Er hielt es für einen schlechten Scherz, aber dann musste Stephan Reich (Symbolbild) einsehen, was er nicht wahrhaben wollte: Es gibt auch noch andere Sportarten außer Fußball.
Als es vor Kurzem hieß, für unsere neue Rubrik möge sich jeder Redakteur seiner liebsten Ausweichsportart annehmen, dachte ich zuerst an einen Scherz. „Ha ha“, lachte ich, leger an den Türrahmen des Kollegen gelehnt, hob meine Kaffeetasse zum Gruß und flötete ein anerkennend-joviales „Guter Gag“ hinterher. Aber gerade, als ich mich zurück an meinen Schreibtisch begeben wollte, um mich mit dem gebotenen Ernst und der gewohnten Hemdsärmeligkeit der Bildergalerie zum „Fütter einen Esel“-Tag zuzuwenden, nahm mich der Kollege beiseite. „Du, Stephan“, sprach er in väterlich-besorgtem Ton. „Wir müssen reden.“
Was er mir dann eröffnete, konnte ich kaum glauben. Es gäbe, so der Kollege, der mir beschwichtigend die Hand auf die Schulter legte, auch noch andere Sportarten abseits des Fußballs. „Nein!?“, sagte ich. „Doch!“, sagte er. „Oooh!“, sagte ich“. „Tennis etwa“, fuhr er fort und sprach von einem Sport, bei dem sich Menschen einen viel zu kleinen und mit gelbem Filz bezogenen Fußball mit Stöcken zuspielen würden, auf die Netze gespannt sind. „Schwachsinn!“, sagte oder dachte ich, während ich merkte, wie mir die Hände zu zittern begannen und ich ein leichtes Schwindelgefühl verspürte. Mit eindringlichem Blick schwor mich der Kollege ein. Es sei unabdingbar, dass auch ich einen Text beisteuerte, sonst würden die anderen sicherlich meutern. „Nein“, schrie ich, „neinneinnein, ich darf keine anderen Sportarten neben dem Fußball haben“, aber der Kollege blieb eisern und ließ mich schluchzend zurück.
Sie hatten Waffen. „Du meine Güte!“
Bestürzt trottete ich ins Wochenende. Es regnete, „wie damals in Bern“, dachte ich, ein Passant schrie mich an, „wie damals der Kahn den Herzog“, dachte ich und schlurfte weiter. Zwar hatte mir ein groß gewachsener Freund mal von einem Sport erzählt, in dem man einen mit Noppen bezogenen, braunen Fußball in ein winziges, rundes Tor warf, dessen Netz auch noch ein Loch hatte, aber ich hatte das für eine Legende gehalten. Was wusste ich sonst alles nicht? Welche Sportarten waren mir noch verborgen geblieben? Und vor allem: Warum sollte überhaupt jemand einen anderen Sport als den Fußball verfolgen? Ich beschloss, mich der Sache zu stellen.
Am Samstag stand ich in aller Frühe auf und stretchte mich. Ich hatte mir noch am Freitagabend die TV-Zeitschrift gekauft und sämtliche mit „Sport“ gekennzeichneten Programmhinweise rot markiert, wie ich es an üblichen Wochenenden mit „Heimatfilm“ und „Erotik“ tat.“ Mein weinerlicher Zustand war einer gewissen Neugier, ja fast einer Abenteuerlust gewichen. „Biathlon?“, dachte ich. „Verrückt“. Auf Eurosport liefen Männer in seltsamen, länglichen Schuhen und Ganzkörpertrikots, von denen ich dachte, dass sie seit Kameruns Designvorstoß 2004 verboten seien, über ein völlig zugeschneites und auch nicht unbedingt ebenes Fußballfeld. Und sie hatten Waffen. „Du meine Güte!“ Ich verschüttete ein wenig Kaffee. Als sich einer der Spieler auf den Boden legte, dachte ich „Schwalbe, lächerlich“. Aber anstatt zu reklamieren, blieb der Spieler einfach liegen, zückte das Gewehr und schoss auf ein kleines, rundes, auf einer Scheibe aufgemaltes Tor. Ich beschloss, umzuschalten.