Nach acht Spieltagen steht Union Berlin auf Rang fünf der Tabelle – und spielt auch noch ansehnlichen Fußball! Wie kann das sein? Fünf Gründe für den Berliner Höhenflug.
37 Millionen Euro hat die Fußballstadt Berlin laut Transfermarkt.de im Sommer für neue Spieler ausgegeben. 90 Prozent des Geldes entfielen dabei auf Hertha BSC. Gerade einmal 3,5 Millionen Euro nahm Union für neue Spieler in die Hand. Der Klub verpflichtete hauptsächlich ablösefreie Akteure, verkaufte dazu mit Stürmer Sebastian Andersson eine Säule der vergangenen Saison.
Nach acht Spieltagen spiegelt sich die wirtschaftliche Realität nicht in der Tabelle wider. Union steht vor Hertha – und das deutlich. Mit 15 Punkten hat sich der Ostberliner Klub auf Rang fünf geschoben. Woher rührt Unions Höhenflug? Erlebt der Klub ein kurzzeitiges Hoch – oder kann er sich oben festsetzen? Fünf Gründe für den Erfolg.
Unions Strategie der vergangenen Saison ist schnell erklärt: Hoch und weit bringt Sicherheit! Die Abwehr und das Mittelfeld versuchten, Stürmer Andersson mit langen Bällen und Flanken zu füttern. Dieser Spielstil gepaart mit einer hohen Kompaktheit gegen den Ball und starken Standards bescherte Union den ersehnten Klassenerhalt.
Doch Trainer Urs Fischer wollte sich nicht auf diesem Erfolg ausruhen. Er entwickelte den Stil seiner Mannschaft weiter. Das neue Motto lautet: Mehr Fußball wagen! Union kombiniert sich flach aus der Abwehr und versucht, das eigene Mittelfeld stärker in den Aufbau einzubeziehen.
Der Plan geht auf: Union hat in dieser Saison deutlich mehr Ballbesitz (im Schnitt 48,9 Prozent) als in der vergangenen Spielzeit (43,8 Prozent). Vor allem in der Passgenauigkeit hat sich das Team verbessert – von 70,5 Prozent erfolgreicher Pässe auf 79,4 Prozent. So kann Union das Spiel diktieren, wenn der Gegner es verlangt. So etwa gegen Köln: Nach dem Ausgleichstreffer nahm Union das Heft des Handelns in die Hand, schraubte den Ballbesitz auf zwischenzeitlich über 60 Prozent hoch – und erzielte den 2:1‑Siegtreffer.
Max Kruse ist ein wichtiger Eckstein dieser neu gewonnenen Spielstärke. Nicht umsonst gilt der Paradiesvogel als einer der fußballerisch besten Stürmer der Liga. Ständig lässt er sich zurückfallen oder weicht auf den linken Flügel aus, um den Ball zu erhalten. Seine Pässe in die Schnittstelle der Abwehr suchen ihresgleichen.
Bei Union agiert Kruse etwas weiter vorne, als es bei Werder Bremen der Fall war. Auch nimmt er sich etwas weniger Freiheiten. Dennoch ist er ein wichtiger Faktor im Offensivspiel der Berliner. Mit vier Toren und fünf Assists ist er zugleich torgefährlichster Stürmer wie bester Vorlagengeber des Klubs.
Ein Kruse allein macht noch kein Spitzenteam. Dass Kruse in Berlin so eingeschlagen hat, liegt auch an den Spielern, mit denen er zusammenspielt. Er profitiert vor allem von den schnellen Außenstürmern: Während Kruse sich häufig fallenlässt, agieren Unions Außenspieler eher tororientiert. Sie ziehen diagonal in die Mitte und fungieren als Abnehmer für Kruses Pässe hinter die Abwehrkette.
Im Spielaufbau wiederum verfügt Union gleich über mehrere Spieler, die den Ball überhaupt erst zu Kruse spielen – ein nicht zu unterschätzender Faktor. Mittelfeld-Motor Robert Andrich ist hier der entscheidende Mann, kein Unioner spielt mehr progressive Pässe nach vorne als er. Aber auch die Innenverteidiger Marvin Friedrich und Robin Knoche beherrschen den gepflegten Flachpass aus der Abwehr.
Die Spielstärke im Mittelfeld sorgt zugleich dafür, dass Union nicht komplett abhängig ist von Kruse. Gegen Köln war der Stürmer-Star lange Zeit kein Faktor, versteckte sich hinter dem gegnerischen Mittelfeld. Union kontrollierte dennoch das Spiel und kam über die Außen zu Chancen. Union ist eben nicht nur Kruse.
Trotz all der offensiven Stärken darf das Fundament des Berliner Erfolgs nicht vergessen werden: Auch in dieser Saison lebt Union von der starken Defensive. Sie haben die viertwenigsten Tore aller Teams kassiert, gerade einmal 8,6 Schüsse feuern ihre Gegner pro Spiel ab. Nur die Spitzenteams aus München, Dortmund und Leverkusen lassen weniger zu.
Union überzeugt besonders dann, wenn sie kompakt verschieben und den Zugriff im Mittelfeld suchen. Das Herausrück-Verhalten von Mittelfeld und Abwehr hat sich im Vergleich zur vergangenen Saison noch weiter verbessert. Union fängt jetzt mehr gegnerische Pässe ab und gewinnt mehr Bälle um den Mittelkreis. Auch ein hohes Pressing haben sie in ihr Repertoire aufgenommen.
Seit nunmehr sieben Spielen ist Union ungeschlagen. Was beeindruckend klingt, relativiert sich etwas, wenn man auf ihre Gegner blickt. Union traf zuletzt auf die fünf Teams am Tabellenende – Schalke, Köln, Bielefeld, Mainz und Freiburg – sowie auf die zwölftplatzierten Hoffenheimer. Die Spielplan-Macher haben Union einen leichten Saisonstart beschert. 14 Punkte aus diesen sechs Spielen sind dennoch eine Hausmarke.
Das bedeutet aber auch: Die dicken Brocken kommen erst noch. Vor Weihnachten muss Union noch gegen Frankfurt, Bayern und Dortmund ran, im neuen Jahr warten Wolfsburg, Leverkusen und Leipzig. Gut möglich, dass aus der Siegesserie schnell eine Sieglosserie wird.
Erst einmal wartet aber das Derby. Am Freitag in zwei Wochen trifft Union auf die Hertha. Sie werden als stärkster Berliner Klub in das Spiel gehen. Und das ist trotz des Spielplans eine große Überraschung.