David Silva wurde selten die Anerkennung zuteil, die er für seine sportlichen Leistungen verdient gehabt hätte. Heute wird er 35 Jahre alt. Höchste Zeit, ihn endlich gebührend zu würdigen.
Dass David Silva trotzdem nie die Schlagzeilen bestimmt hat, mag zum einen daran liegen, dass er stets umgeben war von vor allem abseits des Platzes auffälligeren Spielern. Bei Manchester City gab es Mario Balotelli, Yaya Toure oder Sergio Aguero. Der eine warf Dartpfeile, der andere drohte öffentlich damit, den Verein zu verlassen, weil der ihm keine Torte zum Geburtstag geschenkt hatte, letzterer ist immerhin der Schwiegersohn von Diego Maradona. Dann wäre da noch der vielleicht markanteste Trainer der Welt, Pep Guardiola. Und in Deutschland schauten und schauen wir zudem vor allem auf die deutschen Spieler oder die mit Bundesligavergangenheit, Leroy Sané, Ilkay Gündogan, Kevin de Bruyne.
In der spanischen Nationalmannschaft dagegen war sein Problem, wenn man es denn Problem nennen möchte, dass er zwar meist spielte wie ein junger Gott, er aber nun mal umgeben war von etwas älteren Göttern, die einerseits sehr ähnliche Qualitäten besaßen und die sich andererseits bereits einen Namen gemacht hatten. Aber wer neben einem Xavi oder einem Andres Iniesta nicht nur nicht negativ auffällt, sondern sogar immer wieder Spiele entscheidet wie Silva beispielsweise das EM-Finale 2012, den sollte man auch in einem Atemzug mit genau diesen Spielern erwähnen.
„Er hat bewiesen, dass du auch als Top-Spieler weder arrogant noch ichbezogen sein musst“
Silva selber war sein eigenes Image nie wichtig. Seine Posts in den Sozialen Medien übersetzt er in der Regel nicht mal ins Englische, selbst als Kapitän von Manchester City gab er kaum Interviews. In Deutschland hätte man ihm nach einer eher durchschnittlichen Saison wie der vergangenen deswegen wahrscheinlich eine miese Einstellung vorgeworfen. Fehlenden Willen. Duckmäusertum. Sein ehemaliger Teamkollege Micah Richards sagt im Gespräch mit Simon Hattenstone: „Er mag es nicht, im Mittelpunkt zu stehen. Ich glaube, er kann mit Komplimenten nicht gut umgehen. Wenn ein Mitspieler ihm sagte, dass er großartig gespielt hätte, zuckte er nur mit den Achseln, hob die Hände, senkte den Kopf, sagte ‚Kein Problem‘ und ging dann weg.“ Silva, das unterscheidet ihn von manch anderem Spieler seines Kalibers, ist bescheiden. Richards: „Er hat bewiesen, dass du auch als Top-Spieler weder arrogant noch ichbezogen sein musst. Du kannst einfach ein netter Kerl sein.“
Ein netter Kerl. Ein zurückhaltender Typ. Ein Zauberer. Im Juli hat er sein letztes Premier-League-Spiel bestritten. Leise ist der abgetreten, ohne Zuschauer, unauffällig und ohne viel Tamtam. Im August ist er dann noch ein letztes Mal daran gescheitert, mit Pep und all den anderen Stars die Champions League zu gewinnen. Danach ging es für ihn nicht nach China oder in die Emirate, sondern zurück nach Spanien, zu Real Sociedad San Sebastian. Wo er die Mannschaft auf ein neues Niveau hob. Mit ihm gewann die enorm talentierte Truppe zwischenzeitlich sechs Spiele am Stück und eroberte Ende November die Tabellenführung. Danach verletzte er sich, von den sechs Spielen, die seine Teamkollegen ohne ihn auskommen mussten, gewannen sie nur ein einziges. Fest steht: Silva ist sportlich noch nicht fertig. Und vielleicht fliegen ihm ja zum Ende der Karriere sogar doch noch weltweit die Herzen zu. Jetzt, wo er nicht mehr für einen Verein spielt, der in den vergangenen Jahren neben allen Erfolgen vor allem auch mit Verstößen gegen das Financial FairPlay und mit den Sportswashing-Bemühungen der Besitzer aus Abu Dhabi in Erscheinung getreten ist. Dem Fußballer David Silva wäre es zu gönnen. Auch wenn er wahrscheinlich nicht wüsste, wie er mit all dem Lob umgehen soll.
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