Unsere Elf der Hinrunde steht im Zeichen der Rückkehr: Lest hier, warum die Van der Vaarts ganz normale Leute sind, wieso Szabolcs Huszti zweimal Gelb innerhalb weniger Sekunden sah und wie Rene Adler die T‑Frage im Tor wieder in Gang brachte.
Rene Adler (Hamburger SV)
Wer hatte den schon auf der Rechnung? Für Rene Adler ging es seit Frühjahr 2010 stetig bergab: Zunächst musste er verletzungsbedingt die WM in Südafrika absagen, danach laborierte er lange an seiner Verletzung, machte sein letztes Länderspiel im November 2010 und wurde bei Bayer Leverkusen von Bernd Leno verdrängt. Sein im Sommer 2012 auslaufender Vertrag wurde nicht verlängert. War Adler am Boden? Hieß die Ausfahrt Zweite Liga? Sandhausen? Bochum? Mitnichten! Es folgte das Gespräch in Hamburg, dann die Unterschrift. Vier Monate später, am 9. November 2012, wird Adler als der große Gewinner in einem durchschnittliche spielenden HSV-Team gefeiert. Phänomenale Leistungen, smarte Interviews – und endlich wieder ein Anruf von Jogi Löw. Bei einem Freundschaftsspiel gegen Holland steht Adler im November 2012 wieder im DFB-Kader – und die Presse diskutiert mal wieder die beliebte T‑Frage. Kürzlich führte Adler im „Hamburger Abendblatt“ die Gründe für sein Comeback an: „Ich habe gelernt, auch mal ganz einfach nur zu entspannen.“ Ein Satz, den Oliver Kahn erst nach seiner Karriere kennenlernte.
Nikolce Noveski (FSV Mainz 05)
Nikolce Noveski bleibt dran: Fest an die Fersen von Manni Kaltz geheftet, hat er den Blinker zum Überholen schon gesetzt. Im Februar 2012 zog der Mainzer Kapitän in einem Spiel gegen Hoffenheim mit seinem insgesamt sechsten Eigentor mit dem Eigentor-Rekordhalter Kaltz gleich. Unvergessen bleibt jedoch Noveskis 2005 erzielter Eigentor-Doppelpack innerhalb von 132 Sekunden nach nur sechs Spielminuten. Danach erzielte Noveski sogar noch den Anschlusstreffer, die Partie gegen Eintracht Frankfurt endete 2:2. Nach dem Spiel kommentierte der mazedonische Nationalspieler: „Immerhin war es mein erster Hattrick.“ Trotz der guten Abwehrleistungen hat es in der Hinserie 2012 nicht für den alleinigen Rekord gereicht. Immerhin: Noveski schaffte seine sechs Eigentore in 256 Partien, Kaltz brauchte 581 Spiele. Am siebten Spieltag der laufenden Saison gelang dem Mainzer Abwehrroutinier gegen Fortuna Düsseldorf sogar sein siebter Treffer ins gegnerische Tor. Mit dem Kopfballtor in der 85. Minute sicherte er Mainz drei Punkte.
Dante (FC Bayern)
Beim FC Bayern gibt es jede Saison mindestens einen neuen Spieler, dem man trotz guter Leistungen wenig bis gar nichts zutraut. Der Spieler, der alleine durch seine Reservistenrolle beim FC Bayern die Konkurrenz schwächt. So einer sollte Dante sein, da waren sich viele Experten einig. Der „kicker“ fragte etwa in einem Interview vor Saisonstart: „Müssen Sie angesichts der Konkurrenz, die nicht nur Holger Badstuber oder Jerome Boateng heißt, die Rolle als Bankdrücker einkalkulieren?“ Es kam alles ganz anders, und Anfang Dezember ließ sich der besonnene Jupp Heynckes zu dieser Aussage hinreißen: „Dante spielt immer!“ Zurecht, denn Dante zeigte im Gegensatz zu Jerome Boateng (zwischenzeitlich verletzt) konstant gute Leistungen. Und weil er bislang noch nicht für die Selecao auflief, begannen im Dezember sogar Diskussionen um einen möglichen Einsatz in der DFB-Elf. Dantes Kommentar: „Bei Interesse können wir immer darüber nachdenken.“
Gonzalo Castro (Bayer Leverkusen)
Auch so ein Comeback. Im Jahr 2007 machte der damals 20-jährige Gonzalo Castro fünf Länderspiele und wurde zum kommenden Bundesliga-Superstar hochgejazzt. Danach tauchte er irgendwie stetig unter dem Medien-Radar hindurch. Erst im März 2012 war er wieder in den Schlagzeilen vertreten, weil der Deutsch-Spanier vor Leverkusens Auswärtsspiel in Barcelona 40 Tickets für seine katalanischen Verwandten orderte. Eine rührende Geschichte. Die EM sei immer noch „ein Traum für ihn“, sagte damals Sportmanager Michael Reschke. Doch Jogi Löw rief nicht an, und Castro spielte die Saison unaufgeregt zu Ende. Dabei war es ein Irrglaube, dass Castro stagnierte. Im Gegenteil: Er wurde immer besser und vor allem immer offensiver. Mittlerweile hat er über 250 Pflichtspiele für Bayer Leverkusen absolviert. Momentan spielt er die vielleicht beste Saison seiner Karriere: 17 Spiele, sechs Tore, vier Vorlagen. Für einen Platz bei Jogi reicht es immer noch nicht. Mitte Dezember sagte Castro deswegen, dass er sich vom DFB ein „wenig vernachlässigt“ fühle. Kopf hoch, Gonzalo: Die 11FREUNDE „Elf der Hinrunde“ kümmert sich um dich!
