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Wenn die Dame am Emp­fang mor­gens das erste Mal ver­se­hent­lich ver­gisst, dich zu grüßen“, hat Fried­helm Funkel mal gesagt, weißt du, dass es langsam eng wird.“ Damals war er gerade mit Ein­tracht Frank­furt in die Bun­des­liga zurück­ge­kehrt. Die sechste Sta­tion seiner Trai­ner­lauf­bahn. Und offenbar ahnte er, dass ihm auch dieser Job nicht bis in alle Ewig­keit erhalten bleiben würde.

Das Anspruchs­denken in Tra­di­ti­ons­klubs, das hat er leid­voll erfahren, ist meis­tens größer als die wirt­schaft­li­chen und sport­li­chen Rea­li­täten. Funkel wurde sechs Mal in seinem Leben ent­lassen, drei Mal trat er aus freien Stü­cken vom Amt zurück. Auch in Frank­furt, dem Verein, bei dem er mit am längsten in der Ver­ant­wor­tung war. Ihm wurde zum Ver­hängnis, dass das Umfeld des Klubs sich nicht mehr mit einem soliden Mit­tel­feldrang in der Erst­klas­sig­keit zufrieden gab. Doch kaum hatte er sich höf­lich aus seinem Arbeits­ver­hältnis zurück­ge­zogen, dockte die Ein­tracht nicht etwa an der Tabel­len­spitze an, son­dern fand sich in der Zweit­klas­sig­keit wieder.

So ist es vielen Klubs ergangen, die glaubten, der freund­liche Neusser mit dem Pan­zer­kna­cker-Bart ent­spräche nicht dem Maß­stab eines großen, staats­tra­genden Trai­ners. Was auch immer das bedeuten soll. 

Funkel war lange Zeit der Inbe­griff des Malo­chers, des Ret­ters und Pro­blem­lö­sers. Kam eine graue Maus in der ersten oder im oberen Drittel der zweiten Liga ins Strau­cheln, passte er plötz­lich per­fekt ins Anfor­de­rungs­profil. Merk­male: struk­tu­riert, kri­sen­er­probt, fleißig, erfolgs­ori­en­tiert, nahbar und – bezahlbar. Doch sobald der Coach Klubs wie den 1. FC Köln, Ein­tracht Frank­furt und zuletzt auch For­tuna Düs­sel­dorf zurück in Tabel­len­re­gionen führte, die von Ver­ant­wort­li­chen offenbar als natür­li­cher Lebens­raum miss­ver­standen wurden, sank die Ach­tung vor den Leis­tungen des Fried­helm Funkel merk­lich.

Er hat nie eine Show aus seinem Job gemacht“

Womög­lich lag es daran, dass er trotz der ver­än­derten Vor­zei­chen par­tout keine Allüren an den Tag legte und sich weiter mit der Beharr­lich­keit eines Mecha­ni­kers Tag für Tag unter die Motor­haube seiner Mann­schaft beugte, um an Stell­schrauben zu drehen. Im Unter­schied zu vielen Kol­legen hat Fried­helm Funkel aus seiner Arbeit nie eine Show gemacht. Er hat sie ein­fach nur ver­richtet: zuver­lässig, ehr­lich, unauf­ge­regt. Man­chem in den Pro­fi­klubs, wo der Blut­druck eupho­risch pul­sierte, war diese Art des Umgangs offenbar suspekt. Zu bieder, zu alt­ba­cken, zu ana­chro­nis­tisch. Einer vom alten Schlag“.

Zumal sich Funkel stets zu seiner Schla­ger­liebe bekannte und dazu, dass er im Kar­neval gern auf dem Wagen mit­fährt. Dass er sich in seiner Frei­zeit zum Kar­ten­spielen mit den alten Kum­pels an der Cala Rat­jada trifft und dort abends durch die Bars tin­gelt. Dass er vor Bun­des­li­ga­spielen nicht mehr in die Kabine geht, weil ihm das Bumm-bumm“ aus der Anlage dort auf die Nerven fällt und er es gerne sieht, wenn seine Spieler die Bade­lat­schen auf die dafür vor­ge­se­hene Ablage unter der Sitz­bank stellen. Funkel hat nie ver­sucht, sich moderner, hipper oder elo­quenter dazu­stellen, als er ist. Er war ein­fach nur: der Trainer.

