„Der Tiger kämpft bis zum Ende“, kündigte Nicklas Bendtner an, als er in Wolfsburg auf der Bank saß. Das galt auch für das Interview, das wir mit ihm führten: Ein sechzigminütiges Duell, bei dem verlor, wer zuerst blinzelte.
Man will sein Vertrauen nicht enttäuschen, aber natürlich kommt man nicht umhin, auch über sein Image zu sprechen. Sind Sie ein Sonderling, Herr Bendtner? Stimmt es, dass Sie bei einem Test, bei dem Ihr Selbstvertrauen gemessen werden sollte, eine 11 erreichten, obwohl die Skala nur bis 10 ging? Haben Sie früher andere Kinder gemobbt? Sind Sie manchmal einsam? Der Fragenkatalog liegt jetzt, da man mit dem 1,95 Meter großen Bendtner in den Presseraum geht, deutlich schwerer in der Hand als die fünf Blatt Papier, aus denen er besteht.
Aber die Einstiegsfrage, die muss harmlos sein, als Eisbrecher: Ihr Lieblingstier ist der Tiger, Herr Bendtner. Warum?
Nicklas Bendtner: „Er steht am Ende der Nahrungskette. Er frisst, um zu überleben, ohne Mitleid zu haben, er kennt es nicht einmal. Er ist der Räuber schlechthin, ein Tier von gefährlicher Schönheit.“
Das ist nun nicht gerade eine Eisbrecherantwort. Man hat es hier offenbar mit dem Bundesligaräuber schlechthin zu tun, einem Gesprächspartner von gefährlicher Schönheit – und ist angekommen am Ende der Interviewnahrungskette. Bendtner, der Endgegner, krempelt sich die Ärmel hoch und lächelt maliziös. Selbst im Sitzen ist er noch größer als man selbst im Stehen. Eine schwache Frage, und er frisst einen einfach auf und geht dann ungerührt zur Massage.
Als wollte er dieses Interview für sich entscheiden
Sein Sonnenbrille hat er natürlich längst abgesetzt. 60 strapaziöse Minuten lang blickt er einem direkt in die Augen und in einen hinein, dorthin, wo er das kleine Hasenherz seines schwächlichen Gegenübers vermutet. Er würde seinen Blick wohl nicht mal abwenden, wenn plötzlich direkt neben ihm Dante mit dem VfL-Maskottchen Wölfi Lambada tanzen würde. Kein notorisches Zupfen am Ohrläppchen, wie es so viele seiner Kollegen zeigen, wenn sie was sagen sollen, aber nicht können. Als wollte er einen niederstarren, ja, als wollte er dieses Interview für sich entscheiden. Wer zuerst blinzelt, der verliert. Und man muss höllisch aufpassen, nicht nachzulassen. Denn: Der Tiger kämpft bis zum Schluss.
Eine der letzten Fragen, gestellt schon mit dem Gefühl eines unterlegenen Boxers, den nur der Gong noch retten kann: Kämpft der Tiger eigentlich auch gegen sich selbst?
Wirkungstreffer: Bendtners Augen verengen sich zu Schlitzen, im Taumeln plant er schon den Gegenschlag. Man versucht angestrengt, nicht jetzt schon vom Stuhl zu fallen, man ist ja schließlich nicht Mogli und er nicht Shir Khan. Und das anmutige Märchenpferd, das auf seinen Unterarm tätowiert ist, verrät das nicht eine weiche Seite an ihm? Man betrachtet es, das beruhigt.
Nicklas Bendtners Antwort auf die letzte Tiger-Frage und viele andere steht in der neuen Ausgabe von 11FREUNDE. Drei Tage nach dem Interview, in dem er sich noch über sein Reservistendasein beklagt hat, spielt Nicklas Bendtner übrigens von Anfang an und schießt ein Tor. Offenbar hat er sich dann doch noch durchgesetzt beim VfL Wolfsburg. Wer ihm mal eine Stunde lang gegenüber gesessen hat, den kann das kaum überraschen.