Irgendwie hat Unai Emery beim FC Villarreal aus einer zusammengewürfelten Truppe ein international erfolgreiches Team geformt. Das zeigte jüngst das 1:0 gegen den FC Bayern. Was ist bei Villarreal passiert?
„Villarreal zähmt die Bestie“, titelte die spanische AS am Tag nach dem Triumph. „Unai Emery erteilt Nagelsmann eine Lektion“, hieß es weiter. Taktisch, so hatte es den Anschein, hatte Unai Emery seine Elf vor dem Hinspiel des Champions-League-Viertelfinals perfekt auf den Gegner, den FC Bayern, eingestellt. Er ließ Villarreal tief verteidigen, die Münchner taten sich mit den ultrakompakt stehenden Spaniern 90 Minuten lang schwer. Im Großteil der Zweikämpfe ging ein Villarreal-Spieler als Sieger hervor, während der Auftritt der Deutschen bisweilen lethargisch anmutete.
Und das forsche Spiel der Heimmannschaft, die sofort mutig und giftig begann, wurde früh belohnt: Das 1:0 fiel bereits in Spielminute acht. Bei Ballgewinn in der eigenen Hälfte schaffte es das Emery-Team im weiteren Verlauf des Spiels immer wieder, Angriffe zu starten, denen Bayern wenig entgegenzusetzen hatte. Einige der Konter hätten Tore nach sich ziehen müssen, doch Villarreal brachte den Ball kein zweites Mal über die Linie. Das Ergebnis wirft Fragen auf.
Denn auf dem Papier fällt der Vergleich zwischen den Spielern von Bayern und denen, die bei Villarreal unter Vertrag stehen, eindeutig aus. Das zeigt nicht zuletzt der Gesamtmarktwert der beiden Kader: 804,5 Millionen Euro (Bayern) und 382,5 Millionen Euro (Villarreal). Auf der Seite der Bayern steht ein durchgeplanter Kader mit Zukunftsperspektive – siehe Jamal Musiala, Alphonso Davies und Kingsley Coman –, auf der anderen Seite ein Villarreal-Kader, der zusammengewürfelt erscheint.
Alternde Stars wie Raul Albiol (36), noch aus seinen Real-Madrid- und Nationalmannschafts-Zeiten bekannt, oder Daniel Parejo (32) spielen an der Seite von vielen Spielern, die bei anderen europäischen Topklubs – zum Großteil englischen – durchs Raster fielen. Der 33-jährige Franzose Etienne Capoue etwa, der gegen die Bayern beginnen durfte, spielte von 2013 bis 2015 für Tottenham. Oder Francis Coquelin (30), der einst für Arsenal spielte und sogar an den SC Freiburg verliehen wurde.
Alle diese Spieler wussten im Spiel gegen den FC Bayern zu überzeugen. Hervorzuheben sind aber insbesondere die beiden Argentinier Giovani Lo Celso und Juan Foyth. Ersterer spielte im Januar sein letztes Spiel für Tottenham, nur um wenige Wochen später zu Villarreal zu wechseln. Bei den Spurs war er unter Trainer Antonio Conte, der keinen Gebrauch für ihn hatte, aussortiert worden. Bei Villarreal blüht er jetzt auf. Lo Celso war gegen Bayern überall auf dem Spielfeld zu finden – und am 1:0 maßgeblich beteiligt: Er stürmte die rechte Seite herunter, passte den Ball zum 30-jährigen Stürmer Gerard Moreno und wählte den direkten Laufweg in den Strafraum, wo er den Ball von Moreno wiedererhielt. Über Dani Parejo landete der Ball beim einschussbereiten Arnaud Danjuma, der wenig Mühe hatte einzuschieben. Lo Celso wurde nach Spielende zum Man of the Match gewählt.
Juan Foyth erlebt gerade Ähnliches. Auch er war von Tottenham an die spanische Mittelmeerküste gewechselt. Im Sommer 2021 überwies Villarreal 15 Millionen Euro für den 24-jährigen Rechtsverteidiger. Im Spiel gegen Bayern agierte Foyth agil und hartnäckig und war neben Landsmann Lo Celso einer der besten Spieler. Den beiden gelang es, der linken Seite der Bayern, um die dynamischen und torgefährlichen Alphonso Davies und Serge Gnabry, komplett den Wind zu nehmen.
Das Spiel zeigte in aller Deutlichkeit: Emery hat es geschafft, aus diesem Pool von Spielern, die entweder kurz vor dem Karriereende stehen oder noch relativ jung sind, aber bei anderen Vereinen zu wenig Spielpraxis bekamen und aussortiert wurden, ein Kollektiv zu formen, das in der Lage ist, die individuelle Wucht eines FC Bayern zu egalisieren. So wie zuvor die von Juventus Turin. Er hat es durch strenge taktische Schulung geschafft und durch das Vermitteln eines kollektiven Spielgefühls. Die Spieler folgen ihm bedingungslos. Torschütze Danjuma nannte Emery gegenüber spanischen Sportmedien erst kürzlich „mastermind“.
So hatte ein Robert Lewandowski keine einzige nennenswerte Aktion, weil ihn die Villarreal-Verteidigung um Kapitän Raul Albiol komplett aus dem Spiel nahm. Bayern hatte zwar seine Chancen in der zweiten Hälfte, Thomas Müller gar nach Vorlage Serge Gnabrys eine große zum Ausgleich. Villarreal blieb aber seinem System treu und konterte die Münchner aus einer stabilen Defensive heraus immer wieder aus. So, wie sie es auch beim 3:0 im Achtelfinalrückspiel gegen Juventus Turin praktiziert hatten. Nur hatten sie dort Glück, dass Turin zahlreiche Chancen liegen ließ. Die ließ man gegen Bayern gar nicht erst zu.
Fiel der Sieg bei Juventus noch höher aus, fehlten Villarreal am Mittwochabend einzig und allein weitere Tore, um den Abend zu perfektionieren. An Chancen hatte es nicht gemangelt. Der FC Bayern hatte vor allem: Glück.