zwischen Trainer Hansi Flick und Sportdirektor Brazzo.
Ist das nicht toll? Endlich mal wieder Streit! Endlich wieder FC Hollywood! Ich finde Flicks Kommunikationsstrategie, sich in der Öffentlichkeit verschnupft zu geben, weil der Kader nicht breit genug und nicht so gut wie im vergangenen Jahr sei, etwas sonderbar. Aber ich kenne die Details nicht. Auf der anderen Seite hat Hasan Salihamidzic relativ früh offenbart, dass er ein risikofreudiger Sportdirektor ist, als er bereits im Herbst Weltstar Mikael Cuisance – den französischen Ali Karimi – nach Marseille verliehen hat. Das rächt sich jetzt.
Verstehe, Cuisance tut Ihnen als Gladbacher immer noch weh. Aber jetzt mal im Ernst, wie nehmen Sie das Thema um Flick und Brazzo wahr?
Ich finde es fantastisch. Dann spüre ich wieder die Bundesliga. Sobald es bei den Bayern knirscht, denke ich sofort an Klinsmanns Dosentritt, Kahn im P1, Basler beim Italiener, Ribéry isst in Dubai Schwermetall oder die Causa um Juan Bernat. Herrlich!
Weil Herr Flick nicht einmal den Sky-Kollegen eine Antwort gibt, sagen Sie es uns doch bitte: Wird er nach der Saison Joachim Löw beerben?
Vermutlich. Aber ich fände es besser, Flick würde übernehmen, wenn diese kuriose EM und die dann folgende Glühwein-Quatsch-WM, die niemanden interessiert und bei der man sich nur verbrennen kann, bereits vorbei wären. Flick wäre nämlich einer, der danach ähnlich wie Löw eine Ära prägen könnte. Jetzt, in dieser für die Nationalmannschaft wahnsinnig undankbaren Zeit, fände ich zwei andere Optionen besser: Entweder nehmen wir einen wie Ralf Rangnick, der sich gefühlt nur für Fußball und das Spiel interessiert; der einfach gewinnen will, egal, ob der Fußballplatz nun in Doha, Paris oder Berlin ist. Oder Lothar Matthäus.
Bitte ernst bleiben.
Nein, wirklich. Komplett ohne Ironie. Mit Lothar Matthäus würde ich mitfiebern. Niemand würde sich auf diese WM, auf diese Chance, so sehr freuen wie er. Und in der Rückschau betrachtet: Klinsmann hat die Nationalelf, mit gewisser taktischer Hilfe von außen, auch als Bundestrainer angeführt. Und wäre Torsten Frings nicht für das Halbfinale gegen Italien gesperrt worden, hätte die DFB-Elf das Ding auch geholt. Robert Huth wäre bei Zidanes Kopfstoß übrigens auch ziemlich sicher stehengeblieben. Aber das führt hier zu weit. Matthäus jedenfalls verfügt über Trainererfahrung, ist Weltmeister, Weltfußballer, der wird in Mailand noch immer auf Händen getragen und er analysiert jedes Wochenende gemeinsam mit Sebastian Hellmann die Bundesliga einwandfrei. Dazu hat er mehr erreicht als der gesamte Kader der Deutschen Nationalmannschaft zusammen. Matthäus wird immer so dargestellt, als sei er zu dämlich, sich vor dem Toilettengang die Hose runterzuziehen, dabei ist er einer der größten Sportler, die dieses Land je hervorgebracht hat. Und im zentralen Mittelfeld oder als Libero spielst du nicht gut ohne Intelligenz. Warum also nicht Lothar? Wir steuern mit Katar auf ein Turnier zu, das Fußballromantik in Gänze ausklammert. Dann setzen wir sie eben auf die Bank.
Und das soll jemanden beim DFB überzeugen?
Die haben sich auch vom Watutinki-Hotel, vom Betzenberg als WM-Stadion und von Goleo überzeugen lassen. Ein Maskottchen ohne Hose, nach wie vor absurd. Es ist wohl eher die Frage, ob sich der DFB auf die eigenen Stärken beruft: Auf diese retrohafte Dieter-Eiltsigkeit. Das würde die Leute wieder zur Nationalmannschaft holen. Diese schnöddrige, deutsche „Die hauen wir weg!“-Mentalität, die Thomas Müller, Emre Can, Joshua Kimmich und Leon Goretzka in Ansätzen bereits auf den Platz bringen. Seien wir doch mal ehrlich: Für eine Weltmeisterschaft brauchst du einen Taktikfuchs – und da wird sich bei den Trainerlehrgängen schon einer mit Laptop, Knopf im Ohr und Flipchart finden – und einen, der vor dem Duell gegen die fantastische, junge Truppe aus England seinen Jungs voller Mentalität zuruft: „Jaha! Aber spädesdens im Elfmederschießen brechen die Rodhaarigen zusammen! Das war schon 1990 so.“ Dafür ist Matthäus prädestiniert. Der könnte das. Ich fände das in dieser Antifußball-Zeit wirklich gut. Und nach 2022 können wir es von mir aus dann wieder seriöser und gewohnt glatter angehen lassen.
Und das soll die Lösung sein für eine Mannschaft, die jetzt schon gegen Nordmazedonien verliert?
Das habe ich gar nicht gesehen.
Nein?
Ich habe das erst am nächsten Morgen in der App gelesen. Mein Erregungspotenzial ist da mittlerweile sehr gering geworden.
Es geht immerhin um die WM-Qualifikation! Das kann Sie doch nicht kalt lassen?
Ja, leider doch. Wir haben ja kein großes Turnier in England, Japan oder Frankreich in Aussicht, da würde sich jeder qualifizieren wollen, klar. Ich fasse es mal zusammen: Wir reden von einem Qualifikations-Geisterspiel gegen Nordmazedonien für ein Turnier, das vielleicht nicht mal stattfindet bzw. von vielen Fans, mit denen ich mich größtenteils identifiziere, nicht wirklich ernst genommen wird. Warum sollte ich mir das also angucken? Da kann ich mir gleich beim Rossmann an der Kasse die DVD von Titanic 2 kaufen. Ähnlich unterhaltsam.