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Seite 2: Elf Meter zur Unsterblichkeit

In Alte­noythe hatten sie das Pokal­wunder eigent­lich für den 19. März geplant. Da sollte Vox­trup kommen, ein Lan­des­li­gist, haus­hoher Favorit. Wes­halb sie im Dorf eine mobile Flut­licht­an­lage orga­ni­sierten, das Spiel sollte am Abend ange­pfiffen werden. Brat­wurst­bude, viel Bier, ein High­light halt. Dann kam Corona. Also treffen die Mann­schaften aus Vox­trup und Alte­noythe acht Wochen später auf­ein­ander. Und die Chancen, den Favo­riten zu schlagen, sind natür­lich größer. Als wären 90 Minuten schon vorbei und jetzt: Elf­me­ter­schießen.

Im Tor steht Joscha Witts­truck. Blonde Mähne, große Hände. Sieht so ein Elf­me­ter­killer aus? Ges­tern hat er noch am Eigen­heim gebaut, sagt er, heute ist er mit­ge­fahren. Ich glaube, der ein oder andere hat ges­tern noch ein’ gehabt“, sagt er leise. Dann zieht er sich die Hand­schuhe über und geht ins Tor. Alte­noythe trifft, Vox­trup auch. Zwei schießen vorbei. Dann ist Budde dran, der vorhin nicht pin­keln konnte. Er zielt nach unten rechts, Witts­truck ist dran, Alte­noythe ist eine Runde weiter. Sag ich doch“, lacht Blanke, der hin­term Zaun steht, wir holen das Ding.“

Ist das die Chance, den Fuß­ball kom­plett neu zu denken?“

Im Vier­tel­fi­nale geht’s ganz schnell: Lohne schlägt Hol­lage, Brake schickt Del­men­horst heim, Alte­noythe kommt noch eine Runde weiter. Dann ist Vor­wärts Nord­horn an der Reihe. Aber der Gegner fehlt. Sind auf’m Weg“, ruft Brinker, der Spiel­aus­schuss­leiter durch ein Mega­phon. Und tat­säch­lich: Zehn Minuten später kommt ein dun­kel­brauner Bus die Straße ent­lang­ge­fahren. Der SV Hage ist den ganzen Weg von der Nordsee her­ge­fahren. Zwei Stunden hat das gedauert. Die Spieler ziehen sich im Eil­ver­fahren die Schuhe an. Ein paar Mit­ge­reiste warten hin­term Zaun, das NDR-Team kommt auf sie zuge­eilt, ein Richt­mi­krofon wird über das Gitter gehalten. Erste Frage: Ist das die Chance, den Fuß­ball kom­plett neu zu denken?“ Der Befragte nimmt nach­denk­lich einen Schluck aus der Pulle.

Die Spieler des SV Hage sind mitt­ler­weile bereit, also los. Hages Lohoff trifft noch, dann klappt nichts mehr. Der letzte Schütze muss gar nicht mehr antreten, Hage ist nach fünf Minuten und vier Elf­me­tern aus­ge­schieden. Jetzt geht’s zurück, noch einmal zwei Stunden Bus­fahrt. Wir sind hier­her­ge­fahren“, sagt der Trainer, als die Mann­schaft im Kreis steht, und wir waren halt nicht besser. Aber so haben wir einen Abschluss.“ Die Spieler sehen zufrieden aus. Der Sponsor, die Brauerei, hat einen Gut­schein vor­be­reitet. 30 Liter Frei­bier. Ja, dat is doch topp“, sagt der Tor­wart und nimmt den Vou­cher in Emp­fang. Viel­leicht muss der Fuß­ball gar nicht neu gedacht werden.

Elfmeterschiessen MG 0222 WEB

Da ist das Ding! Nach Abpfiff wird hygie­nege­recht durchs Dach­fenster gefeiert.

Kai Senf

Die Alte­noy­ther Fan­ge­meinde denkt jetzt nur noch an den Sieg. Halb­fi­nale: Der SVA, so die gän­gige Abkür­zung, hat dreimal ver­schossen. Und das ist eigent­lich zu viel, um Bezirks­po­kal­sieger zu werden. Aber Witts­truck hat auch schon zwei gehalten. Im Rücken der Fans laufen die Spieler vom SV Hage zum Bus. Witts­truck hält! Joshi, du Gra­nate!“ Und beim nächsten Schützen ist Witts­truck schon wieder in der Ecke. Joshi, du Katze!“ Alte­noythe ist im Finale. Luca, einer der Fans mit Despe­rado-Dose in der Hand, wird aus­er­koren, bei Hallo Nie­der­sachsen“ zu erklären, wie toll das hier ist“. Hek­tisch suchen die Kol­legen nach einem Kräu­ter­schnaps. Zur Beru­hi­gung. Denk dran, Luca, wir haben Frie­soythe raus­ge­hauen. Und Thüle! Das ist wichtig.“ Ein Offi­zi­eller geht dazwi­schen: Denkt an die Abstände.“ Luca ver­gisst Frie­soythe. Und auch Thüle.

Das Finale gegen Titel­ver­tei­diger Brake, deren Spieler erst gar keine Stutzen ange­zogen haben, das End­spiel also optisch auf die leichte Schulter nehmen, wird ver­spätet ange­pfiffen. Witts­truck, der Tor­wart, ist noch im Inter­view. Und dann? Der letzte Braker Elf­meter geht an die Latte. Match­ball“, ruft ein Fan. Mach dich unsterb­lich, Junge.“ Alte­noythe trifft. Bezirks­po­kal­sieger. Die Spieler laufen zu den Fans, feiern zusammen, getrennt durch einen Bau­zaun. Genial, oder?“, sagt Witts­truck. Es heißt, es werde jetzt ein Auto­korso orga­ni­siert. Immer zwei Spieler pro Cabrio – auf Abstand halt. Hat es im Pro­fi­fuß­ball eine schö­nere Pokal­feier gegeben? Dann muss Witts­truck weiter, Ost­friesen-TV wartet.