Szabolcs Huszti (Hannover 96)
Und das dritte Comeback in unserer Elf. Szabolcs Huszti verließ Hannover 96 im Jahr 2009 in Richtung Sankt Petersburg und kehrte diesen Sommer zurück. Und wie: Am zweiten Spieltag bereitete er beim 4:0‑Sieg gegen den VfL Wolfsburg alle Tore vor, am dritten Spieltag war er beim 3:2 gegen Werder Bremen wieder Assistgeber und traf zweimal. Das Siegtor schoss er per Fallrückzieher in der 92. Minute. Danach zog er sein Trikot aus und erklomm den Zaun des Fanblocks. Schiedsrichter Deniz Aytekin zeigte ihm für beide Aktionen die Gelbe Karte. In der Summe, richtig, Gelb-Rot. Der penibelste Platzverweis der Saison. Schon deshalb darf Huszti bei uns noch einmal auflaufen – und so viel Zäune erklimmen, wie er möchte.
Toni Kroos (FC Bayern)
Kalauernd könnte man anmerken, dass Bayerns junger Mittelfelddirigent „kroos geworden“ ist. Toni Kroos war trotz seiner gerade einmal 22 Jahre einer der hervorstechenden Protagonisten der Rekordhinserie beim FC Bayern München. „Er kann rechts wie links, hinten wie vorne“, hätte Franz Beckenbauer auch über Toni Kroos sagen können (Beckenbauer 1990 über Lothar Matthäus). Das Jahrhunderrtalent Toni Kroos ist auf dem besten Weg, sein Versprechen an den Fußball einzulösen. Er avancierte zur unumstrittenen Stammkraft in der Nationalelf und in Bayerns Starensemble.
Juan Arango (Borussia Mönchengladbach)
Im Februar 2012 wählten Leser der Tageszeitung „Ultimas Noticias“ aus Venezuela Borussia Mönchengladbachs Juan Arango zum besten venezolanischen Fußballer aller Zeiten. In seinem Heimatland wird Arango nur „Arangol“ oder „El Huracán del Caribe“ genannt (Der Hurrikan der Karibik). Dass er seine Spitznamen zurecht trägt, bewies der Mittelfeldregisseur einmal mehr in dieser Hinserie: Durch seinen späten Ausgleich gegen Marseille zog Gladbach in die Zwischenrunde der Europa League ein, längst bezeichnet Gladbachs Trainer Lucien Favre den linken Fuß von Arango als Waffe. Traumfreistöße gehören fast schon zu seinem Standardrepertoire. Zur Abwechslung versenkt Arango gerne mal Bälle aus 45 Metern (16. Spieltag gegen den FSV Mainz) oder kloppt 40-Meter-Pässe per Direktabnahme von der Strafraumkante ins lange Eck (14. Spieltag gegen den VfL Wolfsburg). Kaum ein Spieltag verging ohne eine unfassbare Aktion oder ein Traumtor des Spielers, der gerne zwei linke Füße hätte.
Stefan Kießling (Bayer Leverkusen)
Zu den in letzter Zeit meist zitierten und irrelevantesten Statistiken gehört sicherlich diese hier: Stefan Kießling ist der beste deutsche Torschütze im Kalenderjahr 2012. Für seine 25 Treffer gibt es: Nichts. Nicht einmal einen Einsatz in der Nationalelf. Dabei hat Joachim Löw den Leverkusener Stürmer angeblich noch auf dem Zettel („Ich registriere seine Leistungen absolut“). Wahrscheinlich steht Kießling auf dem selben Blatt Papier wie Kevin Kuranyi, Roman Weidenfeller und Tim Wiese. Ansonsten zeigte sich der Knipser 2012 auch bei der Namenswahl weiterhin treffsicher: Im Oktober kam die kleine Hailey-Milu Kießling zur Welt, ihr großer Bruder Tayler-Joel (geboren im Februar 2008) bekommt endlich Gesellschaft. Besonders schön: Kießling tätowierte sich die Namen seiner Kinder auf den Unterarm (leider jeweils nur den ersten Teil der Doppelnamen).