Mit dieser Art ist es ihm gelungen, an keiner ein­zigen Sta­tion ver­brannte Erde zu hin­ter­lassen. So sehr man auch sucht, man findet keinen im deut­schen Fuß­ball, der schlecht über ihn redet. Wenn er sich von seinen Klubs ver­ab­schie­dete, stellte er den Dienst­wagen gewa­schen und voll­ge­tankt an der Geschäfts­stelle ab. Er gab jedem Mit­ar­beiter artig die Hand und im Zweifel ist er auch – wenn er nichts mehr bewirken konnte – von sich aus zurück­ge­treten und hat den Klub von finan­zi­ellen Ver­pflich­tungen ihm gegen­über befreit. Ein Ehren­mann. Eigen­schaften, die ihn übri­gens mit Jupp Heyn­ckes ver­binden. Noch so einer vom alten Schlag, der erst auf der Ziel­ge­rade seiner Trai­ner­lauf­bahn die Aner­ken­nung erhielt, die ihm schon viel früher gebührt hätte.

Und auch das gehört zur Pflicht des Chro­nisten: Funkel ist der wohl letzte Trainer im deut­schen Pro­fi­ge­schäft, der nicht darauf besteht, dass ihm Inter­views zur Auto­ri­sie­rung vor­ge­legt werden. Sie machen das schon“, sagt er bei­läufig am Ende eines Gesprächs. Denn er wählt seine Worte sorg­fältig, er neigt nicht zur Indis­kre­tion und er hat etwas, das vielen in diesem Geschäft abgeht: Ver­trauen. Er ver­traut auf die Ehr­lich­keit seines Gegen­übers. 

Keiner im deut­schen Pro­fi­fuß­ball hat mehr Spiele auf dem Buckel“

Nur ein ein­ziges Mal wurde akten­kundig, dass Funkel eine Ent­schei­dung mit Fas­sungs­lo­sig­keit quit­tierte. Als For­tuna Düs­sel­dorf im Win­ter­trai­nings­lager ver­kün­dete, seinen Ver­trag nicht mehr zu ver­län­gern. Da kamen nicht nur den Spie­lern die Tränen, son­dern auch dem hart­ge­sot­tenen Übungs­leiter selbst. Trotz guter Aus­sichten auf den Klas­sen­er­halt – so kam es wohl bei ihm an – war selbst dieser Verein nicht in der Lage oder gar Wil­lens, eine trag­kräf­tige Zukunfts­vi­sion mit ihm als ver­ant­wort­li­chem Coach zu ent­wi­ckeln.

Offenbar sind Klub­bosse ein­fach nicht in der Lage die Poten­tiale zu erkennen, die Funkel ver­eint: Schließ­lich hat kein deut­scher Pro­fi­trainer mehr gesehen. Keiner ist öfter in die Bun­des­liga auf­ge­stiegen (sechs Mal), keiner hat als Aktiver und Coach im bezahlten Fuß­ball mehr Spiele auf dem Buckel (weit über 1300), kaum einer trai­nierte mehr Pro­fi­klubs (zehn). Mit dieser fetten Paket an Erfah­rung ist es Funkel nun gelungen, For­tuna Düs­sel­dorf bereits sechs Spiel­tage vor Sai­son­ende vor dem Abstieg zu bewahren. Das Team mit dem zweit­nied­rigsten Etat der Bun­des­liga schloss auf Platz zehn ab, 16 Punkte vor dem Rele­ga­ti­ons­rang. Obwohl der For­tuna-Markt­wert nur knapp ein Zehntel des FC-Bayern-Kaders beträgt, spielten die Düs­sel­dorfer in der Allianz Arena unent­schieden. Das Mas­ter­mind hinter all diesen Erfolgen: Fried­helm Funkel. Der nichts so sehr hasst, wie die Frage nach Kon­zept­trai­nern. Als ob ein Coach wie er kein Kon­zept habe.

Nun hat er ange­kün­digt, dass Düs­sel­dorf seine letzte Sta­tion sein wird. Er will reisen. Er will Karten spielen. Wahr­schein­lich will er auch end­lich in Ruhe Helene Fischer und Andrea Berg hören. Es wird also Zeit, ihm zu attes­tieren, dass er nicht nur die bestän­digste Kraft in einer von Unbe­stän­dig­keit geprägten Spiel­klasse ist, son­dern eine prä­gende Per­sön­lich­keit des Fuß­balls. Zeit zu sagen: Fried­helm Funkel ist ein großer Trainer. Und dass hof­fent­lich nie mehr vor­kommt, dass eine Dame am Emp­fang ver­se­hent­lich ver­gisst, ihm einen Guten Morgen“ zu wün­schen.