2018 qualifizierte sich der F91 Düdelingen aus Luxemburg für die Europa League – und traf in der Gruppenphase auf den AC Mailand, Olympiakos Piräus und Betis Sevilla. Wir haben den Dorfklub damals begleitet.
3. Spieltag
F91 Düdelingen – Olympiakos Piräus, 25. Oktober 2018
Wo soll die Reise für den Klub hingehen? Die einen düdeln in aller Ruhe vor sich hin, charmant im Rückwärtsgang nach vorne. Einige andere würden am liebsten auf Turboboost schalten. Der ambitionierte Trainer Dino Toppmöller etwa, der mit seiner Akribie und seinem Tatendrang brutal Karriere machen könnte, auch international. Und natürlich Flavio Becca, die graue Eminenz. Wann bekommt er sein neues Stadion?
Am Morgen vor dem Spiel gegen Olympiakos sagt Düdelingens Bürgermeister Dan Biancalana, er sei verwundert gewesen, als er von Beccas Ultimatum gehört habe. „Auch andere Vereine in Düdelingen brauchen Unterstützung“, sagt er, „die Basketballer oder die Badmintonspieler.“ Ein neues Fußballstadion werde es in der aktuellen Legislaturperiode bis 2021 daher nicht geben. Aber braucht Düdelingen dieses moderne Stadion überhaupt? Spielt die Mannschaft nun dauerhaft in Europa? Kann sie in Luxemburg eine Fußballeuphorie entfachen? Bereits jetzt, beim zweiten Europa-League-Heimspiel herrscht Katerstimmung. Das Spiel gegen Olympiakos ist zwar offiziell ausverkauft, aber hunderte Fans haben ihre Tickets verfallen lassen. Immerhin, die alten Bekannten sind wieder da: Nachwuchsvorstand Goergen („Heute ist was drin“), Ehrenpräsident Fellerich („Vielleicht ein Unentschieden“) und natürlich der Profi-Laminierer Müller, der untröstlich ist, denn er hat vergessen, die Pressetickets zu lochen. „Ist mir noch nie passiert!“
Kurz vor dem Anpfiff gegen Griechenlands Rekordmeister wuselt am Eingang des Josy-Barthel-Stadions auch Flavio Becca umher. Konspirativ steckt er mit anderen Männern seiner Entourage die Köpfe zusammen. Mittlerweile besitzt er auch in Belgien einen Verein, den Royal Excelsior Virton. „Hab dort heute den Trainer entlassen“, ruft er und lacht, als sei das ein grandioser Witz. So wie er spricht, stellt er sich vermutlich seinen Verein vor: das Gaspedal immer durchgedrückt, Tempo, Tempo. Er fragt: „Was hat der Bürgermeister gesagt?“ Und dann, schon auf dem Sprung zum nächsten Gesprächspartner, ruft er: „Ich gebe Ihnen einen Tipp: Hesperingen!“
Ein Freund aus Jugendtagen tritt danach heran und versucht, diesen Blitzauftritt zu erklären. In Hesperingen sei Becca aufgewachsen, er wolle dorthin gehen, wenn sich die Infrastruktur beim F91 nicht verbessere. Die besten Spieler nehme er natürlich mit. Und dann wird es in Düdelingen keine Europa League mehr geben. So einfach sei das.
Das Spiel gegen Olympiakos erzählt zum dritten Mal diese Geschichte: 0:0 zur Pause, 0:1 nach einer Stunde, 0:2 in der 81. Minute. Düdelingen ist schon nach der Hinrunde so gut wie ausgeschieden, die Reise zum Mond endet im Orbit. Die ersten Zuschauer strömen fünf Minuten vor dem Abpfiff aus dem Stadion. Vielleicht gehen sie nächste Woche lieber wieder zum Basketball, vielleicht auch ins Musical. Nur wenige von ihnen – genaugenommen 752 – werden wiederkommen, wenn Düdelingen in einigen Tagen im Stade Jos Nosbaum Jeunesse d’Esch empfängt. Ehrenpräsident Fellerich wird sich über die Würmer ärgern, Dino Toppmöller über die 1:3‑Niederlage und Becca über die Holzbänke in den Umkleiden. Aber ist das momentan wirklich wichtig? Ist das Ende November wichtig, wenn David Turpel eine Woche nach Erscheinen dieses Artikels zum 1:0‑Sieg in Mailand trifft? Wenn Dino Toppmöller auf Händen aus dem San Siro getragen wird? Denn so wird es kommen, oder? Eine gute Pointe muss der Fußballgott für seinen Scherz doch noch parat haben.