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Torsten Lie­ber­knecht, schon der Blick auf die Zahlen verrät: In Braun­schweig wurde diese Saison groß­ar­tiger Fuß­ball gespielt. Nach 32 Spiel­tagen stehen 73 Punkte, 70 Tore und 23 Siege zu Buche. War die Ein­tracht so etwas wie der BVB der 3. Liga?

Torsten Lie­ber­knecht: Nur zwei Num­mern kleiner. (lacht) Wir haben eine super Saison gespielt, klar. Dass wir sechs Spiel­tage vor Ende der Saison als Auf­steiger fest­stehen, sagt viel aus. Und doch wäre es ver­messen sich mit Borussia Dort­mund zu ver­glei­chen.

Wie wichtig ist es für Sie, dass Ihre Mann­schaft attraktiv spielt?

Torsten Lie­ber­knecht: Wem ist das nicht wichtig? Aller­dings beruht die Attrak­ti­vität im Fuß­ball nach meinem Ver­ständnis nicht nur auf Toren. Zumal dabei häufig die Defen­sive ver­gessen wird. Ich finde es jeden­falls auch sehr attraktiv, dass wir nur 17 Gegen­treffer kas­siert haben. Grund­sätz­lich bedeutet attrak­tiver Fuß­ball für mich auch immer: Lei­den­schaft! Und zwar auf allen Ebenen, auf dem Platz, im Klub, unter den Fans. 

Wenn Kai­sers­lau­tern absteigt, heißt es häufig: Eine Region stirbt. In Braun­schweig scheint das anders, trotz einem ewigen Auf und Ab kamen auch in dieser Saison durch­schnitt­lich über 12.000 Fans zu den Heim­spielen.

Torsten Lie­ber­knecht: Das ist eine schöne Ent­wick­lung, schließ­lich konnten viele Fans in den ver­gan­genen Jahren nicht son­der­lich viel mit der sport­li­chen und finan­zi­ellen Kon­so­li­die­rungs­phase des Klubs anfangen. Zuletzt haben die Fans aber gemerkt, dass sie diesen Weg mit­gehen müssen. Auch weil sie sich ein Stück weit von ihren Erwar­tungs­hal­tungen lösten, haben sie letzt­lich eine große Rolle beim Umbruch gespielt.

Als Sie bei der Ein­tracht 2008 Chef­trainer wurden, wollte sogar der Braun­schweiger Stadtrat wissen, welche Spieler Sie ver­pflichten werden.

Torsten Lie­ber­knecht: Das zeigt auch, welche Rele­vanz die Ein­tracht in Braun­schweig genießt. Der Klub ist hier ein Poli­tikum.

Was haben Sie den Poli­ti­kern denn geant­wortet?

Torsten Lie­ber­knecht: Ich musste schmun­zeln. Letzt­end­lich haben die Herren schnell gemerkt, dass sie von mir keine Infos bekommen können. Ich rede den Leuten ja auch nicht in den Haus­halts­plan. 

Sie waren als Spieler für den 1. FC Kai­sers­lau­tern, den 1. FC Saar­brü­cken, Waldhof Mann­heim und Ein­tracht Braun­schweig aktiv. Mit Aus­nahme des FCK sind das alle­samt Tra­di­ti­ons­klubs, die zuletzt nicht mehr in den ersten zwei Ligen spielten. Wie schwer wiegt die Bürde des Tra­di­ti­ons­ver­eins?

Torsten Lie­ber­knecht: Gerade bei den genannten Ver­einen wiegt sie auf­grund Erst­li­ga­ver­gan­gen­heit beson­ders schwer. Für die sport­lich Ver­ant­wort­li­chen und die Fans ist es oft­mals schwer, sich von der His­torie frei­zu­ma­chen und ein­fach mal zu sagen: Wir starten neu im Hier und Jetzt. In Braun­schweig, da bin ich mir ziem­lich sicher, haben die Leute all­ler­dings in den letzten drei Jahren geschafft, eine Brücke zwi­schen der Tra­di­tion der Ver­gan­gen­heit und einem zukunfts­träch­tigen und rea­li­täts­nahen Denken zu schlagen. 

Fern der Qua­li­täts­un­ter­schiede haben viele Mann­schaften oft­mals Pro­bleme sich in der 2. Liga zu akkli­ma­ti­sieren – Bun­des­li­ga­ab­steiger genauso wie für Dritt­li­ga­auf­steiger. Welche Unter­schiede sehen Sie zwi­schen den ersten drei Ligen?

Torsten Lie­ber­knecht: Für mich als Spieler gab es nie einen Unter­schied, denn ich kam auf­grund beschei­dener spie­le­ri­scher Mittel stets über den Kampf. (lacht) Natür­lich, das Spiel wird in der kom­menden Saison an Fahrt auf­nehmen. Doch ich bin mir ziem­lich sicher, dass die Mann­schaft lern­be­reit ist. Sie wird auch in der 2. Liga zurecht­kommen. 

Denken Sie bereits über die kom­mende Saison nach?

Torsten Lie­ber­knecht: Zunächst wollen wir in der 3. Liga die Meis­ter­schaft holen. Doch natür­lich blickt man mit einem Auge auf die 2. Liga. Ich bin auch ganz ehr­lich: Da werde ich wieder zum Kind, die Vor­freude ist sehr groß, schließ­lich geht es gegen grö­ßere Klubs, wir spielen in grö­ßeren Sta­dien. Den­noch ist da auch das Gefühl der Demut. Wir wissen, dass es schwer wird.

Einer Ihrer besten Spieler wech­selt zu Bayer Lever­kusen.

Torsten Lie­ber­knecht: Bei Karim Bel­larabi war klar, dass er über kurz oder lang in der Bun­des­liga landen wird. Sein Weg­gang schmerzt natür­lich. Ande­rer­seits bedeutet der Transfer eine große Aus­zeich­nung für Ein­tracht Braun­schweig. Er kam als 18-Jäh­riger zu uns und wurde über drei Jahre stark geför­dert. Seine Ent­wick­lung macht uns stolz.

Wel­cher Moment bleibt Ihnen von der Saison in Erin­ne­rung?

Torsten Lie­ber­knecht: Es gab zwei sehr wich­tige Momente: Zum einen den 6. Spieltag, ein Aus­wärts­spiel in Regens­burg. Wir hatten zwei Spiele in Folge ver­loren und die Mann­schaft schien nicht mehr an ihre Stärke zu glauben. Vor jenem Spiel bei Jahn Regens­burg setzten wir uns alle gemeinsam auf den Rasen eines Rugby-Platzes in der Nähe des Sta­dions. Wir unter­hielten uns. Dabei ging es gar nicht so sehr um spiel­tak­ti­sche Dinge, es ging viel­mehr darum, das Gefühl der Stärke zurück­zu­ge­winnen. Das anschlie­ßende Spiel gewannen wir 3:0.

Der andere wich­tige Moment?

Torsten Lie­ber­knecht: Ein Spiel in Offen­bach. Bie­berer Berg, Frei­tag­abend, Flut­licht, per­fektes Fuß­ball­wetter – und ehe wir uns ver­sahen, lagen wir nach 20 Minuten mit 0:2 hinten. Doch wir kamen zurück, am Ende stand es 2:2, und wir rückten erst­mals auf den 2. Platz der Tabelle vor. Von da an ging es nur noch auf­wärts.