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Seite 3: 2. Spieltag: Betis Sevilla – F91 Düdelingen

2. Spieltag
Betis Sevilla – F91 Düdelingen, 4. Oktober 2018

Ama­teur­haft findet auch Romain Schu­ma­cher einiges. Am Mitt­woch, dem 3. Oktober um kurz nach neun führt er auf dem Roll­feld des Luxem­burger Flug­ha­fens Findel ein Tele­fonat. So machen wir es“, sagt er und legt auf.

Schu­ma­cher, 59, ist Prä­si­dent des F91 Düdelingen und des luxem­bur­gi­schen Liga­ver­bands. Haupt­be­ruf­lich arbeitet er als Ver­si­che­rungs­makler. Habe noch eine Police an einen Ex-Trainer ver­kauft“, sagt er und lacht. In den Sieb­zi­gern hat Schu­ma­cher selbst Fuß­ball gespielt. Damals nahmen Luxem­burger Ver­eine regel­mäßig am Euro­pa­pokal teil, denn es gab noch keine lei­dige Qua­li­fi­ka­tion. Dafür bekamen sie regel­mäßig auf die Mütze, so auch Schu­ma­cher und sein Team Aris Bon­neweg, das 1979 im Pokal­sie­gercup beim FC Bar­ce­lona mit 1:7 verlor.

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Seitdem hat sich einiges getan im hei­mi­schen Fuß­ball. Sogar die Natio­nalelf, früher Syn­onym für die Schieß­bude Europas, gewinnt gele­gent­lich, momentan hat sie gute Chancen, sich über die Nations League für die EM zu qua­li­fi­zieren. Trotzdem, es man­gelt nicht nur an guten Sta­dien, es gibt auch kein wirk­li­ches Pro­fi­wesen, dafür alter­tüm­liche Regu­la­rien. Im Spiel­be­richts­bogen müssen etwa sieben Spieler stehen, die ihre Kar­riere in Luxem­burg begonnen haben. Kürz­lich sorgte auch die Pokal­aus­lo­sung für großes Gelächter im Internet, denn die Losfee, der Direktor eines Spon­sors, warf einige Kugeln anschei­nend will­kür­lich zurück den Topf, um sie gegen andere aus­zu­tau­schen.

Das Pro­blem ist nur“, sagt Schu­ma­cher, wenn ich mehr Pro­fes­sio­na­lität for­dere, glaubt der Ver­band, ich wollte eine Mond­lan­dung vor­be­reiten.“ Nun bereitet sich die Mann­schaft auf den Flug zum ersten Aus­wärts­spiel bei Betis Sevilla vor, in einer eigens gechar­terten Maschine, was bei genauerer Betrach­tung auch einer Reise zum Mond gleicht – oder zumin­dest einem Trip in eine unbe­kannte Umlauf­bahn. Immerhin, die Düdelinger, die für Aus­wärts­reisen nor­ma­ler­weise nicht weiter als 50 Kilo­meter fahren müssen, sind heute topfit, was auch an Trainer Topp­möller liegt. Er habe Video­ana­lysen ein­ge­führt, sagt Stürmer Dominik Stolz, und mit den Spie­lern, die nicht arbeiten müssen, trai­niere er schon vor­mit­tags. Vor zwei Jahren gegen Qarabag lagen wir alle mit Krämpfen auf dem Boden. Das würde heute nicht mehr pas­sieren.“ Und dann singen sie ein Ständ­chen, denn ein Betreuer in Reihe 16 hat Geburtstag.

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Der Traum von Europa. Auf dem Weg nach Sevilla.

Lukas Ratius

Vom Flug­hafen in Sevilla geht es weiter ins Hotel, zwei Poli­zei­mo­tor­räder eskor­tieren den Mann­schaftsbus. Der Asphalt flim­mert, es sind 36 Grad. Ein­che­cken, kurz die Füße hoch­legen, dann trifft sich der Vor­stand zum Stadt­bummel, wäh­rend Dino Topp­möller in der Lobby ein paar Reporter um sich ver­sam­melt.