Adam Szalai (FSV Mainz 05)
Die „Bruchweg Boys“ im Jahre 2012: Längst hat sich die One-Hit-Wonder-Band aus Mainz getrennt. 2010 stand die Formation noch wochenlang auf Tabellenplatz eins, inzwischen gehen die Stars und Skandalnudeln Lewis Holtby und André Schürrle, die klischeemäßig divenhaften Sänger und Gitarristen, ihren erfolgreichen Solokarrieren nach. Zurück am Bruchweg stand Adam Szalai, der damalige Drummer der Mainzer Erfolgsband, einsam und verlassen vor einem Scherbenhaufen. Nach langer Verletzungszeit abseits der großen Bühne Bundesliga, konnte Szalai dieses Jahr endlich wieder an die großen Erfolge der Vergangenheit anknüpfen und rockte fortan auch solo die Bundesliga. Kein Wunder, perfekt durchchoreografierte Jubelperformances nach jedem seiner neun Hinrundentreffer kommen bei allen Teenies gut an. Far out!
Rafael van der Vaart (Hamburger SV)
13 Millionen Euro machte HSV-Edelfan Klaus-Michael Kühne kurz vor Transferschluss für Rafael van der Vaart locker. Von den einen wurde der Rückkehrer als Heilsbringer empfangen, von anderen als geläuterter Verräter. Van der Vaart hatte sich schließlich bei seinem letzten Gastspiel in Hamburg nicht immer mit Ruhm bekleckert. Einmal wollte er etwa seinen Wechsel nach Spanien forcieren, indem er sich von einem Pressefotografen im Valencia-Trikot ablichten ließ. Nach ein paar Spielen in dieser Saison war das vergessen. Alles schien wie früher: Die Pässe, die Tore, der Jubel – und ja, auch die Verletzungsanfälligkeit. Aber es gab trotzdem viel zu berichten, denn Rafael brachte wieder seine Familie mit, die Presse schlug Purzelbäume. Beinahe täglich wurde darüber berichtet, in welchen Verein Sohnemann Damian van der Vaart eventuell eintreten wird. Als er sich für den SC Victoria entschied, warteten die Reporter sehnlichst auf das erste Tor. Als es fiel, war Rafael van der Vaart gerade auf dem Heimweg von einem Auswärtsspiel. Tragisch! Außerdem erfuhren wir, dass die Van der Vaarts in einer 400-Quadratmeter-Wohnung mit Dachterasse wohnen. „Wie eine ganz normale Familie!“, sagte Sylvie van der Vaart. Normal? Ach! Bei 11FREUNDE wohnen selbst Praktikanten in 800-Quadratmeter Lofts in Berlin-Mitte. Mit Swimmingpool.
Alex Meier (Eintracht Frankfurt)
Alex Meier spielt seit acht Jahren bei Eintracht Frankfurt. Acht Jahre bei ein und demselben Verein! Heutzutage, da einige Spieler nach vier Jahren Bundesliga bereits bei fünf bis zwölf Vereinen Station gemacht haben, fühlt sich das wie ein halbes Leben an. Bislang galt Meier als solider Offensivspieler, der mal bessere, mal schlechtere Tage sah. Er sei zu harmlos vor dem Tor, hieß es oft. Doch seit 2011 läuft es für ihn. In der Aufstiegssaison wurde er Torschützenkönig der Zweiten Liga. In der Hinrunde der aktuellen Spielzeit hat er bereits elf Mal getroffen, öfter also als Mario Mandzukic oder Robert Lewandowski. Wie kam es zur Leistungsexplosion? Liegt alles am Trainer? Vielleicht. Armin Veh ist jedenfalls großer Meier-Fan, er redete ihn konsquent stark und machte ihn zum stellvertretenden Kapitän der Mannschaft. Kürzlich sagte er: „Der Junge weiß manchmal gar nicht, was er alles kann. Der kann so viel.“
Christian Streich (Trainer)
In Baden hat der Christian Streich längst Kultstatus: Die Badische Zeitung huldigt dem Trainer des SC Freiburg mit der Rubrik „Streich der Woche“ und inzwischen gibt es sogar einen „Streich-o-Mat“, der auf Knopfdruck die badisch genuschelten Ausdrücke des Übungsleiters wiedergibt. Damit steht Christian Streich fast schon auf einer Stufe mit Werner Hansch und der legendären „Hanschmaschine“. Abgesehen von treffsicheren Stilblüten und erdigen Ansichten, lässt sich Streichs Philosophie auf diese Formel reduzieren: „Am Besten machst´n Fernseher nicht an, schaust´ Tabelle nicht an. Spielsch, Übsch! Bringt ja alles nix.“ Ganz nebenbei hat Streich Freiburg die erfolgreichste Hinrunde der Vereinsgeschichte beschert, nachdem er den Sportclub Anfang des Jahres schon vor dem Abstieg gerettet hatte.