Als stoischer Mittelfeldabräumer gewann er die Europameisterschaft 1996 und wurde in Bremen zur Vereinslegende. Heute wird er 55 Jahre alt. Doch mit dem Fußball hat er mittlerweile abgeschlossen. Stattdessen kümmert er sich in neuer Rolle um den Nachwuchs.
„Who’s that fucking Dieter Eilts?“ Nach dem ersten deutschen Vorrundenspiel der EM 1996 in Manchester kannten die britischen Reporter nur eine Frage. Eilts hatte beim 2:0 gegen Tschechien im defensiven Mittelfeld alles humorlos abgeräumt, was ihm über den Weg gelaufen war. Man macht zwar Witze über Ostfriesen, sie selber machen aber keine. Und erst recht keine Kompromisse.
Spätestens nach dem Halbfinalsieg gegen Gastgeber England und einer überragenden Defensivleistung des Bremer Abräumers fragte sich keiner mehr, wer denn dieser Dieter Eilts sei. Nach dem Titelgewinn war „Eisendieter“ in aller Munde, wurde in die Mannschaft des Turniers gewählt und ließ sich vom Mannschaftskoch beim feierlichen Bankett einen Hamburger braten – als Antipasto. Die englische Presse taufte ihn „Lord Eilts“, Bundespräsident Roman Herzog verlieh ihm das silberne Lorbeerblatt und überhaupt war Eilts vermutlich auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen.
Machen statt quatschen
Neben der Europameisterschaft gewann Eilts, der seine gesamte Profikarriere bei Werder Bremen verbrachte, auch zwei Mal die Bundesliga, drei Mal den DFB-Pokal und 1992 auch noch den Europapokal der Pokalsieger. Über zehn Jahre lang war er der Fixpunkt im Werder-Mittelfeld, steckte Diego Maradona genau wie Youri Djorkaeff in die Tasche und lehrte Torsten Frings die Kunst des stoischen Ausputzers.
Von seinem ersten Profi-Vertrag 1987 bis zum letzten Bundesligaspiel am 18. August 2001 stand Eilts für zuverlässige, ehrliche Mittelfeldarbeit, als Repräsentant seiner Heimat, wo man sich von morgens bis abends mit „Moin“ begrüßt. Oder einfach gar nichts sagt und lieber macht. In 390 Bundesligaspielen spielte er die Nebenrolle, war kein Superstar, aber ebenso wenig Statist. Einer von der Sorte, die nicht im Rampenlicht stehen, aber ohne die das Drehbuch ansatzlos in sich zusammenfällt. In Bremen verlieh man ihm dafür die Ehrenspielführerwürde. Otto Rehhagel machte ihn zum „Ostfriesen-Alemao“, der SV Werder direkt nach dem Karriereende zum U19-Trainer. Und heute?
Eilts blieb nur für die eine Saison 2002/2003 Trainer in Bremen. Dann wechselte er zum DFB, wo er ebenfalls die U19 übernahm. Nur ein Jahr später wurde sein ehemaliger DFB- und Europameister-Kollege Jürgen Klinsmann Nationaltrainer und Eilts auf dessen ausdrücklichen Wunsch zur U21 befördert. Die trainierte er bis November 2008. Dann musste er wegen Differenzen in den Ansichten zu Spielphilosophie und Arbeitsweise mit Jogi Löw und Matthias Sammer seinen Posten räumen.
Lange arbeitslos blieb Eilts allerdings nicht: Einen Tag später unterschrieb er als neuer Cheftrainer bei Hansa Rostock. An der Ostsee blieb der Ostfriese jedoch nur wenige Monate. Nach einer Auswärtsniederlage auf St. Pauli wurde „Eisendieter“ schon im März 2009 wieder entlassen. Im Januar 2011 übernahm Eilts dann als Jugendkoordinator in Oldenburg, bevor er 2012 zum SV Werder zurückkehrte, wo ihm die Leitung der vereinseigenen Fußballschule übertragen wurde.
Nach Rostock habe er gemerkt, „was ich nicht mehr will, und das war der Profi-Bereich“, sagte Eilts damals. „Ich habe keine Lust mehr auf den permanenten Druck, dem man unterzogen wird.“ In der Fußballschule sollte dementsprechend der Spaß und nicht der Leistungsdruck im Vordergrund stehen. Eilts Gegner auf dem Feld hatten in aller Regel wenig zu lachen. Die Kinder in den Werder-Fußballcamps dafür umso mehr.
Hausaufgaben statt Intervalltraining
„Ich wusste schon während meiner Karriere immer, dass ich im Nachwuchsbereich arbeiten werde“, sagte Eilts 2012 im 11FREUNDE-Interview. „Ich bin dann auch in die andere Schiene geraten. Aber es war nicht das, was ich wirklich wollte.“ Das war kurz nach seinem erneuten Engagement in Bremen, dass im Sommer 2018 auf seinen eigenen Wunsch hin endete. Seitdem kümmert sich Eilts neben einer Tätigkeit in der Redaktion des Werder-Newsportals Mein Werder um die etwas andere Nachwuchsarbeit.
Im vergangenen August startete er seinen neuen Job an der Freien Evangelischen Bekenntnisschule in Bremen. Wo seine Frau als Lehrerin arbeitet, hat Eilts in Teilzeit bei der Nachmittagsbetreuung angefangen, macht mit den Kindern Hausaufgaben, spielt Spiele, bastelt und singt. „Das In-der-Öffentlichkeit-Stehen hat mir noch nie Spaß gemacht“, sagte er buten un binnen. Deshalb, so würden auch seine alten Kollegen sagen, sei sein jetziger Job genau der richtige.
Den Fußball hat Eilts weitestgehend abgehakt. Wahrscheinlich auch, weil dort heutzutage jedes kleinste Detail öffentlich diskutiert wird und ehrliche Arbeit weniger zählt als große Worte. Mit einem guten Gefühl fahre er jetzt nach Hause, wenn bei den Hausaufgaben alles geklappt habe und die Kinder Spaß hatten. Und obwohl sie alle noch nicht auf der Welt waren, als Eilts 1996 die Europameisterschaft gewann, fragt heute keiner mehr, wer denn dieser Dieter Eilts sei. Ihm dürfte es recht sein.