Der junge Trainer ist im Grunde wie Luxem­burg: sach­lich, ziel­ori­en­tiert und der Euphorie eher skep­tisch zuge­wandt. Pas­send dazu trägt er zu jeder Tages­zeit Funk­ti­ons­sport­sa­chen. Unpas­send aller­dings ist sein Lieb­lings­ad­jektiv: brutal. Als wollte er dem Gedüdel etwas Härte hin­zu­fügen. Viel­leicht macht er das auch, damit man ihn nicht wieder mit Fragen nach seinem Vater nervt. Also, mor­giger Gegner, wie stehen die Chancen? Das wird brutal. Ich schätze Betis stärker ein als Milan!“ Woran machen Sie das fest? Schauen Sie nur das letzte Liga­spiel gegen Leganes an. 82,5 Pro­zent Ball­be­sitz. Rekord.“ Was macht Hoff­nung? In jedem Spiel kann man Match­glück haben. Wenn wir gegen Milan früh 0:1 in Rück­stand geraten wären, hätten wir viel­leicht eine Packung bekommen. Aber so lief das Spiel lange gut für uns.“ Dann steht er auf, noch was vor­be­reiten für die Jungs“, und nimmt den Fahr­stuhl nach oben.

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Dino Topp­möller gibt bru­tale Inter­views.

Lukas Ratius

Extro­ver­tiertes Fantum ist vielen Luxem­bur­gern fremd. Liegt es daran, dass sie eine Kultur des Schei­terns nicht kennen? Sie leben im teu­ersten Land der EU, viele Men­schen arbeiten in der Finanz­branche, Gewinner im Leben. Warum sollten sie am Wochen­ende mit­tel­mä­ßige Fuß­ball­spiele in mit­tel­mä­ßigen Sta­dien sehen? Nach Aser­bai­dschan, als Düdelingen 2016 gegen Qarabag spielte, reiste kein ein­ziger Fan mit. Zu den Liga­spielen kommen kaum mehr als 600 Zuschauer. Nach Sevilla sind immerhin 67 Anhänger mit­ge­flogen. Marco und Roger etwa, die seit den Sech­zi­gern dabei sind, damals als Fans des Vor­gän­ger­ver­eins Alli­ance. Vor dem Sta­dion wirken sie wie Teil­nehmer einer Stan­dard­tanz­gruppe, die das erste Mal auf ein Heavy-Metal-Kon­zert geht. Wie singt man hier? Wie schwenkt man den Schal?

Aber es sind auch jün­gere F91-Anhänger dabei, die erst im Sommer einen Fan­klub gegründet haben. Maël und Max sind die Anführer, Anfang 20, voller Taten­drang. Sie haben ein Banner und einen Schlachtruf: Efee­nan­nonzeg Did­de­ling!“ Andere beti­teln sie manchmal als Erfolgs­fans, aber das ist ihnen egal. Max sagt, dass sie gar nicht so anders seien als die Ultras von Milan oder Betis. Die wissen auch: Wir lieben unsere Farben so wie sie ihre!“ Und dann werden sie vom Estadio Benito Vill­amarin ein­fach ver­schluckt. Selten war der Kon­trast zwi­schen den Welten bis­lang so deut­lich zu sehen wie an diesem Ort, der dreimal so viele Men­schen fasst, wie in Düdelingen leben.

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Hurra, (fast) das ganze Dorf ist da. 67 Düdelingen-Fans in Sevilla.
Lukas Ratius

Die Partie gegen Betis gleicht dem Milan-Spiel, wieder geht es mit 0:0 in die Pause. Wieder fällt nach knapp einer Stunde das 0:1, am Ende steht es 0:3. Joe Fri­sing, der Stu­dent im Tor, schlappt aus der Kabine. Biss­chen zu hoch das Ergebnis, klar! Am Wochen­ende geht’s zu Racing FC Union Lët­ze­buerg, nächste Woche steht eine Uni-Prü­fung an, Per­so­nal­ma­nage­ment. Muss noch lernen!“