Fans des FC Ingolstadt wollten bei Union Berlin eine Israel-Fahne aufhängen. Die Polizei ließ das aus politischen Gründen nicht zu – und muss sich dafür jetzt entschuldigen.
Fahnen gehören für Fangruppen in den Fanblock wie Instagram zum modernen Fußballprofi. Es ist so etwas wie ihr wöchentlicher Newsletter. Als sich eine Dortmunder Fangruppe vor kurzem aus Solidarität zu den Freunden aus Köln zum schiefen Vergleich „Je suis Boyz Köln“ verstieg, wurde wochenlang über die Bedeutung von Bannern und Fahnen gestritten.
Wenn Fans Flagge zeigen, spielt oft auch Politik eine Rolle. Gäbe es ein Buch über Zaunfahnen, vollgepackt mit Anekdoten und Fehltritten, es hätte seit gestern einen neuen Abschnitt, geschrieben von der Berliner Polizei.
Schauplatz des Geschehens war die Alte Försterei, Heimat von Union Berlin. Zu Gast war der Tabellenführer aus Ingolstadt, dem auch knapp 200 Fans aus dem Süden nach Berlin folgten. Sie zeigten zu Beginn eine kleine Choreographie und hielten ihre Vereinsfarben Schwarz, Weiß und Rot mit Plastikfahnen in die Luft. Klingt nach einem ganz normalen Fußballtag in Berlin-Köpenick.
Unterstützung für Almog Cohen
Doch da war der heikelste Moment des Nachmittags bereits passiert: Die mitgereisten Fans aus Ingolstadt wollten am Zaun ihres Gästeblocks neben den üblichen Gruppenfahnen auch eine Israel-Flagge präsentieren, wie sie es bei Auswärtsspielen schon oft getan haben. Im Kader des Tabellenführers aus der zweiten Liga ist mit Almog Cohen auch ein Israeli. Ein harmloser Vorgang, der sich nach dem Spiel zum großen Politikum hochschaukelte. Denn als die Fahne hing, traten Ordner des 1. FC Union an die Ingolstädter Anhänger heran und forderten sie auf, die Fahne abzunehmen.
Danach kam die Polizei hinzu. Nach einem Gespräch zwischen dem Ingolstädter Fanbetreuer und dem Einsatzleiter der Polizei wurde die Fahne abgehängt. Auch mit dem Sicherheitsbeauftragten von Union Berlin diskutierte die Polizei. Und blieb bei der Entscheidung konsequent: „Die Fahne muss weg.“
Union beugte sich der Entscheidung. Heute verkündete der Pressesprecher Christian Arbeit bei „Spiegel Online“ und Facebook: „Wir haben die Fahne als Unterstützung für Almog Cohen gewertet und hätten die Fahne dran gelassen.“ 2015 sollte es kein Problem sein, dass eine Israel-Fahne hängt, schließlich wehen in deutschen Stadien auch Flaggen anderer Nationen.
Auch das Verhalten der Ordner ist fragwürdig
In Berlin ticken die Uhren aber anders. Die Begründung der Polizei lautete, dass sie konsequent den Ansatz verfolgt, bei Großveranstaltungen, wie Fußballspiele es sind, auf politische Neutralität zu achten. „Berliner Linie“ heißt die Strategie. Egal ob in der „Alten Försterei“ oder im Olympiastadion von Hertha BSC. Es gab anscheinend keine Alternative, außer die Fahne abzunehmen.
Schon gestern verbreitete Ingolstadts Almog Cohen eine andere Version dieser Geschichte auf seinen Social-Media-Accounts und machte die Geschichte damit öffentlich. Als er mitbekam, dass die Fahne abgehängt wurde, fragte er selbst bei einem der Ordner nach. Der erklärte ihm, dass nur israelische Flaggen verboten seien. „Das hat mich schockiert“, sagte der Israeli der „Bild“. Union verbietet es grundsätzlich nicht, Flaggen ins Stadion zu nehmen, führt aber am Eingang Kontrollen durch.
Dass Ausnahmen gemacht werden, versteht auch der bekannteste Fanblog von Union Berlin, „Textilvergehen“, nicht: „Das Verbieten einer einzelnen Flagge halte ich für absolut daneben.“
Der Vorsatz der politischen Neutralität der Berliner Polizei scheint somit sehr dehnbar zu sein. Im vergangenen Jahr hing im Ingolstädter Gästeblock eine Kamerun-Flagge, da Marvin Matip, Kapitän der „Schanzer“, aus dem Land stammt. Damals war die Fahne in der Alten Försterei kein Problem.
Gestern hieß es noch, das Verbot der Israel-Flagge diene der „Gefahrenabwehr“, weil es in Berlin eine große palästinensische Gemeinde gibt, die nicht provoziert werden solle. Das dementierte die Polizei heute wieder. Ein möglicher Grund für die Alarmbereitschaft der Polizei könnte auch die riesige und von Gegendemonstranten begleitete Palästina-Konferenz vom Samstag gewesen sein.
„Eine Fehlentscheidung“
Dass die Polizei gestern Mist gebaut hatte, blieb auch beim obersten Chef nicht unbemerkt. Innensenator Frank Henkel drohte gestern mit Konsequenzen: „Ich halte das Abhängen der Fahne für die falsche Entscheidung. Sollte sich eine Fehlentscheidung bestätigen, wird sich die Polizei bei den Betroffenen entschuldigen.“
Das tat sie heute auch. „Die Aufforderung zum Einrollen der Flagge war eine Fehlentscheidung, für die ich bei den Betroffenen um Entschuldigung bitte“, ließ sich Polizeipräsident Klaus Kandt zitieren. Dass der Einsatzleiter das Zeigen der Flagge für ein politisches Statement hielt, war ebenfalls falsch. Für das Image der Metropole Berlin, die sich gerne als weltoffene Hauptstadt präsentiert, ist der Auftritt ihrer Polizei milde ausgedrückt ungeschickt. Die Ingolstädter nahmen die Entschuldigung des Polizeipräsidenten mittlerweile an. Gleichzeitig bedauerte der Verein, dass Almog Cohen überhaupt eine solche Situation erleben musste.
Nur Union Berlin hätte die Entscheidung der Polizei verhindern können. Der Klub hat im eigenen Stadion Hausrecht und hätte dafür sorgen können, dass die Fahne der Ingolstädter hängenbleibt. Hat er aber nicht. Deswegen muss sich auch Union zumindest den Vorwurf gefallen lassen, das hanebüchene Vorgehen der Polizei im eigenen Stadion toleriert zu haben. Und so kann am Buch über Zaunfahnen weiter geschrieben werden.